Porträt: Christof Kurzmann

Christof Kurzmann in einem Portrait gerecht zu werden, ist nicht nur schwer, es ist beinahe unmöglich. Der Mann lebt nicht nur in drei unterschiedlichen Städten (Wien, Berlin und Buenos Aires), er ist auch musikalisch nicht leicht dingfest zu machen, was vor allem daran liegen mag, dass er sich seit jeher mit Können und Geschick jeder Schubladisierung, jeder eindeutigen Zuordnung zu einem Genre also entzieht, was viel mit eigenen musikalischen Vorlieben, die von Jazz über Rock bis hin zu Elektronik und Improvisation reichen, aber auch mit der Herangehensweise an das Musikmachen, dem Kompositionsprozess an sich, zu tun hat.

Zunächst nämlich, so stellt es Christof Kurzmann selbst dar, wählt er Samples aus Aufnahmen aus, die ihm aus unterschiedlichen Gründen gut gefallen. Sie bilden die Basis, von der ausgehend er über einen längeren Zeitraum versucht, sich in diesen Ausgangs-Sound hinein zu leben, um irgendwann so weit zu sein, ihn in einem zweiten Schritt in jede nur erdenkliche Richtung zu manipulieren. Zunächst also geht es um die Quintessenz einer bestimmten Klangsprache, die dann, sobald man sie endgültig verstanden hat, in den eigenen musikalischen Kosmos inkorporiert wird. Das Fremde wird zum eigenen Instrument. Wie man das Ergebnis nenne, ob nun Freejazz, Electropop oder „Neue Musik“ spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Das Tool für diese „Übersetzung“ jedenfalls ist der Laptop. Da allerdings erweist sich Kurzmann als größerer Traditionalist als man vermuten würde. Anders als viele Kollegen setzte er nämlich lange Zeit nicht auf die jeweils neuesten Programme und Systeme, sondern versuchte erst einmal aus einer gegebenen Version alles rauszuholen, was möglich ist. Erst wenn er da an Grenzen stieß, dachte er an Erweiterung bzw. Ausbau. Neuerdings aber ist auch er auf „ppool“ (früher: lloopp, eine freeware, Open-Source Software, die eigens für Live-Improvisation geschrieben wurde)  umgestiegen, wie sich aktuellen Setlists entnehmen lässt.

Christof Kurzmanns Musiksozialisation begann mit dem Saxophon. Weil er als Jugendlicher ein so großer Fan von Archie Shepp und Davis Murray war, wollte er unbedingt auch eines. Später sollte er es gegen eine Klarinette tauschen, weil sie sich aufgrund der Oberton-Skalen einfach besser mit elektronischen Sounds kombinieren ließ.

Ein wirklich wichtiger erster Schritt im künstlerischen Schaffen Kurzmanns waren aber die gemeinsam mit Helmut Heiland betriebenen Extended Versions, einer Avant-Rock-Band, mit der man kurze Zeit auch die Wiener Clubkultur streifte, basierte ihre gemeinsame Musik doch auf Samples und Drum Computers. Kurzmann sang, spielte Gitarre uns Saxophon, Heiland bediente Bass und Gitarre. Beide verband auch eine gemeinsame politische Haltung.

Heute sind es viele Projekte, die ihn parallel beschäftigen: Schnee (gemeinsam mit Burkhard Stangl), The Magic I.D. (mit Kai Fagaschinski, Margareth Kammerer and Michael Thieke) und El Infierno Musical (mit Ken Vandermark, Eva Reiter, Clayton Thomas and Martin Brandlmayr). Vor allem in Buenos Aires wird die Liste der Kollaborationen immer länger. Neue Gruppen und Projekte gibt es u.a. mit Eden Carrasco, Toto Alvarez, Leonel Kaplan, Ricarda Cometa, Ada Rave, Jorge Espinal u.v.m. Mit Leonel Kaplan etwa, der für seinen ausgeprägt minimalistischen Trompetenstil nicht nur in Lateinamerika bekannt ist, arbeitet er seit 2007 verstärkt zusammen. Das Duo wird häufig um die Saxophonisten Eden Carrasco (Chile), John Butcher (GB), den Bassisten George Cremaschi (USA) oder die Tänzerin Nicole Bindler (USA) erweitert. Und erst kürzlich hat Christof Kurzmann etwa einen Remix des Stooges Klassikers “Dirt” für Neneh Cherry’s Remix Album beigesteuert.

Was Improvisationsmusik für Kurzmann ausmacht, ist die Frische, das Überraschungsmoment. Andererseits gäbe es genauso Improvisation, die beinahe ausschließlich auf bekannte und bewährte Sprachmuster zurückgreife und so, ohne jemandem weh zu tun, schnell langweilig werden könne, sagt er. Zwischen den bewährten Sprachmustern und der Überraschung gelte es zu wandeln, zwischen diesen beiden Polen müsse eine Balance gefunden werden.

Andererseits habe er es, so Kurzmann, schon lange aufgegeben, nach dem „Neuen“ in der Musik zu suchen. Es gehe ihm viel mehr darum, bereits Vorhandenes neu zu kontextualisieren und so bislang Ungehörtes zu erschaffen. Genau zu diesem Zwecke hat er auch sein eigenes Label Charhizma gegründet, das er über die Jahre in unterschiedlicher Intensität betrieb. Erster Release auf Charhizma war 1999 “Pop Loops For Breakfast” von B. Fleischmann, mit dem Kurzmann auch bei “The Year Of” (ebenfalls mit dabei: Werner Dafeldecker, Martin Siewert und Burkhard Stangl) spielte und bis heute immer wieder zusammen arbeitet, unter anderem auch gemeinsam mit der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Charhizma versteht sich heute aber eher als Plattform, die unterschiedliche Musiker mit unterschiedlichem Hintergrund in mannigfaltigen Live-Settings präsentiert.

Von Beginn an war Kurzmanns Schaffen aber auch mit dem Veranstalten von Konzerten und Festivals verknüpft. Organisierte er 1987 Cecil Taylors Wien-Konzert, war er bei nahe ein Jahrzehnt später maßgeblich daran beteiligt die phonoTAKTIK.95 und damit das größte Festival elektronischer Musik dieser Zeit aus der Taufe zu heben. Die phonoTAKTIK allerdings nur auf ihre Größe zu reduzieren, hieße, ihre wahre Bedeutung für die heimische Musiklandschaft erheblich zu schmälern, denn sie war nicht weniger als der Startschuss für einen wahren Boom elektronisch generierter Musik, der Österreich erstmals auf die internationale Musiklandkarte hieven sollte.

Kruder/Dorfmeister, Pulsinger/Tunakan, Fennesz und das Label Mego schafften es infolgedessen auf die Titelseiten solch anerkannter Musik-Magazine wie Rolling Stone und NME. Wien und sein (mehr oder weniger spezifischer) Sound waren Gesprächsthema.

Zeitgleich mit der zweiten Ausgabe des Festivals wurde auch das bis heute aktive Gürtellokal rhiz ins Leben gerufen. Die Szene hatte ihre erste rein auf elektronische Musik spezialisierte Location.

Vor allem in Buenos Aires, das Kurzmann aufgrund seiner allgemeinen Aufbruchstimmung schätzt, die sich an allen Ecken und Enden der Stadt spüren lasse, ist diese Veranstaltungs-Lust zu neuem Leben erwacht. Infos über aktuelle Live-Auftritte finden sich unter ckurzmann.blogspot.co.at
Markus Deisenberger

 

http://ckurzmann.blogspot.co.at/