Porträt Christian Gratt – Go, Gigi, go!

Ist Ottensheim eine Insel der Seligen? Fast hat es den Anschein, bedenkt man die auffällige Häufung an Musikerpersönlichkeiten in dieser oberösterreichischen Gemeinde nahe Linz, der zudem eine Bürgermeisterin aus einer alternativen Bürgerliste vorsteht. Einmal steht die Kommune an der Donau in der Auslage, wenn zum jährlichen Openair geblasen wird, das – in Kooperation mit den Linzer Kulturstätten Kapu und Stadtwerkstatt – vom örtlichen Verein KomA veranstaltet wird. Hervorgegangen aus dem Jugendzentrum JO, bündelt KomA (Kultur ohne momentanen Aufenthalt) die kulturellen Kräfte Ottensheims. Mittendrin und federführend an etlichen Aktionen beteiligt ist der Gitarrist, Bassist, Trompeter Komponist (und einiges mehr) Christian Gratt, genannt Gigi.

Seine erste wichtige, bis heute virulente Band ist Tumido, das Duo mit dem aus dem benachbarten St. Martin stammenden Schlagzeuger Bernhard Breuer. Tumido kultiviert Drum and Bass im besten Sinn, also in der analogen Umsetzung improvisierter Musik – und kollaboriert in dieser Zusammensetzung jederzeit gern mit dem großartigen Trio Bulbul. Demnächst, erzählt Gratt im mica-Gespräch, holen Breuer und er noch Mario Stadler (aus Ottensheim, eh klar) ins Boot, um gemeinsam ein Trompeten-Album einzuspielen. Weitere Freischärler-Ensembles von Gigi heißen Braaz (Improjazz mit Werner Zangerle, Marcus Huemer und Martin Flotzinger), NI (mit zwei weiteren Gitarristen, Manuel Mitterhuber & Tobias Hagleitner, und dem Schlagzeuger Martin Flotzinger, allesamt in retrofuturistischen Kostümen und in hinreißender Performance) und Gigi’s Gogos, Gratts Little Big Band mit jeweils dreifacher Besetzung an Gitarre, Bass, Schlagzeug und Saxofon. Im Hinterkopf von Christian Gratt, der seit einigen Monaten einmal monatlich im Grazer Café Stockwerk im Grazer Styrian Improvisers Orchestra mitwirkt, wurlt bereits ein richtig großes, um nicht zu sagen 50-köpfiges Orchester. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Bis es soweit ist, wird er – neben den bereits genannten Aktivitäten – auch in der Gypsyband Romanovstra (mit Nica Stojka) aufspielen, wird mit Drumski Volkslieder in einen anderen Kontext transponieren, wird mit dem Pianisten Günther Wöss Klassik und Jazz vermählen, um sie für Firmengeschenke herzurichten, wird komponieren und an der Tres, einer 3-saitigen, doppelt bespannten Gitarre aus Kuba herumprobieren. Und er wird wieder mit der Kollegenschaft improvisieren, etwa mit Elisabeth Harnik & Dave Rempis, mit Mats Gustafsson oder mit Hannes Löschel, Manfred Hofer & Bernhard Breuer.

Wenn immer es die Zeit erlaubt, und sie wird beim frischgebackenen Papa von Gabriel Garcia Gratt immer knapper, wird er die Tradition verlängern, die ihn mit dem bosnischen Fährmann von Ottensheim verbindet. So hat man ein- bis zweimal im Jahr ein Busreise ins Dorf Vinac, eine Partnergemeinde von Ottensheim, organisiert, dort Konzerte gespielt und die dabei erzielte Erlöse für kommunale Zwecke der vom Krieg arg in Mitleidenschaft gezogenen Ortes verwendet.

Dazwischen tritt er noch solo auf, komponiert für verschiedene Konstellationen, engagiert sich, wie etliche andere MusikerInnen aus Linz und Ottensheim auch, bei den zach records oder schreibt für den Ottensheimer Chor Arrangements für 80(!) Bläser. Die Gefahr der Fadesse scheint sohin für Christian Gratt auf längere Zeit gebannt. Go, Gigi, go!

(Andreas Fellinger)