Frauen sind auf Bühnen, hinter der Technik und im Musikbusiness allgemein unterrepräsentiert. Es existieren andere Rollenbilder und Stereotypen, Zugangsmöglichkeiten gestalten sich oder erscheinen schwieriger als für männliche Kollegen. Gleichzeitig zeigt sich, dass im österreichischen Popgeschehen immer mehr Frauen die Bühnen erobern. Davon ausgehend wurde im Rahmen dieses Panels versucht, über bestehende Strategien, Praxen und Projekte zu diskutieren, die es sich zum Ziel gesetzt haben vor allem für junge Frauen den Zugang zu Musik und Popkultur zu erleichtern.
Es diskutierten:
Patricia Enigl aka irradiation (Musikerin/DJ/Labelbetreiberin TEMP~Records),
Robert Gross (Leiter des Bandprojekts “Girls Only” – Musisches Zentrum Wien),
Ulli Mayer (Kunst- und Kulturvermittlerin/Verein pink noise)
Es moderierte:
Sara Paloni (pink noise Girls Rock Camp)
Kein “Rumgegockel männlicher Kollegen”
Ulli Mayer ist es zu Beginn wichtig festzuhalten, dass das österreichische Girls Camp keine einzelne Idee ist, sondern Teil einer großen Bewegung, die, erstmals in Portland/USA ins Leben gerufen, mittlerweile auf der ganzen Welt existiert.
Wie funktioniert solch ein Camp, will Paloni wissen. Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren kommen eine Woche lang zusammen, um Musik zu machen. Dabei haben sie die Möglichkeit, Instrumente auszuprobieren. Bands werden gegründet, und man probt jeden Nachmittag zwischen drei und vier Stunden gemeinsam. Darüber hinaus werden Workshops zu den unterschiedlichsten Themen abgehalten. Zum Abschluss gibt es Konzerte mit Darbietungen der jeweiligen Bands und ihrer während der Proben entstandenen Stücke.
Patricia Enigl findet das enorm wichtig. Etwas in dieser Art hätte sie sich auch gewünscht, als sie im entsprechenden Alter war. „Ich kam mir wie ein Alien vor“, sagt sie. Gleichgesinnte zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen, hätte ihr auf ihrem Weg zur Musikerin zweifelsohne geholfen. Sie persönlich habe das Glück eines tollen Umfelds gehabt. Das aber habe nicht jeder.
Female Pressure-Treffen, an denen sie teilnahm, fand sie wichtig, da dort die sonst immer noch festgefahrenen Rollenbilder nicht existent seien. D.h. das „Rumgegockel“ männlicher Kollegen falle weg, was sich positiv auf den gesamten Prozess auswirke. Mit anderen Frauen Projekte zu machen, finde sie unglaublich wichtig.
Im Anschluss wird Robert Gross gebeten, seine Erfahrungen aus dem Bandprojekt „Girls Only“ mit dem Publikum zu teilen. Dass er als Mann ein Girls Only-Projekt leitet, sei erst einmal ungewöhnlich, so Paloni.
Dass er als Mann diese Aufgabe ausübe, erzählt Gross liege daran, dass sonst niemand verfügbar war, der den zeitlichen Aufwand bewältigen hätte können. Dafür seien prekäre Beschäftigungsverhältnisse und dergleichen mehr verantwortlich.
Zur Erklärung: Was er heute macht, habe, als er damit anfing, keine Grundlage gehabt. „Es gab darüber keine Literatur.“ Es sei daher von Anfang an darum gegangen, selbst herauszufinden, was funktioniert und was nicht.
Aus seiner bisherigen Erfahrung nun gäbe es ein paar Parameter, die sich über die Jahre herauskristallisiert hätten. So funktioniere es nicht, Mädchen aus stark unterschiedlichen sozialen Hintergründen zusammen in eine Band zu stecken. Eine „soziale Zusammenführung“ habe in den von ihm betreuten Projekten nicht stattgefunden. Sozial ausgewogene Herkunftsverhältnisse hätten sich als Vorteil für das Gelingen bzw. den Bestand erwiesen. Ein zweiter Erfahrungswert sei, dass auch zu stark unterschiedliche Altersstufen innerhalb der Band nachteilig für den Fortbestand sind. D.h. wenn er zwei 15-jährige hat, die eine Band gründen wollen, mache es nur bedingt Sinn, sie mit 13- oder 17jährigen zusammenzuspannen. „Die Interessen sind einfach zu verschieden.“
„Wichtig ist das Zusammengehörigkeitsgefühl.“ (Robert Gross)
Auch Ulli Mayer beschäftigt die Altersfrage immer wieder. Aber es gehe natürlich auch um musikalische Vorlieben, denen man gerecht werden muss. Genau diese Unterschiede gelte es zu überwinden, meint sie. „Im letzten Camp etwa wurde in einem Song der Unterschied zwischen Stadt und Land zum Thema gemacht.“ Gemeinsam arbeiten und sich austauschen – auch über soziale oder musiksozialisierte Grenzen hinweg – sei wichtig.
Patricia Enigl will von Robert Gross wissen, ob es denn in seinem Projekt nicht auch eine Aufweichung der bestehenden sozialen Unterschiede gäbe?
Gross verneint und führt dazu aus, dass für ihn die Nachhaltigkeit des Projektes im Vordergrund stünde. „Es hat keinen Sinn, wenn das Projekt nach drei Wochen wieder auseinander bricht, weil aus finanziellen Gründen unterschiedliche Lokale besucht werden.“ Aus gleichen sozialen Hintergrund kommend sei die Perspektive solch einer Band einfach längerfristiger. „Wichtig ist das Zusammengehörigkeitsgefühl.“
Im Anschluss daran spricht Paloni zwei der hartnäckigsten Klischees an: Zum einen die Annahme, elektronische Musik verschließe sich aufgrund der zum Einsatz gebrachten Technik der Frau. Und Hip Hop sei deshalb so männerdominiert, weil dort mit sexistischen Bildern operiert werde.
Enigl meint dazu, dass es diesbezüglich unterschiedliche Zugänge gebe. Es gibt Studien, die eindrucksvoll belegen, wie niedrig die Frauenquote etwa auf Festivals tatsächlich ist. Deshalb gelte es, die Verantwortlichen aktiv anzusprechen und darauf aufmerksam zu machen
Was sei für die niedrigen Quoten verantwortlich, will Paloni wissen. „Schwer zu sagen“, antwortet Enigl. Zum Teil aber läge es daran, dass Role Models zu wenig präsent seien. Die müsse man ebenso in die Verantwortung nehmen. Aber auch die Fragmentierung der Szenen sei mit daran schuld. Die Vermittlung sei in den Sub-Genres einfach problematisch.
Pop als bevorzugtes Genre
Bei Pink Noise, so Mayer, werde anfangs ein Fragebogen ausgeteilt, um den Hintergrund der jeweiligen Teilnehmer zu erforschen. Die musikalischen Vorlieben seien sehr unterschiedlich. Aber mehr als 75% der Teilnehmerinnen geben Pop als bevorzugtes Genre an. Rihanna und Beyonce stünden hoch im Kurs, d.h. also Solo-Künstlerinnen aus den Bereichen Pop und R&B. Damit nun müsse man arbeiten. Wichtig sei vor allem, zu vermitteln, dass man mit Gesang, Keyboards und Elektronik Musik (auch im Spektrum einer Band) produzieren könne. Es gelte also das klassische Rock-Band-Format aufzubrechen bzw. aufzuweichen. Dass man auch eine Band haben kann, wenn man nicht Schlagzeug, Bass oder Gitarre spielt, sei vielen neu.
Aus dem Publikum wird die Frage gestellt, ob bei all den diskutierten sozialen Aspekten die Kunst auf der Strecke bleibe? Geht es vorrangig um Integration oder hat auch die Kunst ihren Platz? Haben die Arbeiten künstlerischen Anspruch?
Gross bemerkt dazu, dass sich die Mädchen natürlich oft an Bestehendem abarbeiten würden. Daher habe man bei Girls Only auch die Regel ausgegeben, dass zu jeder Cover-Version auch eine selbst komponierte Nummer produziert werden muss, was gut angenommen werde und teilweise auch unerwartete Crossover-Projekte wie Jazz mit deutschsprachigen Texten zeitige. „Es geht uns auch darum, dieses Cover-Image wegzubekommen“, sagt er.
Mayer begreift die Pädagogik als ein weites Feld. „So lange Geschlecht ein Thema ist, gilt es auch, daran etwas zu ändern.
Aus dem Publikum will man von Gross wissen, wie er darüber reflektiere, dass er als Mann ein Girls Only-Projekt leite. Er, so Gross, begreife das als Normalität. Aus dem Publikum will man wissen, ob demgegenüber Jungs in rein männlichen Projekten darüber, weshalb Mädchen ihr eigenes Ding machen, reflektieren würden.
Nein, meint Gross. Die seien in der Mehrzahl und würden einfach machen. Mädchen mit 13 Jahren aber gelte es zunächst einmal die Scheu vor Effektgeräten und dergleichen mehr zu nehmen.
„Was sind die Hürden?“ will Paloni von allen Anwesenden wissen.
Mayer meint, die Selbstorganisation und die Ehrenamtlichkeit ihrer Tätigkeit, denn deshalb werde schon ein Viertel der Arbeitszeit dazu verwendet, Förderanträge zu stellen. Im Projekt – wie vorher schon ausgeführt – seien es Bildung und Herkunft. Und letztlich das professionelle Denken bzw. der Mangel daran, was aber nicht nur auf technische Fähigkeiten zu beschränken sei.
Robert Rotifer möchte zum Ende der Diskussion klargestellt wissen, dass Frauen in der heutigen kommerziellen Pop-Welt alles andere als unterrepräsentiert seien. Seiner Ansicht nach gehe es auch nicht nur um eine Erhöhung des Frauen-Anteils am Gesamt-Musikaufkommens, sondern schlichtweg um Kommunikation.
Und es gehe, und darin sind sich alle DiskussionsteilnehmerInnen letztlich einig, darum zu zeigen, dass es tolle Musikerinnen und Mitmusikerinnen gibt und dadurch einen Prozess in Gang zu setzen.
http://popfest.at/