Popfest Wien

Mit über 40.000 Besuchern an vier Tagen geriet das Popfest Wien zum veritablen Erfolg – und straft jene Lügen die im Vorfeld von einem musikalischen Minderheitenprogramm sprachen. Doch nicht zuletzt als soziales Großereignis und als Maßnahme zur Belebung des urbanen Raums zeigt das Popfest seine Qualitäten.

Die Ansage aus dem Wiener Rathaus klingt entschlossen und zeugt von der Relevanz und Akzeptanz des jungen heimischen Popmusikschaffens: „Diese Zahlen sind ein deutlicher Auftrag, das Popfest als jährliche Präsentation neuer heimischer musikalischer Entwicklungen zu etablieren”, so Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath Pokorny in einer Aussendung der Rathauskorrespondenz, nur wenige Stunden nach Beendigung der größten popkulturellen Maßnahme, die der Wiener Karlsplatz je erlebt hat.

Nicht nur Unterhaltungsprogramm
Dabei war es nicht allein jener urbane Raum, der einst von Otto Wagner als „Gegend“ und nicht als Platz bezeichnet wurde, der das Popfest für die Tage vom 6. bis zum 9. Mai zum Brennpunkt jener österreichischen Bands und Projekte machte, die in den vergangenen Jahren durch ungekannte musikalische Qualitäten auffällig wurden und damit ein Wiedererstarken der heimischen Musikkreativen nach dem Elektronikboom der Neunzigerjahre signalisieren: Die begleitenden Sessions, Diskussionsrunden und Vorträge im Project Space der Kunsthalle am Karlsplatz und in den Räumen des Wien Museum verdeutlichten anhand des über mehrere Tage ungebrochenen Publikumszuspruchs, dass das hiesige Popwunder keineswegs allein auf der unterhalterischen Ebene erlebt werden will. Vielmehr herrschte ebenso Interesse an den musikwirtschaftlichen Strukturen, musiktheoretischen Erläuterungen und dem freilich kläglich gescheiterten Versuch, der Frage nachzugehen, ob es denn nun so etwas wie eine Wiener Popmusik gäbe. Einer von der heimischen Musikerszene in überzeugender Weise gefundenen internationalen Popsprache plötzlich doch Lokalkolorit andichten zu wollen, wirkte trotz unterhalterischer Qualitäten der Expertenrunde vermessen. Ebenso wie die Suche nach althergebrachten Wien-Klischees in der Musik von Menschen, deren Sozialisation entweder nicht in Wien stattgefunden hat oder zu einer Zeit geschah als die Stadt ab den mittleren Neunzigern eine gehörige Portion Weltoffenheit und internationale Vernetzung erfuhr. Doch im Popkontext darf schließlich über alles gesprochen werden.

Schauplatz Karlsplatz
Selbst alteingesessene Anrainer des Karlsplatzes dürften am Eröffnungstag gestaunt haben, welche Mobilisierungskraft das Popfest besitzt. Auch wenn die Vorlaufzeit der Veranstaltung in Relation zu ähnlich großen Veranstaltungen knapp bemessen war. Offizielle und inoffizielle Schätzungen schwanken zwischen 6000 und 10.000 Besucher, die am ersten Tag des Popfestes den Bereich vor der Karlskirche und rund um den Teich säumten. Und ganz abgesehen von der einzigartigen Programmierung zeigte sich ein – am gesamtösterreichischen Festivalzirkus gemessen – einmaliges Szenario: Ein oft als unangenehem empfundenes übermäßiges Aufgebot an Sicherheitskräften blieb dem Popfest ebenso erspart wie das längst mit musikalischen Großveranstaltungen assoziierte aggressive Werbegebaren. Allein der Umstand, dass der Platz auch während der Auftritte auf der Seebühne praktisch mühelos querbar und trotzdem gefüllt war, vermittelte ein Gefühl von einer friedlich-feierlaunigen Zielgruppe, die das Popfest nicht nur als musikalische Leistungsschau verstand sondern auch aufgrund des sozialen Ereignisses an den Karlsplatz strömte. Ähnliches gilt für das musikalische Nachtprogramm in den Räumlichkeiten der alten Technischen Universität. Deshalb darf gehofft werden, dass die prinzipielle Bereitschaft der Stadt Wien die Veranstaltung im jährlichen Intervall abzuhalten, keine bloße Ankündigung bleibt. Und freilich darf sich das dahinterstehende Konzept erweitern, transformieren und sich an die augenblickliche freie musikalische Wildbahn anpassen. Pop bedeutet auch Bewegung. Das Popfest 2011 kann kommen.
Johannes Luxner

Fotos: Nico Ostermann

 

http://www.popfest.at/