Selbst wenn die Musikwirtschaft in gegenwärtigen Krisenzeiten auf Sparmodus schaltet, heißt das noch lange nicht, dass es den Kreativen an Ideen fehlt-bloß an den Finanzierungsmöglichkeiten. Doch woher das nötige Geld auftreiben? Während traditionelle Wirtschaftsmodelle der Pop-Industrie praktisch ausgedient haben, müssen nun alternative Geschäftswelten gefunden werden. Eine neue Perspektive bietet das Crowdfunding. Mäzenatentum statt Majorlabel heißt die Devise von Kickstarter, Pledgemusic oder Sellaband, Internet-Plattformen, die jedem einzelnen Musiker die Chance bieten, an die nötigen finanziellen Mittel zu kommen,um eine Idee zu verwirklichen. Das Prinzip von Crowdfunding besteht darin, dass Fans als sogenannte Financiers agieren. Doch wie funktioniert dieses Finanzierungssystem tatsächlich und kann die Rechnung immer aufgehen? Dieser und vieler anderer Fragen stellen sich beim 4. Panel der diesjährigen Popfest-Session die Gäste Wolfgang Gumpelmaier, Michael Luger und Robert Rotifer.
Zu Beginn der Diskussionsrunde wurde anhand eines Beispiels des Musikers Sweet Sweet Moon gezeigt, wie ein geplantes Projekt dank Crowdfunding zum Rollen gebracht werden kann. 2011 ging ein Youtube Video, welches den österreichischen Sing-/Songwriter bei einem Straßenauftritt zeigt, viral. Über 600 000 Clicks kann der Clip bislang verzeichnen. Überraschenderweise sind die meisten User in Südamerika auszumachen, obwohl der Musiker dort noch nie aufgetreten war. Um diese Tatsache zu ändern, startete Sweet Sweet Moon gemeinsam mit dem Filmteam They Shoot Music eine Kampagne namens „Fuck the Atlantic Ocean“. Die Idee dahinter: Der Musiker wird nach Südamerika geschickt, um seine dortigen Fans mit Konzerten und Live-Sessions zu beglücken. Das ganze Projekt soll gefilmt und als Musikdokumenation aufgearbeitet werden. Auf der Plattform Indiegogo wurde nach willigen Kapitalgebern für anfallende Reise- und Produktionskosten gesucht. Als Gegenleistung winken den Crowdfundern diverse Merchandise-Produkte, wie auch das exklusive Prelease des geplanten Films.
Der Social-Media Berater Wolfgang Gumpelmaier ging im Anschluss an das Beispiel etwas genauer auf das Web 2.0 – Finanzierungsphänomen ein. Im vergangenen Jahr wurden weltweit über 2,7 Milliarden Euro über Crowdfunding eingenommen. Spitzenreiter an Geldgebern ist hierbei die anonyme Masse in Nordamerika. Doch auch in Österreich sind die Zahlen im vergangenen halben Jahr deutlich gestiegen. Im letzten Quartal wurden im gesamten deutschsprachigen Raum 3,4 Millionen Euro eingenommen, 50% der eingegangenen Projekte konnten hierbei erfolgreich abgeschlossen werden. Trotz positiver Bilanz sollte sich der Kapitalnehmer allerdings bewusst sein, dass eine Idee alleine noch lange nicht ausreicht. Ein pragmatischer Blick auf den Prozess des Crowdfunding ist unumgänglich: Das geplante Projekt sollte so kreativ wie möglich präsentiert werden, um User und potenzielle Investoren anzulocken. Die richtig harte Arbeit für den Ideengeber erfolgt spätestens dann, wenn es darum geht das Projekt bekannt zu machen, sei es über diverse Social Media Plattformen wie auch über den klassischen Presseweg. In der Theorie bietet Crowdfunding jedem die gleichen Chancen. Doch wie sieht die Realität tatsächlich aus?
Wenn namhafte Künstler wie Public Enemy oder Amanda Palmer Crowdfunding betreiben, wie sollen da noch unbekannte Bands zu ihren Befürwortern kommen? Wenn bereits das Majorlabel Universal Crowdfunding für sich nutzt, muss man sich tatsächlich die Frage stellen, inwieweit dieses Modell eine neue Revolution in der Musikwirtschaft darstellt, oder ob nicht doch nur die alten Hierarchien repliziert werden. Robert Rotifer sieht die angebliche Demokratisierung der Musikindustrie mit kritischem Blick. Er nimmt in den neuen Modellen lediglich eine Verschiebung der einzelnen Wirtschaftsfaktoren wahr. Die Produktion von Tonträgern ist mittlerweile recht billig geworden, Marketing wird allerdings eine immer teurere Angelegenheit. Rotifer spricht von einer „Ökonomie der Aufmerksamkeit“. So muss einerseits die Sympathie des Künstlers gegeben sein, damit die anonyme Masse in dessen Schaffen investiert, andererseits kann der Künstler dem Fan in gewisser Weise „unterwürfig“ werden, indem er diesen in der kreativen Prozess eingreifen lässt. Einige Musiker bieten als Gegenleistung für das erhaltene Budget eigens für den Fan zugeschnittene Kompositionen an. Wie steht es also heutzutage mit dem „Musiker als Mysterium“? Es scheint so als würde der Wert des Künstlers immer mehr an Wert verlieren.
Wolfgang Gumpelmaier sieht die Musikindustrie 2.0 aus dem Aspekt, dass der Künstler nicht mehr ausschließlich als kreativer Kopf agiert, sondern mittlerweile zum Allroundtalent des neuen Wirtschaftsuniversums geworden ist. Do it Yourself ist das Zauberwort. Um sich als Musiker erfolgreich auf den Markt zu werfen, ist viel Eigeninitiative und hohe Kommunikation zu den Fans notwendig geworden. Crowdfunding- Plattformen bieten dafür eine gute Basis. Doch ist diese Form des Finanzierungsmodells bloß ein Trend, der schon bald wieder in die Versenkung verschwinden könnte, oder leitet es tatsächlich das Ende der Musikwirtschaftskrise ein? Wo geht die Reise des Crowdfunding noch hin? Antworten zu all diesen Fragen wird es wohl erst in Zukunft geben. (bw)
Foto: Simon Brugner/THEYSHOOTMUSIC.COM
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