Philosophie des Raumes – Ein Projekt in der Wiener Ruprechtskirche

Am Sonntag gibt es bei “Neue Musik in St. Ruprecht” ein Konzert des NewTon Ensemble mit Werken der Komponisten Jorge Sánchez-Chiong, Johannes Kretz, Germán Toro-Pérez und Richard Pfadenhauer sowie von J.S. Bach (in elektronischer Bearbeitung) und Jonathan Harvey. Das NewTon Ensemble widmet sich seit 1996 der zeitgenössischen Musik. Und neue musik st. ruprecht spielt seine eigene Konzertreihe dort meist am ersten Sonntag des Monats, bietet aber auch Ausnahmen z. B. im Rahmen von Festivals, und eben morgen Abend, 19.10.

Die Zusammenarbeit der Ensemblemitglieder – heißt es auf der Homepage des NewTon Ensemble – “mit den Komponisten Germán Toro-Pérez, Johannes Kretz und Jorge Sánchez-Chiong reflektiert die Idee einer solistischen und kammermusikalischen Aufführungskultur, die elektroakustische Klangmittel bewusst integriert. Umfassende Konzertgestaltung und interdisziplinäre Projekte – z.B. die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern, Videokünstlern, Musiktheater, Lesungen – gehören zu den zentralen Aktivitäten des NewTonEnsembles. Durch den Einsatz von Laptops, Mischpulten und Turntables sind die Komponisten mehr und mehr zu Performern und zum Kern des Ensembles geworden. Improvisation, Komposition und Klangdesign verschmelzen zu einem Kontinuum des Umgangs mit Farben, Texturen und Gesten.”
Hier vorab die Programmnotizen zu allen Programmpunkten, wie sie mica -music austria freundlicherweise von Johannes Kretz, auch (Vorstands-)-Mitglied im ÖKB und bei der IGNM-Vorstandsmitglied, nebenbei auch Webmaster der International Cultural Platform, bereits im Vorfeld des Konzertes übermittelt wurden.

 

Jonathan Harvey: Tombeau de Messiaen für Klavier und Tonband
Das 1994, kurz nach Messiaens Tod geschriebene Stück sucht im Klavier gezielt Messiaens abgründig-ekstatischen Klangräume auf, erweitert sie aber zusätzlich noch durch farbenreichen Einsatz verfremdender elektronischer Mittel.

 

Jorge Sánchez-Chiong: tuned to a dead channel, UA
JSX & dotcom[plot]: sozzkxyorr, UA
Ausgehend von ihren persönlichen ästhetischen Ansätzen des Clicks & Cuts und IDM verarbeiten JSX & dotcom[plot] in den Tracks “tuned to a dead channel” und “sozzkxyorr” Glitches und digitale Abfälle zu vertrackten Rhythmen und verzerrten Klangflächen.

 

Johannes Kretz: drift field für E-Gitarre und Elektronik, UA
Ein monolithisches, driftendes Klangfeld in räumlich und klanglich dynamisch-statischer Balance wird aufgespannt. Die analoge Elektronik der E-Gitarre wird um die Möglichkeiten der digitalen Live-Elektronik erweitert. Die Tonhöhen werden aus der traditionellen wohltemperierten Stimmung – durch eine Skordatur mit Viertel- und Achteltönen – befreit. Alle Klangparameter – Farbe, Tonhöhe, Lautstärke, räumliche Positionierung und zeitliche Struktur streben ein gemeinsames Kontinuum an.

 

J.S.Bach: Chaconne d-Moll,  (aus: Partita IV für Violine solo BWV 1004), Bearbeitung für elektronisch verstärktes Klavier
Bewusst herbeigeführte Resonanzeffekte frei schwingender, resonierender Klaviersaiten verwandeln das moderne Klavier, ähnlich dem Prinzip einer Viola d’amore,  in eine Art “Clavicembalo d’amore”. Durch geeignete elektronische Verstärkung treten diese Resonanzen plastisch hervor und verdeutlichen zusätzlich das komplexe polyphone Geschehen. Das Werk in seiner Originalgestalt wurde 1720-23 komponiert. Bach verwendet das Stück als Schlusssatz seiner “Partita IV d-Moll für Violine solo” (BWV1004). Gleichzeitig setzt er damit seiner 1720 plötzlich und unerwartet verstorbenen Frau Maria Barbara ein bewegendes musikalisches Denkmal voll tiefgründiger Symbolik.

German Toro-Perez:
Untitled 2008, erste Fassung, UA, elektronische Musik

Das Stück verfolgt nochmals die Idee einer räumlichen Musik auf der Grundlage von Klangschichtungen. Jeder Klang wird einzeln erstellt und wiederholt sich nicht. Klangsynthese und Klangtransformationsverfahren gehen auf scheinbare Formen von Stillstand, die sich jedoch als stets pulsierende und flimmernde Klangfelder entfalten. Die klare formale Gliederung ist wahrscheinlich nur einen Vorwand, eine Ablenkung oder einen Weg, dem Zufall eine Falle zu stellen.

 

Richard Pfadenhauer: Schwerkraft – Gnade – Licht, UA
Hommage á Simone Weil (1909-43), Aktion für elektronisch verstärktes Klavier solo

Unter Anwendung erweiterter spieltechnischer Möglichkeiten des modernen Klaviers versucht das Stück mit rein klanglich-gestischen Mitteln zentrale Inhalte im Werk der jüdisch-christlichen Philosophin und Mystikerin Simone Weil auszudrücken und nachhaltig erfahrbar zu machen. Das Klanggeschehen der Aktion bewegt sich im Sinne eines performativen Spannungsbogens, einer fokussierenden Verdichtung und einer maximalen klanglichen Öffnung bewusst an der flexiblen, “weichen” Schnittstelle von spontan improvisierten und teils minutiös festgelegten, notierten Gestaltungselementen!… Eine geeignete elektronische Verstärkung ermöglicht den entstehenden, teils sehr subtilen und fragilen Klangereignissen plastisch, farben- und facettenreich in den Raum zu treten. (Pressetext/hr).

Besetzung:
dotcom[plot], Elektronik
Yaron Deutsch, E-Gitarre
Johannes Kretz, Elektronik
JSX, electronic devices
Richard Pfadenhauer, Klavier
Fredy Reiter, Technik
Germán Toro-Pérez, Elektronik

Ort und Termin:
neue musik st. ruprecht
Ruprechtsplatz 1
1010 Wien
Beginn 20:0 Uhr – Ruprechtskirche
Ein Projekt des NewTonEnsemble