Osterfestival Tirol: sein_schein

„sein_schein“ ist die vorletzte Station des fünfjährigen Osterfestival-Tirol-Zyklus. Seit 2022 steht das Spiel mit vermeintlich unüberwindbaren Gegensätzen im Zentrum. Von 04. bis 20. April 2025 blicken Künstlerinnen und Künstler verschiedener Genres aus Korea, dem Libanon, Syrien und Europa auf unterschiedliche Realitäten, vermeintliche Wahrheiten, betrachten den fehlenden Willen zum Zuhören und Verstehen. 

In Film, Performances und Gesprächen wird Täuschungen nachgegangen, es verschwimmen Realität und Fiktion, Fakten werden durch alternative Wahrheiten ersetzt, das Leben in Scheinwelten gehoben (So, 6. April: Destination FCKD) u.v.m. Friedrich Mosers How to Build a Truth Engine (Mo, 07. April), David Lynchs Inland Empire (Do, 10. April) und Lars von Triers Dancer in the Dark (Karsamstag, 19. April)zeigenauf unterschiedlichste Weise die tiefen Abgründe des menschlichen Seins auf, wie einfach wir Menschen manipuliert werden können. Welche Welten wir uns durch Geschichte bauen und was passiert, wenn diese plötzlich durch das Zerfallen des Gerüstes aus den Fugen gerät, verdeutlicht auf faszinierende Weise das Künstlerkollektiv Berlin in The making of Berlin (Di, 15. April). 

Bild Aufführung von Making Of Berlin
Making Of Berlin © Koen Broos

Wissen beginnt mit der Erkenntnis der Täuschungen, dass […] das meiste dessen, was [die Menschen] für wahr und selbstverständlich halten, Illusionen sind, die durch den suggestiven Einfluss des gesellschaftlichen Umfelds hervorgerufen werden […]. Wissen beginnt demnach mit der Zerstörung von Täuschungen, mit der „Ent-täuschung“ […] dem Vordringen durch die Oberfläche zu den Wurzeln und damit zu den Ursachen, die Realität in ihrer Nacktheit zu „sehen“. Wissen bedeutet nicht, im Besitz von Wahrheit zu sein, sondern durch die Oberfläche zu dringen und kritisch und tätig nach immer größerer Annäherung an die Wahrheit zu streben. Erich Fromm Haben oder Sein

Tänzerisch fordern Christos Papadopoulos und Dance On (Mellowing: Sa, 12. April) mit minimalen Verschiebungen der Wahrnehmung heraus, die für ihn auch in politischen Kontexten allgegenwärtig sind. Der libanesische Choreograph Omar Rajeh lädt gemeinsam mit Kollegen aus Westafrika, Belgien und Korea sowie Live-Musikern aus dem Libanon und Palästina zu einem Fest, bei dem seine Mutter aufkocht. Beytna (Gründonnerstag, 17. April)ist ein Sinnbild dafür, dass bei aller Unterschiedlichkeit das Verbindende überwiegt. Die Stille ist der Endpunkt des Festivals. Verschiedene Kulturen und Kunstdisziplinen befinden sich bei der Compagnie LeineRoebana im offenen Dialog (Silenzio: Ostersonntag, 20. April). Auch die Eröffnung (Fr, 04. April) ist außergewöhnlich: Im Spannungsfeld von Alter und Neuer Musik, zwischen Domenico Scarlattis Stabat Mater und Salvatore Sciarrino – eine der wichtigsten zeitgenössischen Stimmen – ist die österreichische Erstaufführung seines Due Cori zu erleben. 

Bild des Ensembles Windkraft, stehend vor einer Betonmauer
Ensemble Windkraft © Watzek
Bild Johannes Maria Staud
Johannes Maria Staud (c) Thomas Wunderlich

Mit Gegensätzen arbeiten außerdem die zwei Uraufführungen (Auftragswerke): Sarah Nemtsovs From shore to shore (Mi, 16. April) und Johannes Maria Stauds Jagende Wolken, blendendes Blau! (Di, 08. April). Selten zu hörender Passionsmusik widmet sich das Collegium 1704 unter der Leitung von Václav Luks. Jan Dismas Zelenkas Oratorium Gesù al Calvario (Karfreitag, 18. April) ist ein Juwel, wird aber kaum aufgeführt. Es beschreibt emotional das Leiden des Erlösers auf seinem Weg nach Golgatha.

Das Vorprogramm, 40 Orte und OrgelSPIEL, beginnt bereits am Aschermittwoch (5. März). Genauere Informationen zum Gesamtprogramm erhalten Sie auf der Homepage: osterfestival.at

Osterfestival Tirol

Das Osterfestival Tirol, gegründet 1989 von Gerhard und Maria Crepaz, beschäftigt sich mit grundlegenden Themen, die die Gesellschaft berühren, herausfordern und leiten. Das jeweilige Motto wird aus verschiedenen Blickwinkeln mit Musik, Theater, Tanz, Performance, Film, Literatur und in Gesprächen künstlerisch betrachtet. Das Festival steht heute unter der Leitung von Hannah Crepaz und wird vom BMKÖS, Land Tirol, den Städten Hall & Innsbruck, den Tourismusverbänden von Hall & Innsbruck wie auch zahlreichen Sponsoren unterstützt.