Vergangene Woche porträtierte die Kunstvideotruppe They Shoot Music im dritten Teil ihrer Open House Sessions Reihe auf dem Wiener Fernsehsender Okto mit Tupolev eine hochtalentierte österreichische Experimental-Rock-Jazz-Band, die in den vergangenen Jahren mit erstklassigen und hochinteressanten Veröffentlichungen nicht nur hierzulande auf sich aufmerksam machen konnte.
Tupolev ist nicht unbedingt eine Band, die man so leicht in irgendeine bestimmte stilistische Schublade stecken kann. Vielmehr handelt es sich hier um eine Formation, die stets den Versuch unternimmt, die Grenzen zwischen den einzelnen Spielformen zu überwinden, um auf diesem Wege für sich und die HörerInnen ihrer Musik ganz neuartige klangliche Ansätze erfahrbar zu machen. Bei Peter Holy (Piano), Alexandr Vatagin (Violoncello, Bass), Lukas Scholler (Elektronik) und David Schweighart (Schlagzeug) handelt es sich um vier Instrumentalisten, für die herkömmliche Begrifflichkeiten noch nie wirklich eine große Rolle gespielt haben. Eine Einstellung, die der Vierer auch auf dem im vergangenen Jahr erschienenen zweiten Album „Tower of Sparks“ deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Was Tupolev auf den Weg gebracht haben, war der eindrucksvolle Beweis, welch innovatives Arbeiten im Bereich der experimentellen und avantgardistischen (Post-) Rock- und Popmusik auch heute noch möglich ist.
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In ihrer Anfangsphase hat sich die im Jahr 2002 gegründete Band noch stark an internationalen Helden des Zeitlupen-Rock, wie beispielsweise Codeine, Savoy Grand oder Low orientiert und ihren eigenen Output schlicht und einfach als “Pop-Songs” klassifiziert. In Folge wurden die Stücke jedoch hörbar komplexer und stilistisch breiter – eine Segmentierung in Refrain oder Strophe war zudem auch nicht mehr möglich beziehungsweise notwendig. Diese Phase, mit ihren komplex verschachtelten, gleichzeitig aber jazzig-melodiösen Stücken, wurde schließlich auch auf der selbstbetitelten EP konserviert.
In Folge führten Peter Holy, Alexandr Vatagin, Lukas Scholler und David Schweighart ihren höchst eigenständigen Weg konsequent weiter. Der kreative Output war noch mehr im Bereich Komposition angesiedelt, wiewohl auf klassische Songstrukturen oder Harmonien weiter in keinster Weise zurückgegriffen wurde. So fanden sich auf dem Debüt-Album „Memories of Björn Bolssen” zwei langsam-minimalistische Stücke für Piano und Bass und eines mit Bass und elektronischen Klängen als zentrale Anknüpfungspunkte. Begleitet von komplexen Schlagzeugrhythmen und atmosphärischen Celloklängen entstand ein höchst eigenwilliger und ungemein vielschichtiger Sound, dem die Zuschreibung Crossover wohl am nächsten gekommen ist.
Ein weiterer Entwicklungsschritt wurde auf dem im vergangenen Jahr erschienenen zweiten Album „Tower of Sparks“ vollzogen. Obwohl die gleichen Ingredienzen, verharrte das Quartett nicht auf altbewährten Positionen, sondern versuchte seine Musik einen Schritt weiter zu tragen. Die Arrangements der neuen Stücke wirken noch durchdachter und mehr einer Struktur folgend, gleichzeitig aber auch komplexer und vertrackter. Insgesamt sind Peter Holy, Alexandr Vatagin, Lukas Scholler und David Schweighart aber deutlich reduzierter an die Sache herangegangen. Richtig laut wird es auf dem Zweitlingswerk, wenn überhaupt, nur sehr selten.
Tupolev – Tower of Sparks 1 by mica
Irgendwo zwischen den Polen Jazz, Songwriting und Elektronik agierend, haben die vier Musiker enorm atmosphärische Instrumentalstücke entstehen lassen, die sich zwar erst nach mehrmaligem Hören vollends erschließen, dann jedoch ein Geheimnis nach dem anderen offenbaren. Tupolev unterstreichen mit „Towers of Sparks“ einmal mehr, dass sie in Sachen experimenteller Musik hierzulande zur Spitze zählen. (mt)
Foto Tupolev: David Murobi