Vor ausverkauftem Haus zeigte das New Yorker Miller Theatre am 22. und 23. Februar Olga Neuwirths Musiktheater Lost Highway in einer szenischen Produktion des Oberlin Contemporary Music Ensemble als US-Premiere. Auf der neu erschienenen kairos-CD kann man diese Musik in 5.1. Surround-Qulität als spannendes Hörstück nachhören.
. at once a mystery and a thrillerThe New Yorker notierte in der Vorankündigung: “Olga Neuwirth’s haunting opera adapted from the cult film by David Lynch is at once a mystery and a thriller. Her moody and mysterious opera combines live musicians, singers, actors, electronics, and video-a full arsenal of stagecraft to bring Lynch’s film to life with gripping immediacy. Don’t miss this opportunity to experience some of Neuwirth’s best music to date!”
Lost Highway, basierend auf dem gleichnamigen Film von David Lynch, uraufgeführt beim steirischen herbst 2003, lebt als Musiktheater (Libretto: Elfriede Jelinek & Olga Neuwirth) und Ton/Bild-Geflecht ursprünglich natürlich vom multidimensionalen Zusammenspiel von Bühnenraum, Licht, Video mit der Live-Musik, von den das Publikum einbeziehenden elektronischen Zuspielungen aus verschiedenen Richtungen, Stimmverfremdungen der agierenden Personen. In ihrer Vorliebe auch zur “Thrash”-Ästhetik kommen in der Musik Synthesizer-Klänge zum Einsatz, die sich ausnehmen, als wären sie für Spielzeuginstrumente erzeugt. Dieses Zusammenspiel von Instrumentalmusik, vokalen Ausdrucksebenen und einer künstlichen, dreidimensionalen elektronischen Klangwelt, die mannigfach aus der “natürlichen” hergeleitet, auf einem Audio-Dokument einzufangen, ist natürlich eine gewaltige Herausforderung.
Am IEM Graz, das zum Teil eigene technische Verfahren entwickelt hat, um Olga Neuwirths Vorstellungen umzusetzen, wurde in enger Zusammenarbeit mit der Komponistin, die selbst über große Erfahrungen mit Elektronik verfügt, in einem mehrstufigen Kommunikationsprozess ganze Arbeit geleistet. Wer sich das Ergebnis auf einer Surround-Anlage anhören kann, die einen als Zuhörenden in die wechselseitige Überlagerung der Klangschichten quasi “einhüllt”, wird voll auf seine Kosten kommen. Natürlich ist die 2 CD-Hybrid-Box auch als zweikanalige Stereo-Version in bester Qualität abhörbar, allerdings betont Olga Neuwirth, dass diese nur ein Zugeständnis an ein noch gängiges, “hoffentlich bald aussterbendes Format” sein könne. Zu Hause auch nur über eine Stereo-Anlage verfügend, muß ich allerdings gestehen: Für ein überaus spannendes Hörtheatererlebnis, für Theater im Kopf, reicht es allemal – auch wenn Olga Neuwirth warnt, das sei so, als würde man sich Claude Monets Seerosen in schwarz-weiß ansehen müssen .
Musiktheater der Phantasmen
Worum geht es in “Lost Highway”? – Das lässt sich schwer erzählen, denn schon in David Lynchs Film und in Barry Giffords Drehbuch wird alles traditionell Narrative radikal ein- und umgeschmolzen. Für Olga Neuwirth war denn auch dieser Film deshalb so faszinierend, da er “eine radikale Abrechnung mit der Erzählung als einer fortschreitenden Handlung” darstellt. Sie schreibt selbst im Booklet dazu: “Dieses Nicht-Entkommen-Können aus einer Situation, diese unbarmherzigen (Zeit-)Schleifen, die einen verrückt machen können, wenn man einmal auf ihnen ,drauf’ ist, waren eine grundsätzliche kompositorische Herausforderung.”
In den erstarrten Beziehungsalltag eines gut situierten Paares prallt eine anonyme telefonische Todesanzeige und ein anonymes Video, Fred und Renée beim kalt gewordenen Sex zeigend. Ein Horrotrip folgt: Traumvisionen vom Mystery-Man, Szenen in Garagen, Gefängniszellen, Motels, im Niemandsland und in der Wüste – die Geschehnisse verschwimmen zwischen Realität und Traum, Personen werden ausgetauscht oder verschwinden, Täuschungsmanöver, Phantasmen, Porno, verbale und reale Gewalt, Morde. Olga Neuwirth: “Am Ende bleibt alles als eine Chronik von Gewalt, Liebe, Verlust und Schmerz zurück. Vielleicht vermittelt aber gerade dieser Endpunkt eine Ahnung von einem anderen Lebensentwurf.” Anhören!
Heinz Rögl
Die Doppel-Cd bei kairos:
Lost Highway
Komposition Olga Neuwirth
Libretto Elfriede Jelinek
Mit Constance Haumann, Georg Nigl, Vincent Crowles, David Moss, Andrew Watts, Kai Wessel u. a..; Klangforum Wien/Johannes Kalitzke.
Live-electronics, sound projection: IEM (Institute of Electronic Music an Acosutics, Universität für Musik und Darstellende Kunst, Graz) – Markus Noistering, Thomas Musil, Gerhard Nierhaus, Robert Höldrich.
Sounddesign: Olga Neuwirth und IEM.
Foto: Promo-Motiv © www.oberlin.edu
Foto Olga Neuwirth © Martin Vukovits
http://www.boosey.com/pages/cr/news/further_info.asp?newsid=11366&LangID=2