Offener Brief von Christian Muthspiel zum Thema “schikanöse Behandlung durch den Künstlersozialversicherungsfonds KSVF”

Seit Jänner 2001 bin ich wie alle selbstständig erwerbstätigen Künstler und Künstlerinnen in die Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) einbezogen.Um den pensionsversicherten KünstlerInnen die Aufbringung der Sozialversicherungsbeiträge zu erleichtern, wurde mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2001 der Künstler-Sozialversicherungsfonds (KSVF) geschaffen. Aufgabe dieses Fonds ist die Leistung von Zuschüssen zu den Pensionsversicherungsbeiträgen, mit Wirksamkeit ab dem Kalenderjahr 2008 zusätzlich auch die Leistung von Zuschüssen zu den Kranken- und Unfallversicherungsbeiträgen.

Diese Zuschüsse erhält man als Künstler aber nur dann, wenn man nachweisen kann, dass die Einnahmen (=Gewinn vor Steuern) innerhalb der jährlichen Unter- und Obergrenzen liegen, und dass sie aus künstlerischer Tätigkeit erzielt wurden.

Also hatte auch ich mich 2001 der geforderten Prozedur unterzogen und mittels Biographie, Konzertkalender und Presserezensionen nachgewiesen, dass ich meine selbständigen Einkünfte als Künstler erziele.

Im August dieses Jahres erhielt ich, teils bis zu 7 Jahre (!) rückwirkend, teils offenbar visionär vorausahnend, eine Rückzahlungsaufforderung des KSVF in der Gesamthöhe von ? 5.129,58 für die Jahre 02, 03, 05, 06, 08 und 09. Denn mein Einkommen lag in den Jahren 02, 03, 05 und 06 über der jeweiligen Höchstgrenze, was zur Folge hatte, dass auch “vorausschauend” für 2008 und 2009 die bislang geleisteten Zuschüsse zurückgefordert wurden.

Da aber zu diesem Zeitpunkt für 2008 noch kein Einkommensteuerbescheid vorlag, kommunizierte ich dem KSVF, dass ich bis September mittels dieses Dokuments vom Finanzamt nachweisen werde, dass mein Einkommen 2008 klar unter der Obergrenze und über der Untergrenze liegt. Mir wurde mitgeteilt, dass ich nicht nur den Einkommensteuerbescheid als Beweis meines Einkommens, sondern auch wieder eine Biographie mit besonderer Berücksichtigung der Auftritte und Aufträge 2008 beilegen müsse, um (erneut!) zu beweisen, dass ich meine selbständigen Einkünfte als Künstler beziehe. Ich kam all diesen Aufforderungen nach und sandte am 30.8.09 den Einkommensteuerbescheid 08 und die Biographie “mit besonderer Berücksichtigung der künstlerischen Tätigkeit 2008” an den KSVF.

Nun erhielt ich am 23.11. einen Anruf einer Mitarbeiterin des KSVF, die mir folgendes mitteilte: UM GLAUBHAFT ZU MACHEN, DASS MEINE EINKÜNFTE, DIE ICH 2008 IM AUSLAND ERZIELT HABE, AUCH WIRKLICH AUS KÜNSTLERISCHER TÄTIGKEIT ERZIELT WURDEN, SEIEN VON ALLEN AUSLÄNDISCHEN HONORAREN RECHNUNGEN ODER KOPIERTE VERTRÄGE VORZULEGEN. ZUDEM SEI EINE DETAILLIERTE EINNAHMEN/AUSGABENRECHNUNG DER IN- UND AUSLÄNDISCHEN EINKÜNFTE UND BETRIEBSAUSGABEN BEIZULEGEN.

Im Klartext:
1. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes genügt dem KSVF NICHT, da, nach Auskunft der Mitarbeiterin auf mein Nachfragen, daraus zu wenig detailliertes Zahlenmaterial zu ersehen ist und die Einnahmen und Ausgaben nicht zugeordnet werden können.
2. Der KSVF verdächtigt mich, meine ausländischen Einkünfte unter Umständen aus einer nicht-künstlerischen Tätigkeit zu erzielen und damit den KSVF zu betrügen.

Niemand kann verlangen, dass die MitarbeiterInnen des KSVF alle KünstlerInnen kennen, die sie zu betreuen haben. Auch nicht, wenn man seit über einem Vierteljahrhundert, ausgezeichnet mit verschiedensten Preisen, darunter der Österreichische Würdigungspreis für Musik, der Würdigungspreis des Landes NÖ und der Hans-Koller-Preis als “musician of the year” , im In- und Ausland sehr rege und kontinuierlich als Instrumentalist, Komponist und Dirigent künstlerisch tätig ist. All das wäre in meiner dem KSVF bereits zum 2. Mal zugesandten Biographie zu lesen gewesen. Auch ein kurzer Blick auf das “schedule” meiner immer aktuellen Homepage hätte genügt, um festzustellen, dass ich im Ausland AUFTRETE und nicht etwa einen anderen, nichtkünstlerischen Beruf ausübe. Dass ich jetzt zusätzlich zu all diesen Unterlagen mittels kopierter Verträge, Honorarnoten und Rechnungen meine ausländischen Honorare als Künstlerhonorare nachweisen muss, ist schlicht und einfach eine Schikane.

Meine Einkommensteuerunterlagen für 2008 füllen 4 dicke Ordner. Jede/r MusikerIn, der/die mit verschiedenen Projekten und Ensembles auf Tournee ist und diese Konzertreisen auch kaufmännisch selbst organisiert und verantwortet, weiß, was Abrechnungen in- und ausländischer Gagen, Reiseabrechnungen für Flug, Bahn und Auto, Subhonorarnoten an in- und ausländische Mitmusiker, Technikerhonorare, organisatorische Mitarbeiter, Agenturen, Equipmentmieten, Transportkosten, LKW-Anmietungen, Hotelrechnungen, Ausländersteuern etc. , sowie die Buchhaltung aller anderen künstlerischen Tätigkeiten (Tantiemen, Aufträge, Plattenverträge, Lizenzen, Rechnungslisten, Fahrtenbuch .) an Zeitaufwand bedeuten.

Um all diese Unterlagen 12 mal im Jahr für die monatliche Umsatzsteuererklärung und im Folgejahr für die jährliche Einkommensteuererklärung zu sammeln, zu ordnen, zu berechnen, zu tabellieren und schließlich für den Steuerberater übersichtlich aufzubereiten, ist ein nicht zu unterschätzender Teil jener Zeit vonnöten, die man sich als freischaffender Künstler von seiner kreativen Zeit notgedrungen stehlen muss.

Diese gesamte Arbeit für den KSVF ein zweites Mal durchzuführen, da nach meiner Nachfrage die 4 Ordner, wie sie jetzt als Unterlagen für das Jahr 2008 bereit stünden, viel zu viel an Material wären und “ich damit rechnen müsse, dass diese Ordner ungeöffnet wieder zurückgesendet werden”, hieße, nochmals meine gesamten Steuerunterlagen neu zu ordnen, zu sortieren, zu tabellieren, um sie KSVF-gerecht aufzubereiten. Auch das eine unzumutbare Schikane.

Ich fordere den KSVF daher auf, entweder auf die zusätzlich verlangten Unterlagen zu verzichten, oder aber die Ablehnung meines Zuschusses ehrlicherweise damit zu begründen, dass 1. mein Einkommensteuerbescheid nicht aussagekräftig genug ist und 2. der dringende Verdacht besteht, dass ich meine ausländischen Einkünfte auf betrügerische Weise aus nichtkünstlerischer Tätigkeit beziehe.

Christian Muthspiel, Kogl, 29.11.2009

P.S. für alle Nicht-Eingeweihten:
Wir sprechen von einem monatlichen Zuschuss in der Höhe von ? 85,50.- für das Jahr 2008. Die Höchstgrenze, die der GEWINN VOR STEUERN nicht überschreiten darf, um den Zuschuss nicht zu verlieren, liegt 2008 bei ? 20.940,60. Liegt man über dieser magischen Grenze, die, nach Abzug der SVA-Beiträge in der Höhe von ca. 31% und der zu zahlenden Einkommensteuer einem Netto-Jahresgewinn von rund  ? 10.000.-, einem Monats-Nettogehalt also von ?  833.-entspricht, verliert man automatisch das Recht auf den Zuschuss des KSVF.

 

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Christian Muthspiel