„Wir sind Bilderschreiber, Bildersänger, Bilderinstrumentalisten“ – EVELYN BLUMENAU und KLAUS SCHUCH (NOVI SAD) im mica-Interview

Seit 1989 besteht die Band NOVI SAD, nun legt sie mit „himmel and hölle“ (Lindo Records) ihr zehntes Album vor. Auch wenn 27 Jahre seit der Bandgründung vergangen sind, die Ideen scheinen nur so zu sprudeln.

Auf dem neuen Album verbindet die Band Folk und Rockeinflüsse und lässt auch Elektronik und jazzige Anklänge zu. Hans Tschiritsch hat zu einem Stück Obertongesang beigesteuert. Jürgen Plank sprach mit Sängerin Evelyn Blumenau und Gitarrist Klaus Schuch über die musikalische Entwicklung der von Wien aus agierenden Band.

Was sind die Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede zwischen dem aktuellen Album und dem letzten Album „Almond Trees & Roses“?

Evelyn Blumenau: Wir sind nach wie vor sehr experimentierfreudig und es sind zu gleichen Teilen deutschsprachige und englischsprachige Lieder am neuen Album. Wir arbeiteten wieder mit dem Schriftsteller Christian Schwetz zusammen, der die Texte beisteuerte. Ein Unterschied sind die immer komplexeren Arrangements und die elektronischen Beats, die wir teilweise einführen und als Erweiterung unseres Spektrums sehen.

Wie ordnen Sie selbst das Album im Gesamtwerk von Novi Sad ein?

Klaus Schuch: Eigentlich haben wir mit diesem Album dort weitergemacht, wo das vorletzte Album „Rise“ aufhörte: Es sind Monstersongs, im Sinne von tiefgreifend, was auch durchaus die Länge anbelangt. Auch wenn ein Lied nur vier immer wiederkehrende Akkorde hat. Wir nehmen aber auch die Gemeinsamkeiten vom letzten Album auf, von denen Evelyn erzählt hat.

Sind dieses Mal auch musikalische Gäste dabei?

Klaus Schuch: Ja, wir haben Gäste dabei. Wir haben dieses Album durchgehend mit zwei Gastmusikern aufgenommen, die bei fast allen Nummern dabei sind, nämlich an Keyboards und Piano Joe Resch und am Saxofon Walter Glössl. Punktuell hat uns David Siedl unterstützt, ein Austro-Brasilianer, der uns besonders beim Samba geholfen hat, und Hans Tschiritsch hat bei einer Nummer den Obertongesang beigesteuert.

Wie waren diese Zusammenarbeiten, etwa mit Hans Tschiritsch, den man ja insbesondere von seinem eigenen Projekt Tschiritsch’s Urwerk kennt?

Klaus Schuch: Das war sehr angenehm, weil die Zusammenarbeit sehr unkompliziert war. Hans Tschiritsch hat seinen Obertongesang einfach improvisiert, wir haben zwei bis drei Takes aufgenommen und haben die mit den anderen Spuren kombiniert. Der Obertongesang ist bei einer Nummer dabei, bei der es um eine Reise nach Australien geht, und passt sehr gut zu den Aborigines-Traditionen.

Das Lied „Going South BGLD“ verweist in Richtung Burgenland. Was sprechen Sie damit an?

Bild (c) Novis Sad
Bild (c) Novis Sad

Evelyn Blumenau: Wenn ich dieses Lied singe, schwebe ich über alle Landstriche hinweg und bin auf einer gedanklichen und gesanglichen Reise ins Südburgendland. Ich kenne die Gegend sehr gut, es ist wunderschön dort.

Wofür steht das Burgenland in Ihrem Lied?

Klaus Schuch: Das Burgenland ist Metapher und Realität gleichzeitig. Es geht um die Reise dorthin und den Rückzug: Dort ist jemand, der sich von der Welt bereits zurückgezogen und verabschiedet hat. Ich fahre immer wieder dorthin und beklage, dass dort, wo ich bin, eben nicht paradiesische Zustände herrschen.

„Es sind neue Instrumente dabei und sehr viel Spielfreude […]“

Mir ist aufgefallen, dass die Lieder epische Breite entwickeln und sich Zeit geben. Warum ist denn das so?

Evelyn Blumenau: Ich denke, das ist wirklich eine sehr schöne Weiterentwicklung. Da wir mit den Gastmusikern schon im Vorfeld der Produktion zusammenarbeiten konnten, haben wir uns verbreitern können. Die große Herausforderung war es, sieben Musiker unter einen Hut zu bringen, und zwar auf eine Weise, dass trotzdem genügend Platz bleibt.

Klaus Schuch: Es bleiben bei diesen Liedern auch Zwischenräume, wir haben immer wieder auch Spuren herausgenommen, um noch Platz zu lassen. Es sind neue Instrumente dabei und sehr viel Spielfreude, diese Spielfreude haben wir dieses Mal ausgekostet.

Ihre Texte sind sehr lyrisch, finde ich.

Evelyn Blumenau: Ich habe zwei Texte zum neuen Album beigesteuert, die würde ich als lyrisch bezeichnen. Da geht es um die inneren Welten, die ich gerne anspreche. Die anderen Texte von Klaus Schuch und Christian Schwetz haben eine andere Charakteristik, sind aber auch lyrisch, auch in den englischsprachigen Texten ist immer ein hoher Anteil an Metaphern enthalten. Wir sind Bilderschreiber, Bildersänger, Bilderinstrumentalisten. Wir erzeugen einfach Hörgeschichten, das ist ganz stark in uns und das ist für uns etwas völlig Normales. Ich habe nichts dagegen, mich ein ganzes Leben an großen Themen wie Liebe abzuarbeiten. Ich glaube, das ist eine Entwicklung, die wir gar nicht hinterfragen, die einfach passiert.

„Es ist unser zehntes Album, darauf sind wir stolz.“

Was steckt hinter dem Titel „himmel and hölle“?

Cover himmel and hölle
Cover “himmel and hölle2

Klaus Schuch: Der Titel ist dem Lied „Der geteilte Himmel“ entnommen und der Refrain heißt: „Himmel und Hölle heißt das Spiel aus Papier, Himmel und Hölle trennt ein Knick im Papier.“ Wir wollten eine kleine Änderung haben und haben aus dem „und“ ein „and“ gemacht. Auch als Hinweis darauf, dass wir in fast ausgeglichenem Verhältnis englisch- und deutschsprachige Lieder auf dem Album haben. Es ist unser zehntes Album, darauf sind wir stolz.

Welche Grundstimmung haben die neuen Lieder?

Klaus Schuch: Die meisten Songs sind sehr depressiv von der Grundstimmung her und behandeln vor allem Verlust. Das klassische Thema „boy meets girl“ wird genau zum Gegenteil, nämlich zu „girl leaves boy“. Das Lied „The Lights Are Out“ ist entstanden, unmittelbar bevor wir ins Studio gegangen sind. Dabei legen wir vier Akkorde fünf Minuten lang in eine Schleife zu einem elektronischen Schlagzeug. Dieses Lied ist sozusagen der Tiefpunkt der Depression.

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Am Schluss gibt es aber noch eine überraschende Wendung zu lateinamerikanischer Musik hin.

Klaus Schuch: Das ist das Stück „Everything“, damit endet das Album, im Lied heißt es: „Everything falls down“. Das Lied geht dann in einen Samba über und der Samba transportiert wieder Spaß und Lebensfreude. Diese Ebene hat David Siedl eingebracht, der ist ein perfekter Samba-Gitarrist.

Was sind die Stärken – und vielleicht auch die Schwächen – der Band Novi Sad?

Klaus Schuch: Die Stärke ist eindeutig das Kollektiv. Wir hören sehr gut aufeinander, jedes Lied bekommt den Impuls der einzelnen Musiker und die machen den Sound aus, der meiner Meinung nach unverwechselbar ist. Die Schwäche ist vielleicht die, dass alles seine Zeit braucht. Der Bass von Robert ist meist ein Bass, der eine Melodie führt. Ich könnte selbst nie einen Melodiebass komponieren oder arrangieren, aber das ist ein wichtiges Element.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

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