Maria Spólna und Tomasz Matusiak von BoW sind müde, denn sie haben eine lange Reise hinter sich. Gemeinsam fuhren sie gerade mit ihrem Tandem von Wien in ihre Heimat Polen, um dort ein paar Konzerte zu spielen, und wieder zurück. Auf Facebook konnte man ihre Route verfolgen. Über 1.600 Kilometer waren es, die sie an 17 Tagen zurück legten. Das junge Duo ist also viel im In- und Ausland unterwegs, um live zu spielen. Ein Gespräch über Selbstorganisation, Michael Jackson und das Schlafen im Auto.
Ihr seid viel unterwegs, hab ich auf Facebook gesehen.
Maria: Ja, sehr viel. Kommenden Mittwoch spielen wir in Tschechien. Wir lieben es, unterwegs zu sein. Das einzige Stressige daran ist, dass wir manchmal in der Nacht fahren müssen.
Ihr habt auch schon in London gespielt – ein Erfolg, von dem viele Bands weitaus größeren Bekanntheitsgrads nur träumen können. Habt Ihr euch das alles selbst organisiert?
Maria: Ja wir haben alles selbst organisiert. Das ist viel Arbeit, aber wir versuchen es einfach zu halten. Wir suchen im Internet nach Locations. Dann schreiben wir ein E-Mail. Von 100 E-Mails werden vielleicht fünf oder sechs beantwortet. Von diesen wenigen will uns dann vielleicht einer auftreten lassen.
Eine nicht gerade üppige Ausbeute.
Maria: Nein, aber wir haben große Pläne.
Ist das nicht enorm kräfteraubend, so ganz ohne Unterstützung? Ihr habt ja keine Plattenfirma oder Booking-Agency, die euch bei der Arbeit unterstützen kann, oder?
Maria: Nein, aber wir haben etwas auf YouTube. Das ist zwar eher semiprofessionell, aber es funktioniert für uns. Wir sehen das an den vielen Klicks und Views. Aber es müssen noch viel mehr werden. Aber sei doch ehrlich: Wer clever ist, klickt und liked uns. (lacht)
Keine Frage. Plant ihr denn auch, irgendwann ein Album aufzunehmen?
Maria: Ja. Aber wir wissen noch nichts Genaueres. Wir müssen die beste Option wählen, weil es mehrere Interessenten gibt. Manche davon sind in Wien, manche in London.
Was hat euch ursprünglich nach Wien geführt?
Maria: In erster Linie sind wir zum Studieren hierher gekommen. Ich hatte von dem Lehrgang „Songwriting“ am Privatkonservatorium gehört und habe den dann auch hier begonnen. Das Studium hat zwar nur ein Sommersemester lang gedauert, aber es war sehr gut.
Und jetzt?
Maria: Wir müssen flexibel sein, denn wir gehen überall hin. Nach Polen und überall hin, wo wir spielen können.
Woher stammt ihr?
Maria: Wir stammen aus dem südlichen Polen – ich aus einer größeren Stadt und Tomasz aus einem kleinen Kaff. Wir haben aber auch rumänische und österreichische Vorfahren.
Aber leben tut ihr hier in Wien?
Maria: (lacht) Wir leben nirgendwo. Aber meistens hier in Wien. Wir reisen viel und verbringen viel Zeit in Polen und Tschechien. Jetzt machen wir gerade ein paar Tage Urlaub vom Reisen, deshalb sind wir hier in Wien, wo wir einen Platz zum Wohnen haben. Das macht vieles einfacher, denn als Musiker verdienst du leider nicht viel Geld. Da ist es gut, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Tomasz: Vor allem wenn man nicht berühmt ist.
Maria: Wir möchten natürlich erfolgreich werden. Jetzt gerade machen wir Werbung für uns und investieren sehr viel, um an so vielen Orten wie möglich zu spielen. Die Leute müssen uns kennenlernen, und wir müssen Likes und Views in den Social Media-Kanälen sammeln.
Und zahlt es sich aus? Kommt gutes Feedback auf eure – nennen wir es – Investitionen?
Maria: Ich denke schon. Wir spielen an vielen kleinen Orten – besonders viel hier in Wien.
Tomasz: Anfangs haben wir auch nur in Wien gespielt. Mittlerweile spielen wir an vielen Orten, und es geht uns ganz gut dabei.
Maria: Wir wollten nicht immer nur an denselben Orten spielen, deshalb haben wir uns dazu entschlossen, uns an den verschiedensten Orten und Locations per Mail zu bewerben. Auch in Deutschland. Wir wollen an so vielen verschiedenen Orten, in so vielen verschiedenen Ländern wie möglich spielen – das ist das Ziel.
Wie oft tretet ihr derzeit auf?
Maria: Im Durchschnitt ein- bis dreimal im Monat. Das kommt immer darauf an, ob wir nur in Wien spielen oder auch in Polen und Tschechien. Jetzt gerade machen wir Pause von unserer Tandem-Reise nach Polen und zurück. 17 Tage waren wir unterwegs. Im Schnitt sind wir 100 km pro Tag geradelt… Jeden Tag am Fahrrad, das ist schon sehr ermüdend.
Nach London aber seid ihr mit dem Auto gefahren?
Maria: Nein, dieses Mal sind wir hingeflogen. Unser Equipment war schon dort. Überhaupt haben wir nicht viel Gepäck, wenn wir reisen. Sind wir in Polen, Tschechien und Österreich gebucht, fahren wir alles mit dem Auto, weil wir da alle Instrumente mitnehmen müssen. Wir fahren zwar ein sehr altes Auto, aber es fährt noch gut. Tom ist der Fahrer.
Wo habt ihr euch kennengelernt?
Maria: Beim Studium in Polen. Tom hat schon vor dem Studium Musik gemacht. Ich hingegen habe beim Studium bei Null angefangen. Ich habe vorher nur gesungen, aber nicht wirklich musiziert. Ich weiß nicht einmal mehr, was meine Beweggründe waren, Jazz zu studieren. Ich hatte einfach von diesem neuen Studiengang in meiner Heimatstadt gehört und wollte das machen – eine gute Entscheidung. Wir hatten sehr gute Lehrer. Ich habe Klavier gelernt und Gitarre, auch die ganze Theorie und Harmonie um die Musik. Das war eine tolle Zeit. Wir konnten immer spielen und proben und hatten immer Platz, um zu musizieren. Leichter als heutzutage.
Wie seid ihr auf den Namen BoW gekommen?
Maria: Wir haben uns auf den Namen erst kurz vor einer Show geeinigt. Wir hatten damals keinen richtigen Namen und haben ihn eigentlich immer noch nicht. BoW ist nur ein vorrübergehender Name – einfach, damit wir einen haben. Bis jetzt hatten wir einfach noch keine zündende Idee. Oft werden wir gefragt, ob unser Name etwas mit dem Michael Jackson-Song zu tun hat. Wir sagen dann immer spaßhalber Ja, weil wir Michael Jackson lieben! (lacht)
Das ist aber ein langer Weg von Jackos Musik zu eurer…
Maria: Ja, das schon. Aber trotzdem war Michael Jackson immer eine Inspiration für mich. Ich mag seine Musik. Er hatte und hat sehr viel Einfluss auf die Musikwelt. Es ist einfach unglaublich: Wenn Michael Jackson ein neues Album aufnahm, spielte er dafür über sechzig Songs ein. Von diesen sechzig haben sie dann nur einige wenige ausgesucht. Das ist auch der Grund, warum jeder einzelne Song seiner Alben cool war und zum Hit wurde. Egal ob bei „Thriller“ oder „Bad“: Beinahe jeder Song wurde ein Welthit. Das ist schon bemerkenswert. Heutzutage produzieren die Leute einen, maximal zwei coole Songs, machen daraus ein ganzes Album und sind damit erfolgreich. Ich mag diese Art von Musikern und Musik nicht.
Ihr habt bei der Fernsehshow „Die große Chance“ teilgenommen, obwohl eure Musik nicht gerade Mainstream ist. Das hat mich damals vor dem Fernseher im positiven Sinne überrascht. Was hat euch zu dieser Teilnahme bewogen?
Maria: Wir haben damals viel mit österreichischen Musikern gespielt und die haben uns geraten, doch zu diesem Casting zu gehen. Es war schon interessant, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu sehen; wie viel Arbeit dahinter steht. Das war sehr ermüdend. Du verbringst den ganzen Tag mit fremden Leuten in einem Raum und weißt nicht einmal, wie spät es ist. Das war schon seltsam, und es hat uns wie gesagt überrascht, wie ermüdend das alles ist. Es ist egal, ob du am Anfang oder ganz am Ende spielst. Du musst den ganzen Tag dort verbringen. Die Ergebnisse der Show erfährst du erst um 21 Uhr. Und die anderen Teilnehmer lachen und weinen, alle sind in einer Art Ausnahmezustand. Aber das gehört wohl zur Show dazu. Die Leute vor den Fernsehern wollen Emotionen sehen.
Wart ihr nervös? Unterschied sich dieser Auftritt von einem „normalen“ Auftritt in einem Wiener Club?
Maria: Ja, das ist total anders. Es gibt da eben diese vier Juroren und du hast keine Ahnung, was sie dir sagen werden und wie sie dich finden. Die drücken dann Plus oder Minus und bewerten deine Musik. Das ist schon ein wenig seltsam und aufregend zugleich.
Da drängt sich die Frage auf, für wen eure Musik gemacht ist. Für ein kleines, privates Publikum oder für die großen Zuschauermengen?
Maria: Bei der „Großen Chance“ hatten wir unser bislang größtes Publikum.
Tomasz: Die Leute dort haben sehr cool auf unsere Musik reagiert. Jeder hat gesagt, dass es dem Publikum gefallen hat. Wir haben uns nach dem Auftritt auch gut gefühlt, etwas gestresst durch das Drumherum, aber die Reaktion des Publikums war gut.
Maria: Wir wollen ja auch vor großem Publikum spielen. Drei oder vier Mal haben wir bis jetzt open Air vor größerem Publikum gespielt, und wir haben immer nur gute Reaktionen bekommen. Ich denke also, dass unsere Musik sowohl für kleines als auch großes Publikum geeignet ist. Wir sind da sehr flexibel. Der Song, den wir in der Show gespielt haben, ist ja nur einer von vielen, und jeder einzelne ist anders. Wenn wir ein Konzert spielen, dann spielen wir ca. eine Stunde. Das sind dann in etwa sechzehn Songs. Ich denke, dass das genug für einen Auftritt ist.
Warum habt ihr, wenn ihr so viele fertige Songs habt, dann bis jetzt noch kein Album aufgenommen?
Maria: Wir brauchen Investoren (lacht). Nein, im Ernst: Wir haben die Wahl zwischen Geld verdienen und mit diesem Geld ein Album aufnehmen, das entweder gut ist oder scheitert oder die Zeit zu nützen, um zu reisen und Konzerte zu geben. Wir haben uns für Letzteres entschieden. Das liegt uns mehr. Aber wenn wir Glück haben, finden wir vielleicht einen Sponsor und können so beides machen. Das ist alles leider nicht so einfach, und man muss realistisch bleiben.
Ein Album zu haben ist wie eine Art Visitenkarte. Ist das nicht wichtig für euch?
Maria: Ja, das stimmt schon. Aber unsere Methode, um an Gigs zu kommen, tut es auch. Wir schicken Mails mit unseren Links und kommen so immer wieder an Auftritte. Das Problem mit dem Aufnehmen ist ja, dass man im Studio pro Tag zahlt. Ich möchte aber keinen Song unter Zeitdruck aufnehmen, weil es dann nicht gut wird. Ich will mit den aufgenommenen Songs 100% zufrieden sein. Das funktioniert nur mit viel Zeit.
Wie verdient ihr euren Lebensunterhalt? Habt ihr Nebenjobs?
Maria: Nein. Wir reisen herum und spielen Konzerte. Wir schlafen oft im Auto oder campen auf Feldern, wenn wir unterwegs sind. Das ist unser Leben, und wir mögen das so.
Wie war die Reaktion der Leute auf euren Fernsehauftritt? Habt ihr auf YouTube und Facebook etwas bemerkt?
Tomasz: Ja, wir haben viele Nachrichten bekommen und auch ein paar Angebote von Aufnahmestudios. Dann haben wir den Preis gehört, den die verlangen, um aufzunehmen, und haben uns einmal mehr dafür entschieden, lieber weiter Konzerte zu spielen und durch die Gegend zu touren.
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Fühlt ihr euch hier in Wien eigentlich einer bestimmten Szene zugehörig?
Maria: Ja, ich denke wir sind ein Teil der Szene – vor allem, weil es hier in Wien einen großen Wettkampf zwischen Songwritern gibt. Es gibt die „Open Stage“ für die man sich bewerben kann, und die suchen dann Bands und Songwriter aus, die gegeneinander antreten. Das war schon sehr cool, weil wir gewonnen haben. Wir waren dann auch in einem Studio und haben aufgenommen, mit zwei österreichischen Musikern gemeinsam haben wir einen Song aufgenommen. Ein Tag war aber leider nicht genug, um fertig zu werden, und für den zweiten Tag im Studio hätten wir schon zahlen müssen. Aber ich fühlte mich auch insgesamt nicht wohl mit der Situation und mit dem, was wir aufgenommen hatten, also haben wir es gelassen und wieder nur zu zweit gespielt.
Könnt ihr euch denn gar nicht vorstellen, zusätzliche Bandmitglieder zu haben?
Maria: Doch schon. Aber jetzt sind wir zwei einfach die Basis und wir wollen gemeinsam spielen. Wenn es sich ergibt, man wird sehen…
Tomasz: Wir hätten gerne einen Bassgitarristen…
Maria: ..aber ich bin da sehr kritisch und er müsste wirklich sehr gut spielen. Also haben wir uns vorerst dazu entschieden allein zu bleiben. Man darf auch nicht vergessen, dass es auch viel einfacher ist, wenn man nur für zwei alles organisieren muss. Wir passen mit unserem Equipment in ein Auto. Wenn es mehr Leute sind, wird alles schwieriger: Unterkünfte, Reisen, Equipment etc…
Ist es belastend, so viel Zeit miteinander zu verbringen?
Maria: Wir sind daran gewöhnt. Aber manchmal kommt es natürlich zu Streit. Wir lassen das aber nicht unsere Musik und Auftritte beeinflussen.
Tomasz: Klar ist es manchmal hart, und viele Leute verstehen unsere Art zu leben nicht. Obwohl wir zusammen eine Band sind und zusammen arbeiten, schaffen wir es irgendwie, Beruf und Privatleben getrennt zu sehen und zu leben.
Ist es euer Plan, hier in Wien zu bleiben?
Maria: Wenn wir hier aufnehmen können, werden wir wahrscheinlich hier bleiben. Es ist eine echt coole Stadt und es gibt viele Locations, um aufzutreten. Wir haben auch viele Freunde hier, die uns immer wieder helfen.
Tomasz: Freunde, die selber in Bands spielen und uns helfen Gigs zu kriegen usw. Wir fühlen uns wohl hier. Es ist hier viel leichter zu spielen, als in ganz fremden Städten, wo wir niemanden kennen.
Maria: Aber unser Ziel ist es überall zu spielen. Auf der ganzen Welt. Um das zu erreichen, müssen wir viel üben und Erfahrungen sammeln.
Was sind eure nächsten Pläne?
Maria: Vielleicht – und wir hoffen stark darauf – gehen wir demnächst auf eine kleine Tournee durch England. Mit etwas Hilfe eines englischen Freundes. Ohne Hilfe schafft man das leider nicht. Jemand, der in England verschiedene Bands managt, hat Interesse bekundet, uns Auftritte zu verschaffen. Wir hoffen wirklich sehr, dass das etwas wird. Das würde uns sehr freuen. Wir haben bis jetzt nur gute Erfahrungen mit Auftritten in England gemacht.
Würdet ihr eure Musik selbst als Jazz-Pop bezeichnen?
Maria: Schwer zu sagen. Manche sagen, wir spielen Jazz. Andere wieder sagen, wir spielen Pop. Ich kann nicht sagen, was es ist. Wir spielen einfach so, wie es uns gefällt. Wir verwenden jazzige Melodien, deshalb sagen viele, es sei Jazz.
Welche Musiker oder Bands haben euch inspiriert?
Maria: Ich kann nur sagen welche Musiker ich selber gerne höre. Ob mich die dann auch beeinflussen, weiß ich nicht. Micheal Jackson oder David Bowie z.B. habe ich in Endlosschleife gehört, als ich noch jünger war. Heute höre ich gerne Will.i.am von den Black Eyed Peace. Er macht wirklich gute, eingängige Musik, und er ist ein Vollblutmusiker. Ich bewundere ihn aber auch für die Dinge, die er abseits der Musik macht: Er investiert in die Forschung, spendet Geld an Waisen und organisiert den Bau von Schulen und Einrichtungen für vernachlässigte Jugendliche. Das ist sehr inspirierend und bewundernswert. Zu solchen Menschen blicken wir auf.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.
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