Neuere Werke von Beat Furrer (beim Klangforum und beim Musikprotokoll Graz) und Bernhard Lang (Musikprotokoll)

Neuere Werke von Beat Furrer (beim Klangforum und beim Musikprotokoll Graz) und Bernhard Lang (Musikprotokoll)”Die internationale Lage nimmt zu”. Das belächelnswerte Zitat eines kommunistischen Funktionärs aus einem ungarischen Film nimmt Kurator Christian Scheib zum Anlass einer Reflexion der verschiedenen Stadien kulturellen Austausches in der Neuen Musik seit den Nachkriegsjahren, von “Avantgarde”-Wettlauf und Konkurrenz bis zu internationalen “Netzwerken”, nicht zuletzt heuer auch Gegenstand verschiedener Musikprotokoll-Schwerpunkte. Natürlich werden wir nächste Woche ab Donnerstag darüber auch ausführlich in den Musiknachrichten berichten.

Faktum ist: Grandiose Werke von Beat  Furrer (“Antechis”, Konzert für Klavier und Orchester), sowie eine bereits bis zur Nummer VII gediehene bzw. bis 2009 vorausgeplante Serie von “Monadologie” genannten Stücken Bernhard Langs waren Aufträge außerhalb Österreichs, die hier nun erstaufgeführt worden sind.

Klangforum: 1. Konzert im Konzerthaus-Zyklus (“Superbia – Die Hochmütigen”)

Das beste Stück des ersten Klangforum-Konzertes dieser Saison am 3.Oktober im Wiener Mozartsaal war – neben Schönbergs auch grandios gespieltem viersätzigen dichten und strengen Bläserquintett op. 26  (in dem Schönberg 1923 erstmals das Zwölftonsystem rigoros anwandte) – denn auch Beat Furrers “Antichesis” für 14 Streicher. In Gruppen beschäftigt: zwei Streichquartette, ein Trio aus 2 Violinen und Viola, ein Duo aus 2 Violinen sowie ein Solo-Kontrabass im Zentrum. Entstanden ist das Stück als Auftragswerk der Festival Strings Lucerne und von diesen dort 2006 uraufgeführt worden, beim Warschauer Herbst wurde es überdies am 21. September 2008 bereits auch vom unter der Leitung von Ernst Kovacics  stehenden polnischen Orkiestra Leopoldinum zu Gehör gebracht. Jedenfalls: Die klangforumseigenen StreicherInnen, verstärkt durch befreundete MeisterInnen dieses Fachs (wie Annelie Gahl, Joanna Lewis oder Florian Schönwiese) spielten unter Furrers eigener Stabführung diese vielschichtige Musik schlichtweg hinreißend gut und ermöglichten hierzulande ein längst fälliges Kennenlernen.

Womit im übrigen nicht gesagt werden soll, dass die dafür vom Klangforum Wien bei diesem Konzert tatsächlich auch uraufgeführten Werke der in Deutschland tätigen Komponisten und Lehrer Nicolaus A. Huber (geb. 1939, Passau) und Rolf Riehm (geb. 1937, Saarbrücken, auch fünf Jahre lang Mitglied des legendären Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters) nicht interessant und gut gewesen wären, zumal sie jedes auf seine Weise auch imaginativ Bezug auf die revolutionären Entdeckungen, Ansprüche und Innovationen Arnold Schönbergs für die Musik genommen haben.

Berechtigter Jubel für das Klangforum und die dort auch anwesenden Komponisten und eine große Tat der fünf Bläserinnen für das wirklich schwer ständig mit vollster Konzentration mitzuverfolgende Schönberg-Werk mit immerhin je viertelstündiger Dauer der einzelnen Sätze, die verteilt auf den ganzen Abend zu hören waren.

 

 

Musikprotokoll Graz

Beim Eröffnungskonzert des diesjährigen “Musikprotokolls” in Graz am Samstag, 4.10. im ehrwürdigen Stefaniensaal stand das Radio-Symphonieorchester Wien dem Klangforum an Einsatzfreude, Hingabe und Qualität in keiner Weise nach. Unter Pascal Rophé war dort ein weiteres neueres Furrer-Werk, das vom WDR in Auftrag gegebene Konzert für Klavier und Orchester (2007) zu hören. Das Stück fasziniert durch die Schattenwelt, die das in beredtem Gestus artikulierende Soloklavier (Solist: Nicolas Hodges) im Orchester (dort sogar eine Art “Doppelgänger”) umgibt – es ist wie ein auskomponierter Zerfallsprozess, eine Transformation, ein unweigerliches Umschlagen von Ordnungen und Formen in andere.

Auch sehr entdeckenswert und neu ist Bernhard Langs nunmehr wieder anderer, neuer Versuch der Generierung musikalischer Texturen, anders als in der doch bereits sehr lang ausgedehnten und offenbar nunmehr abgeschlossenen Serie der Kompositionen unter dem Überbegriff “Differenz/Wiederholung”.

“monadologie” (entstanden 2007 als Kompositionsauftrag der Musica Viva München) ist neben dieser neuen Kompositionsstruktur in einem Kontext von “automatic writing” mit Hilfe virtueller Maschinen,  “zellulärer Automaten und zellulärer Granulatoren” (was das ist, muss dem interessierten Publikum Bernhard Lang wohl einmal verständlicher und genauer zu erklären versuchen) und spektral orientierter Harmonik (das versteht man schon leichter, was das ist, v. a. wenn man das dann hört) für Hörer besonders durch die Nutzbarmachung eines neuen Solo-Instruments faszinierend. Die auch elektronisch verstärk- und prozessierbare Elektrozither wird von dem Solisten Georg Glasl virtuos gehandhabt, der Bernhard Lang die Zither als solche schon früher entdecken ließ. Das Stück zerfällt in 12 Blöcke – das Orchester wird vielfältig eingesetzt, es gibt Erinnerungen an dodekaphonisches Komponieren, auch eine poetische Hommage an die Bergwanderungen Anton von Weberns, Bezüge auf die Felsstrukturen des Traunsteins bei Gmunden und die Wiederholungsstrukturen im Werk Thomas Bernhards (“Auslöschung”).
Das Eröffnungskonzert des musikprotokolls  kann man übrigens am 9.10. auf Ö1 im Zeitton anhören, Furrers Klavierkonzert auch noch einmal live bei einem Wien Modern- Konzert mit dem RSO Wien am 31.10.

Weiter wird es im Musikprotokoll am Donnerstag gehen mit dem von Susanne Niedermayr betreuten Projekt ECAS (“European Cities of Advanced Sound”. Die Programmreihe “. as seen from the middle of east” umfasst ein intermediales Projekt (“lost spaces” von Sebastian Meissner und Serhat Karakayli), des weiteren ein Konzert mit in Österreich kaum gespielten Werken, ausgewählt von Komponistinnen aus dem Libanon, Jordanien, Israel und Palästina, schließlich Franz Hautzingers Quartett “Oriental Space” (mitwirkend u. a. auch Helge Hinteregger, Sampler). Hautzinger bringt auch sein Gomberg II als Trometenorchesterprojekt, Bernhard Lang und Christine Gaigg ein Statement zur Loop-Grammatik, Los Glissandinos treffen auf AMM und Burkhard Stangl (Gitarre) als special guest. Im Minoritensaal hört man Kammermusik von Bernhard Gander, Enno Poppe und Mathias Pintscher mit dem Trio EIS und der Pianistin Hsin-Huei Hunag, schließlich gibt es auch das “Klangwege 2008”-Abschlusskonzert mit Werken von Studierenden der Kompositionsklassen der KUG (Programm und Termine siehe auch unter Konzertveranstaltungen auf der Website des mica).

Heinz Rögl

Foto Beat Furrer: Larry Williams
Foto Bernhard Lang: Katharina Gossow