Neue Kammermusik aus Niederösterreich

Wer Neue Musik mit übermäßig komplexen, unzugänglichen Klängen verbindet, kennt die jüngste CD der Interessengemeinschaft Niederösterreichische Komponisten (INÖK) noch nicht. Denn auf ihr finden sich überwiegend Werke aus dem letzten Vierteiljahrhundert, bei denen die KomponistInnen entgegen ihrem weit verbreiteten Ruf keine Angst vor romantischen Gefühlen und elegischen Melodien zeigen. Gleichzeitig offenbart sie auch vielfältige Zugänge im Schaffen zeitgenössischer KomponistInnen, die Elemente unterschiedlicher Genres in ihrem Schaffen in Verbindung bringen. Die Werke für Cello solo oder in Verbindung mit Klavier sind zu einem großen Teil bestens für den Instrumentalunterricht geeignet sind, erschöpfen sich aber nicht in rein pädagogischen Anliegen. Denn über technische Fertigkeiten hinaus verlangen sie den Interpretierenden auch musikalisches Geschick ab – und so sind sie nicht nur für die stille Kammer, sondern auch für das Vorspiel geeignet.

Horst Ebenhöh und Heinz Kratochwil suchen in ihren Werken eine Synthese aus Alt und Neu zu generieren; während ersterer seinen InterpretInnen mit unüblichen Taktarten, wie er sie von seinen Reisen in den arabischen Raum mitgebracht hat, rhythmisch fordern, lässt zweiterer in seiner Fantasie op. 124 an den einen oder anderen Jazz-Standard denken und führt dabei in Melodien, die zum Schwelgen einladen. Eine melancholische Melange hat auch Michael Publig mit seiner „Rhapsody on a Blue Cello“ geschaffen, die in ihrem Titel an George Gershwin erinnert – zitiert wird das populäre Werk mit dem markanten Klarinettensolo zwar nicht, doch in ihrer Verbindungen von jazzigen Komponenten und Neuer Musik weist sie sehr wohl auf den Komponisten der ersten amerikanischen Oper hin. Gefühlsbetont geben sich auch die Nocturnes von Silvia Sommer mit ihren kadenzierenden Akkordfolgen, das Second Cello Piece von Ferdinand Weiss, wie auch das spannungsvolle Mikrostück von Andreas Baksa.

Frei von Pathos und Lieblichkeit hingegen gibt sich die Mini-Musik III von Hannes Heher, der sich im ersten Satz in aggressive Gebärden wagt, wenngleich die beiden folgenden Sätze diese kraftvollen Äußerungen wieder etwas beruhigen. Schwung nimmt Adriane Muttenthalers Dialog auf, bei dem die hohe und die tiefe Lage des solistischen Solos in ein Zwiegespräch treten. Ihren ganz eigenen Weg beschreitet Julia Purgina, die mir ihrem noch unvollendeten Zyklus Lunarium Miniaturen mit spritzigen Titeln wie “Vergläserte Hummel” oder “Verstopfte Schlange” mit ebsolchen Verläufen verbindet. Wolfgang Nenning schreckt auch vor langgehaltenen Tönen, zahlreichen Pausen und kontrastierendem Material nicht zurück, so dass sein Adagio zu einem zerbrechlichen Gebilde wird. Zunächst in bekannten Gefilden bewegt sich der Beginn der Zwei Stücke von Lukas Haselböck, um in einem fließenden Übergang in atonales, dabei aber nicht weniger stimmungsvolles Gelände zu führen. Den höchst unterschiedlichen Anforderungen zeigen sich die Cellistin Ursula Erhart-Schwertmann, der auch so manches Werk auf der CD gewidmet ist, und die Pianistin Edda Andrea Graf bestens gewachsen und legen eben so viel Ausdruck wie auch Energie in die gelungene Interpretation. (dw)

Live präsentiert wird die CD “Neue Kammermusik aus Niederösterreich” am 7. Dezember im Stadtmuseum Wr. Neustadt.

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