Neu im music austria Notenshop: Martin Lichtfuss

Muss Neue Musik eigentlich immer neu sein? Dieser Frage steht Martin Lichtfuss eher skeptisch gegenüber. Ganz unverfroren schreibt er Sonaten, Präludien, gerne in Sätzen und sogar tonal. Das ist eine provokante Grenzüberschreitung der Neuen Musik in ganz andere Richtung als gewohnt. Statt auf der Suche nach dem ewig Neuen im Unbekannten zu sein, findet Lichtfuss das Aktuelle im Geschichtlichen.

Einige der zahlreichen Werke, die vom Komponisten im musica austria Notenshop erhältlich sind, erinnern in der Tonsprache an den russischen Neoklassizismus. Der erste Satz aus „An Eurydike“ für Streichquartett (1981), ein melancholisches und emotionales Stück, lässt an das düstere Spätwerk von einem Schostakowitsch denken. Genau wie Lichtfuss komponierte Schostakowitsch tonal mit atonalen Ausflügen, im Allgemeinen sehr rhythmisch mit Abstechern in die metrische Komplexität. Auch Lichtfussʼ Vokalmusik ist eine Mischung aus Traditionellem und Progressivem, Ernstem und Groteskem. Seine „5 Chansons“, die traditionelle Liedformen und thematische Arbeit ebenso beinhalten wie freitonale Passagen, sind vor allem durch die eigenwillige Sprache des Poeten H. C. Artmann geprägt, die der studierte Germanist Lichtfuss im Gestus aufnimmt und ihnen durch die Musik eine spezielle Stimmung verleiht.

Als Professor für Tonsatz betont Lichtfuss das Handwerkliche und Geschichtliche in seinen schriftlichen sowie in den musikalischen Äußerungen, verpasst aber inhaltlich nie den Anschluss an die Gegenwart. Zum Thema Wegwerfgesellschaft schrieb er 2011 für ein Holzbläserquintett „Re-Cycle“, das nicht nur Inhalt, sondern auch Form des Werkes angibt. Er mischt hierbei ungewöhnliche und herkömmliche Spieltechniken im Sinne der Nachhaltigkeit des Klanges und entgegen der Maxime zeitgenössischer Musik, dass immer alles neu und unverbraucht sein muss.

Auch in „K*tzbühel – eine patriotische Huldigung“ für Akkordeon und Streichquartett nimmt sich Lichtfuss aktuellen Entwicklungen an, beurteilt diese aber nie dogmatisch. Ist die Komposition zum einen Kritik an der Medien- und Unterhaltungsindustrie mit ihren Auswirkungen auf den Musikgeschmack, der zu dem Erfolg von Bands à la „Die Schürzenjäger“ führt, dient zum anderen als kompositorisches Material eben jene Schlagermusik, die von ihren massenwirksamen Produktionen entkleidet auch die Schönheit von Volksmusikmelodien freilegt.

Es ist nicht das Entdecken neuer Klangräume, an denen sich Martin Lichtfuss bei der Verbindung von Neoklassizismus und Neuer Musik abarbeitet. Stattdessen ist seine Musik zum Denken und zum Fühlen, die im richtigen Moment zwischen den Kategorien wechselt, um weder kitschig noch abstrakt zu sein.

Margarete Buch