„Ranz oder gar nicht” (VÖ: 19.4.2024) ist ein lustiger Titel für ein Album, es kommt natürlich von den Pulitzerpatentlern KREIML & SAMURAI und erscheint auf Honigdachs. Weil es der Produzent ALLIGATORMAN allumfassend produziert hat, sitzt er an diesem Nachmittag auch unter den Rüdigerhofplatanen. Es gibt noch kein Bier, aber etwas zu besprechen, Realitätskrankheiten, Lieferkettenflashes und die Donaukanalfischerei zum Beispiel. Davor aber: ein der heiteren Stimmung des Albumtitels nachempfundener Gesprächseinstieg mit inhärentem Querverweis zur in der Single „Preislbeerkompott” zitierten Fußballlegende.
Wie viele deppade Frogn soll ich euch heute stellen?
Samurai: Hah, wir haben eh gesagt, es wär geil gewesen, wenn wir ein einziges Interview gemacht hätten mit dem Neukirchner.
Kickt der eigentlich noch?
Kreiml: Hat der nicht als Trainer bei Sturm gehackelt?
Alligatorman: Oder als Scout?
Samurai: Halt im Trainerstab irgendwo. Sonst wär er eh unser neuer Pressesprecher. Jetzt sitzen halt wieder wir da.
Ihr seids ähnliche Charaktere wie der Neukirchner, die letzten …
Kreiml: Ranzbuben.
Samurai: Auch weil wir nicht totzukriegen sind.
Alligatorman: Eh, wir ranzinieren die Leute.
Samurai: Und beim Atomkrieg überleben nur die Kakerlaken, vielleicht sind wir …
Kreiml: Kakerlaken?
Samurai: Schweinehunde wollt ich sagen. Das haben wir den jungen Leuten voraus, wir hatten ja schon eine Phase, in der es gut gerannt ist und alles super war. Dann war Corona und wir waren am Boden, aber weil alles eine Welle ist, sind wir immer noch da, im Verhältnis halt.
Kreiml: Wir haben ja auch ein zähes Fleisch.
Samurai: Drum auch der Honigdachs, der honey badger doesn’t give a shit – alle wollen ihn fressen, aber niemand kann ihn beißen, also resignieren irgendwann alle. So gehen wir mit der Musikindustrie um. Sie versucht uns zu beißen, wir bleiben stehen und machen unser Ding.
Kreiml: Weißt eh, Corona hat uns dermaßen zurückkatapultiert, ich weiß nicht, wie viele drauf geschissen hätten. Wir haben aber realisiert, wir können nicht anders, wir müssen weitertun. Die Frage ist nur: Ist das dann eine freie Entscheidung oder eine Krankheit, die wir in uns tragen.
Eine Obsession, meinst du?
Samurai: Das sind so konstruktivistische Theorien und Experimente, wo du gar nichts entscheidest und es sowieso nix gibt.
Ihr müsst also weitermachen, weil schon feststeht, dass ihr weitermachen müsst?
Samurai: Du triffst eine Entscheidung, aber der Impuls, der in dein Gehirn geschickt wird, kommt davor an, weißt eh, Watzlawick und diese Gschichteln – was Grundphilosophisches halt, irgendwie schon eine Krankheit.
Kreiml: Eh, es gibt Phasen im Leben, da seh ich eine Reklametafel oder ein Wort und bin erst einmal zehn Minuten irgendwo anders.
Samurai: Der Alli ist auch einer, der diese Krankheit hat.
Alligatorman: Weil es ums long game geht. Wenn du es machst, um was rauszukriegen, und dann kriegst du nix raus, fäut es dich ja an.
Samurai: Wenn du aber wie wir immer weitermachst, egal ob du es kriegst oder nicht, denkst dir irgendwann, scheiße, ich kann nicht aufhören damit.
Alligatorman: Das heißt nicht, dass wir nicht auch mal frustriert sind.
Samurai: Eh, aber wir akzeptieren, dass die Realität so ist.
Kreiml: Und gehen halt mit dieser Krankheit um. Wobei Krankheit ist eher eine Metapher, weißt eh, weil unsere Krankheit mit einer Krankheit zu vergleichen, das ist schon ein bisserl problematisch. Nenn ma’s lieber Hirnfick.
Sechs Alben zu machen und seit Jahren auf den Bühnen zu stehen, da muss man schon ein bisserl …
Kreiml: Angerannt sein.
Samurai: Der Kroko Jack hat ja nicht umsonst gesagt, 99 Prozent von euch sind gscheid beinander! Das ist schon wahr. Alle haben ihre Lettn, die meisten bräuchten sogar therapeutische Betreuung. Wir helfen uns halt mit der Musik.
Es geht ein Klang von Kälte durch die Welt, singt der Kreisler, den du sampelst, Alli. Eigentlich eh die Grundvoraussetzung für Kreiml&Samurai, oder?
Kreiml: Was heißt … Wir lassen uns eh gern positiv überraschen.
Samurai: Aber oft ist es halt oarsch. Deshalb sind unsere Alben immer nur Momentaufnahmen, diesmal eh auch, das heißt: Wir haben uns am Vormittag im Kellerstudio reingeflasht, Zeit und Raum verloren und ein …
Schweinhundraumschiff erschaffen.
Samurai: Ja eh, das war halt was Neues, so vom Ding her. Der Alli hat alles gemacht, wir sind runtergegangen und fünfsechs Stunden später war was da, bist deppert, so schnell.
Wie sagt man in der Wirtschaft, ihr habt die Lieferketten kurz gehalten, also: keine Features, nur ihr. Und alles beim Alligatorman im Keller.
Kreiml: Wir haben uns an keiner Stelle gedacht, ey, komm her und ranz da noch einen Part drüber – das wär komplett out of our universe gewesen, da jemanden dazuzuholen.
Alligatorman: Genau, ich hab den Beat, die zwei sind da. Man formuliert ein bisserl was aus und dann war …
Samurai: Die Gschicht fertig.
Schön hingeranzt, war aber auch schon anders …
Kreiml: Eh, mit dem Brenk (Album: „Auf olle 4re”, Anm.) oder das letzte Mixtape („Und täglich grüßt das Untier”, Anm.) hat da schon ein anderes Mindset vorgeherrscht. „Ranz oder gar nicht” ist viel mehr Status Quo, da gibt es keinen Ballast …
Außer dem Neukirchner.
Kreiml: Der steht aber noch!
Samurai: Und wir haben ihn reranziniert. Aber weißt eh, den Alli kennen wir ewig, uns taugt, was er macht. Mit ihm haben außerdem das gefunden, was wir schon länger suchen, obwohl wir nie genau gewusst haben, was es ist. Das ist bitte nicht das Ende unserer Reise, aber wir sind dazwischen zumindest einmal angekommen.
„WIR HABEN UNS GETRAUT, FEHLER ZU MACHEN.” (ALLIGATORMAN)
Kreiml: Das merkt man an der Unmittelbarkeit, die Themen, das sind wir im Moment. Damals hätten wir nicht so eine Platte machen können, weil wir persönlich nicht dort waren, wo wir heute sind. Raptechnisch vielleicht eh, aber in uns haben sich ein paar Dinge verändert.
Samurai: Vor allem geben wir auch abseits der Musik weniger aus der Hand, machen mehr selbst, weil: Wir hatten unsere Erfahrungen, jetzt gibt’s keine Kompromisse mehr.
Alligatorman: Dazu gehört auch die Situation mit dem Studio. Wir konnten da ohne Zeitdruck herumexperimentieren, ihr habt euch auch viel mehr getraut als sonst.
Samurai: Weil wir nicht mit einem fertigen Part zu dir kommen mussten, sondern unmittelbar vor Ort was entstehen lassen konnten. „Großes Kino” zum Beispiel: Wir haben gesungen, das war der Vibe. Aber geplant haben wir das nicht.
Alligatorman: Das ist das Ding, wir haben uns getraut, Fehler zu machen.
Ihr habt also mehr riskieren können.
Samurai: Das ist beim Alli halt angenehm, wir haben keine Angst, dass man ihm am Oasch geht, wenn es mal ein bisserl dauert, weil wir alle wissen, dass es am Ende schon hinhaut. Deshalb ist der Output ganz anders, als ich es mir vorgestellt hätte.
Stichwort Singen, fast voodooartig.
Samurai: Ich bin ja ausgebildeter Opernsänger, eigentlich wär das immer naheliegend gewesen, aber: Ich wollte in der Vergangenheit rappen, also hab ich gerappt. Auch jetzt muss es ja kreimlsamuraiartig sein …
Von der Puccini-Arie bleibst du also ein paar Bühnen entfernt.
Samurai: Ja eh, will ich auch, vielleicht ist es deshalb voodooartig geworden.
Ich will es eh nicht vergleichen.
Alligatorman: Auch weil es vom Vibe eh nicht vergleichbar ist.
Samurai: Na, so weit hergeholt ist es ja nicht, er ist ja ein guter Einfluss, wenn er denn einer ist.
Alligatorman: Ah, ich hab gemeint: Voodoo, die Religion!
Samurai: I put a spell on you! Na, Spaß, er ist ein leiwander Musiker und ein geiler Texter. Es ist eine Ehre, wenn man mit ihm verglichen wird. Wird eh Zeit, dass wir bald einmal mit ihm fischen gehen.
Ihr geht’s mit dem Voodoo Jürgen fischen?
Samurai: Wir haben ja vor ein paar Jahren gemeinsam diesen Track gemacht, da hab ich ihm das danach zum Geburtstag geschenkt. Ich hab auch schon ein Platzerl ausgecheckt. Außerdem ist der Jürgen (Schallauer, Bassist bei Franz Fuexe, Anm.), der bei uns Bass spielt, ein Donaukanalfischer.
Alligatorman: Stoak.
Samurai: Ja eh, aber er kennt auch ein paar andere Spots, das mach ma jetzt.
Haben wir das auch geklärt.
Kreiml: Und so viel deppade Frogn waren heut auch nicht dabei.
Eh gut, oder?
Kreiml: Eh, sonst fragen’s immer dasselbe. Da muss man halt ein bisserl die Balance finden zwischen Dankbarkeit und Selbstschutz, weil manches geht einem halt schon am Oasch, wenn man es zum Hundertsten Mal hört.
Dann danke für eure Zeit!
Christoph Benkeser
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