HEARTS HEARTS kann man in Österreich wohl getrost als eine der Bands der Stunde bezeichnen, insbesondere unter jenen, die nicht gerade mit dem wiedergefundenen Austro-Charme hausieren gehen. Einiges an Lorbeeren wurde mit dem Debüt-Album „Young“ eingeheimst und nicht zu Unrecht lauern Vergleiche mit den absoluten Größen der modernen Rock- und Popmusik an jeder Ecke.
Selten dürfte eine österreichische Band ein so gelungenes Debüt-Album veröffentlicht haben, wie es Hearts Hearts mit „Youth“ (Tomlab) geglückt ist: Einerseits ist es in jeglichen Belangen sehr professionell und durchdacht und andererseits wurde es auch entsprechend wohlwollend sowohl von der Zuhörerschaft als auch der von Medienlandschaft aufgenommen. Würde man die Band auf fm4 ohne Ansage zu hören bekommen, würde man wohl kaum auf Österreich als Herkunftsland wetten. Und das obwohl sie natürlich bereits einmal Act des Monats beim fm4 Soundpark waren. Viel eher hören sich Hearts Hearts lupenrein nach Großbritannien in seinen innovativsten Momenten an. Auch was die Bandhintergründe anbelangt verhalten sich David Österle (Gesang), Daniel Hämmerle (Gitarre), Johannes Mandorfer (Schlagzeug) und Peter Paul Aufreiter (Elektronik) wie die Profis: Es macht sich schon gut, behaupten zu können, dass die Songwriting-Sessions seines Albums in einem Kloster stattgefunden haben. Das sind die guten Geschichten, jene über die sich die Fans in zehn Jahren freuen, wenn sie sich den erfolgreichen Werdegang der Band zu Gemüte führen werden.
Soundtrickkiste im Stereopanorama
Die Songs von Hearts Hearts sind so detailverliebt, dass dieses Adjektiv wie eine absolute Untertreibung wirkt. Elektro-Perkussion, Synthesizer und Sounds aller Art, über denen an den richtigen Stellen Indie-Gitarren schweben. Diese wirken beinahe ein bisschen altbacken, machen das Klangbild des Albums insgesamt aber dadurch umso zeitgemäßer. Retro ist eben wieder modern. Auch der Mix des Albums und dessen Produktion schöpfen aus den Vollen, so werden alle Möglichkeiten des Raumklangs und des Stereosounds erfolgreich ausgelotet. In den Augen der Band dürfte es wohl nicht ausreichend sein ihre gefinkelten Soundbausteine nur aus einer Richtung ertönen zu lassen. Dadurch lebt dieses Album und offenbart immer wieder neue Facetten, was Fans viele spannende Stunden unter den Kopfhörern bescheren dürfte. Vermutlich dürfte es hierfür mehr als förderlich gewesen sein, dass der ursprünglich lediglich als Produzent angedachte Peter Paul Aufreiter kurzerhand Mitglied der Band wurde und fortan Verantwortlicher für die elektronische Schlagseite der Band war.
Lamentieren, Leiden, Leben
Über diesem Konglomerat an Ideen und Klängen thront – und das muss man beinahe so schreiben – die Stimme von David Österle. Insbesondere durch seinen (Falsett-)Gesang weckt Hearts Hearts teilweise Assoziationen zu Bands wie Radiohead und Alt-J, an deren Sänger Thom Yorke respektive Joe Newman man teilweise stark erinnert wird. Ein Ritterschlag für die einen, zu wenig Eigenständigkeit für die anderen.
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Bei Songs wie dem Titelsong des Albums „Young“ sind die Ähnlichkeiten zu den späten Radiohead oder Atoms For Peace relativ auffällig. Das sehr gelungene „Inner Market“ hingegen legt etwa wesentlich mehr Individualität an den Tag und gibt durch seine Intimität und den Songaufbau gut zu erkennen, dass Hearts Hearts zu Beginn ihrer Geschichte ein Singer-Songwriter-Duo waren. Der sogenannte Hit des Albums ist freilich die Single „Hunter Limit“, bei der Hearts Hearts am stärksten ihre eigene Stimme finden und dabei noch besser funktionieren als auf dem restlichen Album. Neben der höchst gelungenen Komposition wurde auch ein viel beachtetes Video gedreht, welches für den österreichischen Musikvideopreis 2016 (vergeben von Vienna Independent Shorts) nominiert war. Auch hier agiert die Band von Regisseur bis zur Schauspielerin nur mit wahren Könnern ihres Faches. Die Stimmung, die Hearts Hearts transportieren, ist jene nach der sich der typische Mittzwanziger der alternativen Sorte zu sehnen hat: Zutiefst melancholisch, aber mit einem selten aufleuchtenden Hoffnungsschimmer, der das Leben doch lebenswert macht. Diese spezielle Gefühlslage wissen die vier Musiker wahrlich gekonnt heraufzubeschwören. Nicht zuletzt gelingt dies durch die prominent auf dem Album vertretene Cellistin Christina Ruf, die durch das Streichinstrument die prototypische Klangfarbe der Wehmut wunderbar ins Spiel bringt.
Per Entschleunigung zum Erfolg
Auch ohne es explizit zu wissen offenbart sich bei wiederholtem Hören, dass Hearts Hearts der Entstehung der vielen Ebenen ihrer Debütveröffentlichung sehr viel Vorlaufzeit und Gedankenprozesse zugestanden haben. Zu wissen gibt es allerdings auch, dass die Band sich seit der Gründung 2010 tatsächlich fünf Jahre Zeit gelassen hat, um ihr Debüt zu realisieren. Diese Herangehensweise ist womöglich umso bemerkenswerter, als sich die restliche Welt inklusive Musikbranche bloß immer mehr zu beschleunigen scheint. Das Resultat und die Reife in Form von „Young“ ist auf jeden Fall bemerkenswert.
Sebastian J. Götzendorfer
Hearts Hearts live:
13.08. Summerville Festival, Wiesen
21.09. Reeperbahn Festival, Hamburg
30.09. Drinnen & Draussen, Gefängnis Garsten