„Natürlich ist es anders: Andere Bräuche, anderes Essen, eine andere Sprache.“ – Blessings Nqo (Insingizi, MoZuluArt, Black Messengers Afro Band) im mica-Interview.

Blessings Nqo über seine musikalische Prägung, seinen Weg nach Österreich und über die „Roots Music von Southern Africa“. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Die ersten musikalischen Schritte im Chorgesang

Du bist in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt Zimbabwes, aufgewachsen?
Blessings Nqo: Ja. Bulawayo ist aber, obwohl es fast eine Million Einwohner hat, kaum mit Wien zu vergleichen.

Warum nicht?
Blessings Nqo: Wien ist eine Weltstadt, was man von Bulawayo nicht behaupten kann.

Du hast in Deiner Jugend aber, wenn ich richtig informiert bin, viel Zeit in einem kleinen Dorf verbracht. Stimmt das?

Blessings Nqo: Ja, in Matopo, einem etwa 40 Kilometer von Bulawayo entfernten Dorf. Da ging ich zunächst in die Volksschule und danach in die Secondary School. Das heißt, ich bin in dieser Zeit viel hin- und hergefahren.

Um Party zu machen, in die große Stadt und zum Lernen in die Kleinstadt?
Blessings Nqo: (lacht) Ja,ja, so ähnlich war das.

Deine musikalische Prägung allerdings hast Du im Chor erhalten.
Blessings Nqo: Genau. Mit dem Chorgesang hab ich in der Volksschule angefangen. Musik war schon immer in mir, aber der Chor hat das wach gekitzelt. Mit dem Chor haben wir an vielen Wettbewerben teilgenommen und Preise gewonnen. Als ich vierzehn wurde, musste ich mich, weil ich in die zweite Schulstufe wechselte, mehr auf das Lernen konzentrieren und konnte deshalb nicht mehr so viel Musik machen. Im Jahr 1993 schließlich hab ich meinen Abschluss gemacht. Und im Jahr darauf bin ich Insingizi beigetreten.

Welche Art von Musik hast du im Chor gesungen, bzw. welche Musik war es, mit der du als erstes in Kontakt getreten bist?

Blessings Nqo: Traditionelle Musik. Unser Chorleiter hat uns zuerst einmal Notenlesen, Tanzen und Trommeln beigebracht.

“Die meiste Musik, die wir spielen, kommt vom Herzen.”

Gehen wir zu Insingizi. Welche Musik spielt ihr da?
Blessings Nqo: Insingizi ist auf traditionellen A Capella spezialisiert. Als ich der Gruppe 1994 beigetreten bin, waren wir zu sechst und sind durch Zimbabwe getourt. Ein Jahr darauf wurden wir dann nach Österreich eingeladen, haben in Wien und anderen Orten in Oberösterreich und der Steiermark Konzerte gegeben und Workshops in Schulen abgehalten. Danach ging es noch nach Dänemark, bevor wir wieder nach Hause flogen. Das Wichtigste aber für unsere weitere Zukunft war: Wir haben Kontakte in Österreich geknüpft.

Wie das?
Blessings Nqo: Als wir in Linz spielten, haben wir uns mit einem österreichischen Chor zusammen getan, um ein Crossover aus südafrikanischen Musikern und österreichischen zu starten. Und einer der Chor-Mitarbeiter hat uns später wieder kontaktiert und 1996 für ein Festival nach Österreich eingeladen. Zuerst spielten wir in Wien und dann auch noch an anderen Orten. Und wir haben auch wieder Wokshops abgehalten. Danach sind wir wieder nach Hause, um wenig später wieder nach Österreich zu kommen. Und da – während unseres dritten Aufenthalts – haben wir als Gruppe beschlossen, zu bleiben und klassische Musik zu studieren. Weißt Du: Die meiste Musik, die wir spielen, kommt vom Herzen, d.h. sie ist nicht auf irgendeinem Notenblatt notiert. Wir aber wollten lernen, wie wir unsere Musik aufschreiben können. Das heißt einerseits wollten wir die Theorie lernen. Und andererseits wollten wir auch Instrumente lernen. Jeder von uns wollte mehrere Instrumente spielen können. Für mich war es ein Durchbruch, Musik auf diese Art kennen zu lernen.

Wo habt ihr studiert?
Blessings Nqo: Auf einer Privatschule in der Steiermark, die uns unser Manager vermittelt hat. Das war 1997. Wir haben tagsüber studiert und abends Gigs gespielt.

Das ist lange her.
Blessings Nqo: Ja, das ist lange her, aber immer noch sehr präsent. Du musst wissen: Für jemanden, der aus Zimbabwe kommt, ist das Spielen von klassischer Musik wie von einem anderen Stern. Es ist schon interessant, diese Musik zu hören. Sie zu spielen aber ist noch einmal eine ganz andere Sache. Musik zu spielen und sie zur selben Zeit auch zu lesen, war etwas völlig Neues. (lacht) Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.

Vom A-Capella-Gesang zum Blues

Wie ging es weiter?
Blessings Nqo: Im Jahr 1997 haben wir im Dezember wieder einmal in Graz gespielt, und da hat Hans Thessink uns getroffen. Er liebte die Art, wie wir singen. Und er wollte uns auf seinem neuen Album mit dabei haben. So kamen wir vom A Capella-Gesang zum Blues. Auch davon hatten wir keine Ahnung. Wir konnten uns anfangs nicht vorstellen, wie das gehen soll. Mit Thessink zu spielen war ein weiterer Durchbruch. Seitdem hat er uns immer wieder beschäftigt, busy gehalten… Und alles zusammen war das ein großer Schritt für uns.

Und Insingizi gibt es auch heute noch?
Blessings Nqo: Ja. Immer noch lernen und spielen wir. Wir entwickeln uns ständig weiter. Allerdings stiegen nach 1997 einige von uns aus. Wir waren damals um die 25 Jahre alt, und da gehen die Interessen schon auseinander. Der eine gründete eine Familie, der andere entschied sich für ein Business-Studium in Graz etc. Im Moment sind wir daher zu dritt. Hans Thessink kennt viele Leute, hat uns an andere Musiker weiter vermittelt. Und sein Keyboarder Roland Guggenbichler hat mit MoZuluArt ein weiteres Projekt mit uns gestartet.

Wann war das?
Blessings Nqo: Im Jahr 2005,  wenn ich mich recht erinnere.

Das heißt also, ihr habt, wenn ich das richtig verstehe, jede musikalische Gelegenheit, die sich euch bot, genutzt, um Musik zu machen und euch zu verbessern?
Blessings Nqo: Genau. Jedes Mitglied von Inzingizi hat aber auch seine eigenen Projekte, seine eigene Band. Und die anderen haben auch Solo-Auftritte so wie ich.

Ein großer Traum ist es für Dich, habe ich gelesen, einmal ein Aufnahmestudio in Bulawayo zu betreiben. Warum?
Blessings Nqo: Ganz einfach. Ich möchte es jungen MusikerInnen ermöglichen, abseits der etablierten teuren Studios, die sich die wenigsten leisten können, Musik aufnehmen zu können.

Bei Inzingizi bezeichnet ihr eure Musik oft als „Roots Music von Southern Africa“. Wie unterschiedlich ist die Musik, die aus Zimbabwe kommt, zu der aus Südafrika?
Blessings Nqo: Gute Frage. Dort, wo ich herkomme, gleicht die Musik, die man hört und spielt, sehr der südafrikanischen. Aber in Harare, der größten Stadt Zimbabwes, wird eine ganz andere Musik gespielt.

“Es war schon sehr anders für mich”

Woran liegt das?
Blessings Nqo: Einerseits daran, dass mein Stamm, Delele, seinen Ursprung in Südafrika, hat. In Harare aber, lebt ein ganz anderer Stamm, die Shona. Du kannst diese beiden Stämme überhaupt nicht miteinander vergleichen. Die südafrikanische Musik ähnelt unserer viel mehr als der Musik der Shona. Das ist eine ganz andere Sprache mit anderer Rhythmik, einer anderen Kultur.

Was waren Deine ersten Eindrücke, als Du hierher nach Österreich kamst? War es hart?
Blessings Nqo: Es war schon sehr anders für mich. Aber dadurch, dass wir eingeladen waren, war es sehr toll. Wir haben es sehr gemocht. Natürlich ist es anders: Andere Bräuche, anderes Essen, eine andere Sprache. Leicht war es nicht, aber die Leute sprechen Englisch, und so konnten wir uns von Anfang an gut verständigen. Es war eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Österreicher unsere Musik mögen und uns unterstützen.

Tatsächlich?
Blessings Nqo: Ja, das Interesse ist groß – genauso groß wie unser Interesse an österreichischer Musik. Das hat uns sehr gestärkt.

Ist auch die Szene, die sich für eure und andere afrikanische Musik interessiert, groß?
Blessings Nqo: Schwer zu sagen. Heute läuft alles über Beziehungen, aber die Unterstützung ist schon groß, würde ich sagen. Es funktioniert für uns. 2010 habe ich die Veranstaltungsreihe „Roots Music“ gestartet. Zuerst im Reigen, dann im Porgy. Und im Chaya Fuera, jetzt wieder im Reigen. Und das ist wirklich ein großes Ding geworden, von Jahr zu Jahr erfolgreicher. Wir sind heute wesentlich bekannter als noch vor einigen Jahren. Aber um auf Deine Frage zurück zu kommen: Ich denke, es hängt ganz stark von der Musik ab. Nicht jeder bekommt so große Aufmerksamkeit wie wir. Andere haben es da schwieriger. Aber man muss es einfach tun, dann geht es schon.

Wie viele Konzerte spielst du pro Jahr?
Blessings Nqo: Manchmal 60, im Schnitt aber zwischen 40 und 50.

Das ist eine ganze Menge…
Blessings Nqo: Wir machen alle nur Musik, in unterschiedliche Formationen.

Das heißt auch, dass es ein Fulltime-Job für Dich ist?
Blessings Nqo: Ja, ist es. Jetzt gerade habe ich ein neues Projekt am Laufen, die Black Messengers Afro Band, sieben Musiker, zwei davon kommen aus Burkina Faso, einer aus Südafrika, einer aus Kenia, ein Gitarrist aus dem Kongo, ich und noch ein anderer aus Zimbabwe – wirkliche Künstler, die ihre Musik schon lange machen und zu diesem Projekt zusammen kommen. Wir spielen alle sehr unterschiedliche Instrumente aus Zimbabwe, dem Kongo, sprechende Trommeln etc. Der Bassist und ich sind normal in Insingizi, die beiden aus Burkina Faso haben ihr eigenes Projekt.

“Aber Zuhause ist Zuhause”

Und alle leben in Österreich?

Blessings Nqo: Ja, alle leben in verschiedenen österreichischen Städten, nur eine Musikerin lebt in Amsterdam. Für dieses Projekt kommen wir alle zusammen. Die Musik wurde von unterschiedlichen Kulturen beeinflusst, der Sound ist sehr einzigartig, gleichzeitig aber sehr, sehr neu.

Möchtest Du in Wien bleiben?
Blessings Nqo: Ich bin jetzt schon sehr lange hier. Vorher war ich in Graz, aber Wien ist einfach besser, um Kontakte zu knüpfen. Wien ist ein toller Platz. Österreich ist auch geografisch toll für uns, weil es so zentral gelegen ist, um Länder wie Deutschland, Italien, Slowenien und Ungarn etc. zu bereisen und dort zu spielen. Aber Zuhause ist Zuhause. Du kannst es sehr gut haben, zufrieden sein, aber eine Stimme tief in dir drinnen sagt dir trotzdem, dass du wieder nach Hause zurückkehren solltest.

Und wie oft fliegst Du in die Heimat?

Blessings Nqo: Ich würde gerne drei, vier Mal im Jahr, aber es geht sich meistens nur ein bis zwei Mal aus.

Um Freunde und Familie zu besuchen?
Blessings Nqo: Ja, aber auch um am Laufenden und mit meiner Kultur verbunden zu bleiben.
Wir wollen bald auch in Afrika touren. Bislang haben wir nur im Senegal und in Südafrika gespielt. In Europa haben wir schon in zwanzig Ländern gespielt.

Ist es schwerer oder leichter für euch, dort eine Tour zu organisieren?
Blessings Nqo: Das kommt ganz darauf an. Wenn wir alles selbst organisieren müssen, ist das kompliziert. Wenn wir eingeladen werden und die Organisation Leute vor Ort übernehmen, ist es leichter. Und mit den Black Messengers haben wir, da die Musiker aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern kommen, mehr Möglichkeiten…

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.

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