MWITA MATARO ist der Kopf der Indie-Band AT PAVILLON, die diesen Sommer ihr zweites Album namens „Personal Development Deals” via LAS VEGAS RECORDS veröffentlicht hat. Nach einem Gastauftritt für SIGRID HORN könnte demnächst auch eine solistische Karriere als Mundart-Singer/Songwriter folgen. Daneben setzt sich MWITA MATARO für mehr Vielfalt in der Indie-Szene ein und erzählt im mica-Interview, wie er Menschen mit Migrationshintergrund den Einstieg in die Szene erleichtert. Sei es durch seine Arbeit im Diversity-Beirat von WAVES VIENNA oder durch seine Co-Initiative für QMA on stage.
Was waren die Pläne für das neue Album? Sollte es sich in irgendeiner Weise von den anderen unterscheiden?
Mwita Mataro: Am Anfang hatten wir nicht die Intention ein Album zu gestalten. Wir wollten erstmal nur viel spielen. Deswegen haben wir auch diverse Showcase Festivals gespielt – ESNS, Reeperbahn etc. Im Zuge des Nasom Programmes sollten wir dann auch im Ausland touren. Ostafrika war unser großer Plan. Dieser Traum war zum Greifen nahe. Doch dann kam Corona und das Musikerdasein hat sich zwangsweise ins Studio verlegt. Die treibende Kraft für das zweite Album war dann unser Gitarrist Bernhard Melchart. Ich hab mich da voll mitziehen lassen. Klar, man hatte auf einmal viel Zeit und sich die Ideen immer hin und her geschickt. Ganz „modern“ musiziert. Bislang waren wir immer old school mit Gitarre im Proberaum. Es hat mir aber auch ein gewisses Feeling von Leichtigkeit vermittelt. Ich habe nämlich schon auch immer Respekt vor großen Herausforderungen und Zielen. Wäre mir damals gleich bewusst gewesen, dass wir ein Album machen, wär ich mit Sicherheit viel verkrampfter an die Sache rangegangen. Das Mindset macht für mich immer sehr viel aus. Nach einem Jahr haben wir alle 30-40 Demos bzw. Ideen an unser Label und an unseren Produzenten geschickt.
Aus dieser Playlist mit dem Titel „AP Corona Hits“ haben wir gemeinsam mit unserem Produzenten Roland Maurer dann fünf ausgesucht und mit der Produktion gestartet. Nachdem wir dann vom Musikfonds eine Förderung für ein Album bekommen haben, war die Entscheidung getroffen. [lacht]
Das klingt nach gelungener Zusammenarbeit. Bei „Ukulele Land” geht es inhaltlich ums auseinander Leben?
Mwita Mataro: Die Band gibt es ja schon ewig. Mit Berni zusammen, hab ich die Band 2010 als Schulband gegründet. Paul Ali kam dann gemeinsam mit Tobias Kobl (Anmerkung: 2020 ist Tobias von der Band ausgestiegen) 2014 dazu. Das Thema beinhaltet schon individuelle Entwicklungen innerhalb der Band.
Nachdem wir unser erstes langersehntes Debütalbum „Believe Us” rausgebracht hatten, stellte sich bei mir schon eine Nüchternheit ein. Ich war mir sicher, dass die Band ab dann meine Miete finanzieren wird. Berni und Paul waren so smart und haben ihre Ausbildungen/Studium beendet. Hatten also ein zweites Standbein. Ich war immer mehr so „Fuck it“. Ich möchte mich von der Außenwelt nicht dominieren lassen. Die Realität war dann durchaus herausfordernd für mich. Mir kam dann ganz unbewusst bei „Ukulele Land” die Zeile „time makes you move fast / time makes you move slow / time makes you forget what you owe“ in den Sinn. Das gehört aber dazu zum älter werden.
Du bist auch sehr aktivistisch tätig. Du hast mal gesagt, dass die mangelnde Sichtbarkeit von POC in der Musikszene nicht nur rassistisch Gründe haben könnte, sondern auch klassistische. Spielt da mangelnde Diversität bei Fördergebenden Instituten eine Rolle?
„Die Diversität wird jedenfalls nicht widergespiegelt in der Kunstszene.”
„Mwita Mataro: Alles hängt irgendwie zusammen. Das kann ich aber nicht konkret beurteilen. Die Diversität wird jedenfalls in der Kunstszene nicht widergespiegelt.
Ich bevorzuge persönlich Menschen, die “agieren” und nicht “sudern”. An dieser Stelle kann ich von meinem letzten Projekt erzählen. Das war zusammen mit QUESTION ME & ANSWER.
Das ist eine Initiative, die mehr Sichtbarkeit für Kunstschaffende mit Migrations- und Fluchterfahrung schaffen möchte.
Die Initiative hat vier Unterprojekte, von denen das bekannteste das QMA Artist Collective ist. Im Rahmen eines Open Calls werden jedes Jahr etwa 16 Künstler:innen zur Teilnahme ausgewählt. Die Hälfte von ihnen sind etablierte Künstler:innen in Wien, die andere Hälfte sind erst kürzlich als Geflüchtete oder Migrant:innen nach Wien gekommen.
Ziel von QMA Artist Collective ist es, dass sich die Künstler:innen austauschen und im Rahmen ihrer Zusammenarbeit eine Gruppenausstellung stattfindet.
2020 wurde ich gefragt, ob ich nicht dazu ein Pendant im Musikbereich entwerfen möchte. Das Ganze heißt QMA On Stage. Initiiert habe ich es damals als Showcase Event. Musiker:innen können Preise gewinnen, die das Ziel einer Vernetzung mit bereits etablierten Musikschaffenden haben sollen. Also habe ich bei den sogenannten „weißen Gatekeepern“ angeklopft und sie gebeten, bei dem Call mitzumachen. Die Preise waren beispielsweise eine Musikvideoproduktion von Rupert Höller oder eine Songwriting Session mit Florence Arman. Die Jury 2020 bestand aus Sophie Lindinger (u.a My Ugly Clementine, Leyya), Ilias Dahimène (Seayou Records, Problembär Records) und Dalia Ahmed (FM4).
War das eine einmalige Sache?
Mwita Mataro: Nein, das geht noch immer. Einmal im Jahr. Immer mit anderen Juroren und Jurorinnen.
Als ich das Projekt 2020 Jahr initiiert habe, gab es leider kein Live Event wegen Corona.
2021 hat uns Thomas Heher eine Bühne beim Waves Vienna gegeben, wo wir das Event stattfinden lassen konnten. Inzwischen ist QMA On Stage ja auch nicht mehr ein Live Event, sondern ab diesem Jahr eine Residency.
Das Ziel von QMA On Stage ist immer noch ganz klar, Musiker:innen in der Szene zu vernetzen.
„Ich bin kein rich kid, ich bin einfach nur naiv. Musik machen ist ein Traum von mir.”
Nochmal zu den Fördergebern und der Klassismus Kritik. Ein Festival Line-up ist in der Öffentlichkeit naturgemäß sehr exponiert. Sprich, mangelnde Diversität ist hier für alle auffällig. Wie sieht das deiner Meinung nach bei etwas „versteckteren“ Institutionen aus? Zum Beispiel bei Fördergebern?
Mwita Mataro: Ich kann da jetzt keine Fakten liefern. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Einreichung beim Musikfonds schon auch ein gewisses Geschick erfordert. Man muss Texte formulieren können. Die Kalkulation muss durchdacht sein. Da sind wir schon auch ein Stück weit privilegiert mit einem Akademiker in der Band. Dem schick ich einfach einen Haufen an Infos, die mir durch den Kopf gehen, und Paul formuliert mir die Essenz.
Ich glaube, dass der Zugang zur Kunst in Österreich für Menschen mit Migrationshintergrund sehr schwer ist, weil man erstmal sehr viel Zeit und Energie investieren muss, ohne die Gewissheit zu haben, dass sich das irgendwann auszahlt. Zumindest habe ich diese Erfahrung machen müssen. Ich bin kein rich kid, ich bin einfach nur naiv. Musik machen ist ein Traum von mir. Aber ich würde schon sagen, dass die großen Indie Labels schon auch gezielter nach diversen spannenden Acts suchen könnten.
WienXtra macht da mit ihren Projekten wie ACOUSTICCLUB, HEAST! HIP HOP OPEN STAGE, MAINSTAGE oder PODIUM.WIEN – MUSIKWETTBEWERB vorbildliche Arbeit. Bei diesen Events sind spannende Acts zu entdecken, die man auch aufbauen könnte. Wäre ich ein Label, würde ich schon schauen, wie ich meinen Katalog möglichst vielfältig gestalten könnte. Ich will jetzt aber nicht vorschreiben, was ein Label zu tun hat. Natürlich verlangt das zusätzliche Arbeit. Vorallem junge Musiker:innen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, haben noch keine professionellen Demofiles am Start. Die muss man halt oft erstmal mit Produzent:innen verknüpfen und schauen, was da in demjenigen steckt.
Im Diversity Rat beim Waves warst du auch. Wie sieht da deine Arbeit aus?
Mwita Mataro: Ja, es hat mich sehr gefreut, dass Thomas Heher 2022 an mich herangetreten ist.
Machst du das alleine?
Mwita Mataro: Nein, das war zusammen mit Kerosin95, Dalia Ahmed und Zuzana Ernst. Thomas Heher hat uns das Programm vom Waves 2022 vorgestellt und wir haben als Beirat Feedback zum Beispiel hinsichtlich Inklusion gegeben. Sprich, ob die Programme sowohl “auf” als auch “hinter der Bühne” strukturell bewusst durchdacht sind. Unsere Funktion im Beirat war sozusagen eine Art “think tank”.
Gibt es auch Institutionen/Dienstleister an die man sich wenden kann, wenn man seinen eigenen Betrieb quasi „Diversity proof“ machen möchte, und es einem vielleicht an Erfahrung fehlt?
Mwita Mataro: Das mica ist da auf jedenfall sehr fit und kooperativ. Eine gute Anlaufstelle, wenn dir Vielfalt und Diversität ein Anliegen in deiner Arbeit als Kunst und Kulturschaffende sind. Ansonsten hilft es sicher, wenn man beispielsweise Daliah Ahmed, Seba Kayan, Mirabella Paidamwoyo* Dziruni, Alexandra Stanic, Tonica Hunter, Asma Aiad, Anahita Neghabat uvm. auf Instagram folgt. Sie machen alle unglaublich tolle Arbeiten!
Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog D/Arts auch?
Mwita Mataro: Ja klar, die genauso!
Spiegelt sich dein Aktivismus in deinen Songtexten wider?
Mwita Mataro: Bei der zweiten Platte mit At Pavillon war ich schon sehr Ich-bezogen. Lag vielleicht auch an den Umständen der Pandemie. Bin aber auch froh, dass sich da jetzt kein plakativer Aktivismus rauszuhören ist. Ich möchte mich in der Musik auch nicht nur mit diesen Themen befassen. Sich einzuschränken, finde ich schade.
Vor kurzem bist du als Gastsänger bei Sigrid Horn in Erscheinung getreten? Das erste mal auf Deutsch und auch gleich in Mundart. Sind mehr Solo Veröffentlichungen geplant in Zukunft?
Mwita Mataro: Mit dem Lied “in deine augen” (VÖ:01.09.23) habe ich meine Debütsingle als Solokünstler gefeiert. Ich arbeite seit einem Jahr an deutschen Liedern und hab eigentlich niemanden davon erzählt. Zufälligerweise ist dann Sigrid Horn im Frühjahr 2023 an mich herangetreten, weil sie an ihrem Album „Paradies” arbeitete, dass sich mit dem Atomkraftwerk Zwentendorf befasst. Sie fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, für das Album ein Lied zu schreiben.
Da Sigrid Horn auf Mundart singt und die Geschichte Zwentendorf in Niederösterreich spielt, wäre Hochdeutsch für mich nicht die “richtige” Sprache gewesen, mich mit der Thematik zu befassen. Ich bin ja in Salzburg geboren und bin mit meiner Mutter, als ich 12 Jahre alt war, nach Wien gezogen. Hab somit bis zum zwölften Jahr Mundart gesprochen und musste mich dann dem Wiener Deutsch sozusagen assimilieren. [lacht]
Mundart war somit für “in deine augen” kein Neuland für mich und hat sich demnach beim Schreiben sehr natürlich angefühlt.
Das Album „Paradies” ist so aufgebaut, dass Sigrid mit mehreren Musiker:innen – Ina Regen, Ernst Molden, Yasmo, SarahBernhard, Anna Mabo, Julia Lacherstorfer und mir – gemeinsam ein Lied über das Atomkraftwerk Zwentendorf geschrieben hat. Unsere Single wurde am 01.09 veröffentlicht. Das Album erscheint dann am 3.11.
Vielen Dank für das Gespräch
Dominik Beyer
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Links:
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QMA on stage
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At Pavillon Live:
14.09.2023 Loftival @Loft (Wien)
22.09.2023 Indiverse 4.0 @Stadtwerkstatt (Linz)
21.10.2023 @Café Hildegard (Kirchdorf)