„Es ist ganz arg! Die für die Lehrpläne zuständigen Politiker sagen, für das Fortkommen und den wirtschaftlichen Wohlstand sei der Musikunterricht nicht notwendig. Die haben keine Ahnung! Und wenn es für sie selbst nicht notwendig ist, dann ist das traurig genug. Es geht darum, dass sie erkennen, welche Rechte Kinder haben. Man darf ihnen nicht vorenthalten, was sie haben müssen!“ (Harnoncourt, 2005)
Neben dem berühmten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt gibt es eine Vielzahl an Kunstschaffenden und WissenschaftlerInnen, die sich immer wieder zu Wort melden, wenn es um die Zukunft des Musikunterrichts in Österreich und die dazugehörige Ausbildung der Lehrkräfte geht. Sogar die Hirnforschung (Manfred Spitzer, Gerald Hüther, Wilfried Gruhn etc.) stellt einen neuen Verbündeten dar, wenn es um die Belange und die Legitimation des Musikunterrichts geht.
Ob die Neuerungen der Ausbildung der MusiklehrerInnen das Grundrecht auf musikalische Bildung, wie es Harnoncourt fordert, ermöglichen, soll hier aus der Perspektive der Ausbildung der Lehrkräfte beleuchtet werden.
Dazu sollen im folgenden Beitrag die Veränderungen im Bereich der Ausbildung der MusiklehrerInnen in Österreich im Zuge der neuesten Bildungsreform „PädagogInnenbildung NEU“ vorgestellt werden. Es folgt ein kurzer Blick in die Fachgeschichte des Musikunterrichts im öffentlichen Schulwesen und eine Beschreibung des bisherigen Ausbildungsschemas. Nach einer Darstellung der allgemeinen Ziele, die sich hinter dem Begriff „PädagogInnenbildung NEU“ verbergen, werden Neuerungen in der Ausbildung von Volksschul- und Sekundarstufenlehrkräfte im Bereich der Musikerziehung vorgestellt. Ein kurzes Fazit und ein Ausblick auf die zu erwartenden Konsequenzen sollen die Überlegungen beschließen.
Ein kurzer Blick in die Fachgeschichte des Musikunterrichts
Die Ausbildung von österreichischen MusiklehrerInnen hat bereits eine lange, turbulente Geschichte hinter sich. Ausgangspunkt war das frühe Mittelalter, als an Dom- und Klosterschulen erste Formen eines Gesangsunterrichts angeboten wurden, der naturgemäß immer im Zusammenhang mit der Kirche und dem Gottesdienst stand. Selbst die maria-theresianische Schulreform von 1774 integrierte den Musikunterricht als Gesangsunterricht weiterhin in den Religionsunterricht. Ein eigener Unterrichtsgegenstand „Singen“ wird 1855 in der Volksschule und 1928 in der Hauptschule eingeführt. So wurde in weiterer Folge dieses Fach auch Teil der Lehrerbildungsanstalten. In den 1960er-Jahren wurden diese von den Pädagogischen Akademien abgelöst und etwa zeitgleich wurde das Fach in „Musikerziehung“ unbenannt. An den Gymnasien wurde 1938 Musik zum Pflichtfach. Für die Ausbildung der Lehrenden in diesem Bereich war vorerst ein „Musikpädagogisches Seminar“ zuständig, das später von Abteilungen für Kirchen- und Schulmusik an den Musikhochschulen abgelöst wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden eigene Abteilungen und Institute für Musikpädagogik an den österreichischen Musikhochschulen gegründet, die einerseits für die Ausbildung von Instrumental- und GesangspädagogInnen und andererseits für das Lehramt an höheren Schulen (Gymnasium/berufsbildende höhere Schulen) ausbildeten. 2007 wurden die pädagogischen Akademien, die für die Ausbildung der Pflichtschullehrkräfte (Volksschule, Hauptschule) zuständig waren, zu pädagogischen Hochschulen umgewandelt und erhielten zur Lehre auch einen Forschungsauftrag. Hier zeichnete sich bereits eine Annäherung an die Universitäten und Kunsthochschulen ab, die einen Grundstein für die hier vorgestellte Reform darstellt.
Die bisherige Ausbildung der MusiklehrerInnen in Österreich
Volksschule
In Österreich werden Volkschullehrkräfte in einem GesamtlehrerInnensystem an den pädagogischen Hochschulen ausgebildet, das heißt, eine Lehrperson unterrichtet alle Fächer – so auch Musikerziehung. Die musikalische Eignung wird in einer gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsprüfung überprüft. Kritisch sollte hier jedoch angemerkt werden, dass diese Überprüfung nur einen kleinen Filter darstellt, da es sich ja nicht um ein Fachstudium handelt und sie nur einen kleinen Teil des gesamten Zulassungsverfahrens ausmacht. Das Studium dauert sechs Semester und schließt mit dem akademischen Grad „Bachelor of Education“ ab. Die Musikausbildung umfasst an den verschiedenen Standorten (acht öffentliche und fünf private kirchliche Hochschulen) unterschiedlich viele Lehrveranstaltungen, je nach Studienplan und jeweiliger Hochschule. Instrumentalunterricht ist ein fixer Bestandteil des Ausbildungsbereiches, die dazugehörigen Gruppengrößen divergieren je nach Standort.
Die Stundentafel der Volksschule sieht ein bis zwei Wochenstunden Musikerziehung vor. Neben einem eigenen Lehrplan für Musikerziehung gilt das Unterrichtsprinzip „Musikerziehung“, das heißt, auch andere Fachbereiche (Sachunterricht, Lesen etc.) sollen Musik als Medium der Vermittlung nutzen. In der schulischen Praxis hängt es naturgemäß von der Lehrkraft ab, inwiefern die Musikerziehung im Unterricht eine Rolle spielt oder gar zum ständigen Unterrichtsprinzip wird. Die Chance einer zentralen Stellung des Faches wäre durch das Unterrichtsprinzip gegeben, die Realität sieht jedoch sehr oft anders aus.
Hauptschule/Neue Mittelschule
Im Gegensatz zur Volksschule gibt es für den Musikunterricht an Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen eine Fachausbildung, die ebenso von den pädagogischen Hochschulen angeboten wird. Zum Zweitfach „Musik“ muss ein sogenanntes „Erstfach“ (Mathematik, Englisch, Deutsch) – früher gab es dafür auch den Begriff „Hauptfach“ – studiert werden. Für das Zweitfach „Musikerziehung“ ist ebenso eine Zulassungsprüfung vorgesehen. Der Umfang des Zweitfachstudiums und das Niveau der Zulassungsprüfung weichen stark von der Sekundarstufenausbildung der Musikuniversitäten ab, obwohl in der Sekundarstufe 1 (10 bis 14 Jahre) der gleiche Lehrplan für Hauptschulen/Neue Mittelschulen und Unterstufen der Gymnasien gilt.
Allgemeinbildende höhere Schulen/Gymnasien/berufsbildende höhere Schulen
Für diese Schultypen – im Bereich sowohl der Sekundarstufe I als auch der Sekundarstufe II – erfolgt die Ausbildung der MusiklehrerInnen in Österreich an den Musikuniversitäten (früher Musikhochschulen). In Österreich gibt es drei Musikuniversitäten: die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz und die Universität Mozarteum Salzburg mit einer Expositur in Innsbruck. Diese Kunstuniversitäten haben ihr Musikerziehungsstudium bereits größtenteils im Zuge des Bologna-Prozesses auf die Bachelor-Master-Struktur umgestellt. Für das gesamte Studium sind neun Semester mit anschließendem Unterrichtspraktikum (Dauer: ein Schuljahr) an einer Schule vorgesehen. Das Studium muss mit einem zweiten Lehramtsstudium oder mit dem Zweitfach „Instrumentalmusikerziehung“, das auch von den Kunstuniversitäten angeboten wird, kombiniert werden. Das Studium „Instrumentalmusikerziehung“ soll Lehrkräfte für Schulen mit verpflichtendem Instrumentalunterricht ausbilden: Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik, Oberstufenrealgymnasien (ORG) mit Instrumentalmusik, diverse Sonderformen mit musikalischem Schwerpunkt. Beide Studienangebote, „Musikerziehung“ und „Instrumentalmusikerziehung“, fordern eine umfangreiche anspruchsvolle Zulassungsprüfung im künstlerischen Bereich (Instrument, Gesang), in Musiktheorie (Gehörbildung, Musiklehre) und eine Prüfung der pädagogischen Eignung.
Leider gab es in den letzten Jahren sowohl in der Sekundarstufe I (Hauptschule/Neue Mittelschule/Gymnasium) als auch in der Sekundarstufe II (Oberstufe von Gymnasien, berufsbildende höhere Schulen) immer wieder Stundenkürzungen im Fach „Musikerziehung“ bzw. konnten Schulen autonom festlegen, ob sie die Mindeststundenanzahl oder die Höchststundenanzahl in diesem Fach anbieten wollen.
Erwähnenswert erscheint, dass es in Österreich auch zahlreiche Sonderformen gibt, bei denen ein umfassender Musikunterricht – teils mit Instrumentalunterricht – angeboten wird: Musikvolksschulen, Musikhauptschulen bzw. Neue Mittelschule mit musikalischem Schwerpunkt, Musikgymnasien in unterschiedlichen Formen.
Allgemeine Ziele der „PädagogInnenbildung NEU“
Der Gesetzesentwurf zur „PädagogInnenbildung NEU“ wurde am 12. Juni 2013 im Nationalrat beschlossen. Alle Studien, also auch im Bereich der Musikerziehung, sollten zukünftig eine einheitliche Bologna-gerechte Struktur aufweisen (Bachelor: vier Jahre; Master: 1–1,5 Jahre berufsbegleitend, ein- bis zweijährige Berufseinstiegsphase [Induktion]). Darüber hinaus sollen nun alle Lehramtsstudien ein Eignungsverfahren beinhalten. Quereinsteigende erhalten die Möglichkeit, Qualifikationen und Kompetenzen angerechnet zu bekommen. Folgende Ziele sollen durch das neue Ausbildungssystem erreicht werden (vgl. Bundesministerium für Bildung und Frauen):
- Qualitätssteigerung sowohl in der wissenschaftlich fundierten Theorie als auch in der schulischen Praxis
- Qualitätssicherung: Curricula werden von einem extra dafür installierten Qualitätssicherungsrat begutachtet.
- Kompetenzorientierung: pädagogische Kompetenzen, fachliche und didaktische Kompetenzen, inklusive und interkulturelle Kompetenzen, soziale Kompetenzen, Beratungskompetenz, Professionalitätsverständnis
- Mobilität, Internalisierung und Durchlässigkeit: Bologna-Struktur soll eine einfachere Anrechnung von Lehrveranstaltungen und Studienabschlüssen innerhalb derselben, aber auch zwischen verschiedenen Studienrichtungen ermöglichen.
- Gleichwertigkeit: Da die Ausbildung der Sekundarstufenlehrkräfte zukünftig als Kooperation zwischen pädagogischen Hochschulen und Kunstuniversitäten bzw. Universitäten angeboten werden soll, wird es zukünftig für die Sekundarstufe nur mehr einen LehrerInnentyp geben. Dies schafft eine Gleichwertigkeit der Ausbildungsinstitutionen und deren AbsolventInnen. Ein neues gemeinsames Dienstrecht für Lehrkräfte soll dafür ebenso eine Gleichstellung schaffen. Volksschullehrkräfte sollen durch die Ausdehnung des Studiums ebenso eine Gleichwertigkeit zu Sekundarstufenlehrkräften erfahren. Sie werden zukünftig auch ausschließlich an den pädagogischen Hochschulen ausgebildet.
- Steigerung der wissenschaftlichen Komponente und der forschungsbasierten Lehre an den pädagogischen Hochschulen und eine gleichzeitige Stärkung einer berufspraktischen Perspektive an den Kunstuniversitäten und Universitäten
- Fort- und Weiterbildung werden als Teil der Berufslaufbahn betrachtet. Sie unterstützen das lebenslange Lernen und die notwendige Professionalisierung über das Studium hinaus.
Veränderungen in der musikalischen Ausbildung von Primarstufenlehrkräften
Wie oben erwähnt wurde, werden Volksschul- bzw. Primarstufenlehrkräfte künftig nach wie vor an den pädagogischen Hochschulen ausgebildet, jedoch mit einer Ausweitung des Studiums auf die Bachelor-Master-Struktur. Statt der bis dato dreijährigen Studiendauer wird es nun fünf bis sechs Jahre bis zum Abschluss des Studiums dauern. Das GesamtlehrerInnensystem bleibt erhalten. Für die Entwicklung der neuen Studienpläne gab es folgende Vorgaben:
- allgemein bildungswissenschaftliche Grundlagen (60 ECTS-Punkte)
- Primarstufenpädagogik/-didaktik, dazu gehören neben all den anderen Fachbereichen (Lesen, Sachunterricht etc.) auch die Musikerziehung und die Instrumentalausbildung (120–130 ECTS-Punkte)
- pädagogisch-praktische Studien (40 ECTS-Punkte integriert in die einzelnen Fachbereiche)
- Schwerpunkt (mind. 60 ECTS-Punkte)
Die Anzahl der ECTS-Punkte für die Musikerziehung im Bereich der Primarstufenpädagogik/-didaktik in den neuen Studienplänen der verschiedenen Hochschulstandorte schwankt in Österreich zwischen sieben und 13. Dies stellt eine radikale Kürzung im Vergleich zu den Studienplänen in der dreijährigen Version dar. In diesen ECTS-Punkten ist die Instrumentalausbildung bereits enthalten. An einem Standort in Österreich soll die Instrumentalausbildung zukünftig nur alternativ mit dem Fachbereich „Rhythmik“ angeboten werden. Die Qualität des Musikunterrichts ohne eine solide Ausbildung am LehrerInneninstrument muss mehr als infrage gestellt werden. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren an den meisten Standorten ohnehin die Zahl der Gruppenteilnehmer im Instrumentalunterricht bis zur Grenze der Sinnhaftigkeit angehoben.
Im Bereich der Schwerpunkte können künftig auch musikalische Angebote von den Studierenden gewählt werden, was zumindest für einen Teil der Studierenden eine gewisse Entschädigung ist. Hier spannt sich der Bogen von „halben Schwerpunkten“ mit 30 ECTS-Punkten, welche sich ausschließlich der Musikerziehung widmen, bis hin zu interdisziplinären Angeboten wie beispielsweise „Ästhetisches Lernen“ an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig. Die Schwerpunkte bieten zwar einerseits die Chance einer Vertiefung, andererseits werden aber zukünftig auch Primarstufenlehrkräfte Musik unterrichten, die nur eine Grundausbildung – im schlimmsten Fall mit 7 ECTS-Punkten – genossen haben.
Veränderungen in der Ausbildung von MusiklehrerInnen im Bereich der Sekundarstufe
Die gesetzliche Regelung für die zukünftige Ausbildung der Sekundarstufenlehrkräfte gab folgende Rahmenbedingungen vor:
- Pädagogische Hochschulen dürfen die Ausbildung nur in Kooperation mit einer Universität bzw. im Fall der Musikerziehung mit einer Kunstuniversität anbieten. Die Universitäten/Kunstuniversitäten können die Ausbildung auch ohne Kooperation weiterhin anbieten.
- Die Grundlagen für die Entwicklung der neuen Curricula sind die Studienpläne der Universitäten bzw. Kunstuniversitäten.
- Die Vorgabe der Wahl eines Erstfaches (Schularbeitengegenstand Mathematik, Deutsch, Englisch) und Zweitfaches (bspw. Musikerziehung), wie es an den pädagogischen Hochschulen bis dato üblich war, fällt. Zukünftig wählen Studierende zwei gleichwertige Fächer aus dem vollen Angebot aller Lehramtsstudien.
- Bachelorstudium: 100 ECTS-Punkte pro Fach, Masterstudium: 60 ECTS-Punkte.
Dies bedeutet für die pädagogischen Hochschulen, die bis dato Musikerziehung als Zweitfach angeboten haben, eine enorme Aufwertung.
Alle tertiären Bildungseinrichtungen, die künftig gemeinsam ausbilden sollen, wurden zu Regionen, Clustern bzw. Verbünden zusammengefasst: Region West, Region Mitte, Region Nord-Ost und Region Südost.
Aus dem Blickwinkel von jemandem, der in der Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines neuen gemeinsamen Curriculums mitgearbeitet hat, ergibt sich eine Vielzahl von offenen Fragen bzw. Spannungsfeldern, die sich einerseits aus der Besonderheit des Faches ergeben und andererseits aus den Kulturen der einzelnen Häuser bzw. Institutionen:
- Grundsätzlich ist das Potenzial einer Musikuniversität mit jenem eines Musikfachbereiches innerhalb einer pädagogischen Hochschule, die alle Fächer anbietet, nicht zu vergleichen. Zentrale Frage muss daher sein, wie hier Synergieeffekte sinnvoll genützt werden können.
- Große Niveauunterschiede bei den Zulassungsprüfungen von pädagogischen Hochschulen und Musikuniversitäten – vor allem im Bereich des künstlerischen Hauptfaches und der Musiktheorie – erschweren das Projekt einer gemeinsamen Ausbildung.
- Die Studienanwärterzahlen an pädagogischen Hochschulen und Musikuniversitäten sind österreichweit sehr unterschiedlich. So können naturgemäß das Niveau und der Schwierigkeitsgrad der Zulassungsprüfung nur dann bestehen bleiben, wenn genügend Interessierte vorhanden sind. Es muss sichergestellt werden, dass zukünftig genügend Musikpädagoginnen und -pädagogen für alle Schultypen ausgebildet werden. Gerade der Musikunterricht, der immer mit Legitimationsproblemen kämpft, braucht gut ausgebildete Lehrkräfte. Sind keine Lehrkräfte für das Fach vorhanden, besteht sicherlich die Gefahr, dass das Fach weiter an den Rand des Bildungssystems gedrängt wird.
- Die zugrunde liegenden Studienpläne der Musikuniversitäten weisen eine hohe Anzahl an Stunden mit Einzelunterricht auf. Dies wirft für die pädagogischen Hochschulen zukünftig sowohl personelle als auch finanzielle (bis dato ungeklärte) Ressourcenfragen auf. Bei gleichbleibenden Ressourcen ist eine Kooperation mit den Kunstuniversitäten bzw. eine Umsetzung des Studienplanes der Kunstuniversitäten unmöglich.
- Fragen im Bereich des „Lehrendenpools“ sind teilweise noch ungeklärt: Welche Qualifikation ermächtigt zum Unterricht einer spezifischen Lehrveranstaltung?
- Entwicklung von Alternativen zum klassischen Instrumentalhauptfach (Beispiele: Ensemblespiel, Chorleitung, Instrumentalangebot aus dem Feld der Popularmusik) in Verbindung mit der grundsätzlichen Frage, ob es dafür genügend StudienanwärterInnen geben wird.
- Welche Institution bietet zukünftig welche Lehrveranstaltungen an?
- Wie kann das Masterstudium neben dem Berufseinstieg und dem Verfassen einer Masterarbeit bewältigt werden?
- Wie kann das Studienangebot gestaltet werden, sodass alle möglichen zukünftigen Berufsfelder in all ihrer Vielfalt bedient werden können: Musikgymnasium, NMS, Gymnasium, berufsbildende höhere Schule? Ziele und Bedürfnisse der einzelnen Schulen weichen naturgemäß stark voneinander ab. Der Musikunterricht an einer sogenannten „Brennpunktschule“ im Vergleich zu elitären Vorzeige- und Eliteschulen, wie dies oft bei Musikgymnasien der Fall ist, lässt doch Welten aufeinanderprallen.
Fazit und Ausblick
Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass auch in dieser Reform nur strukturelle Veränderungen zu verorten sind. Eine inhaltliche Diskussion findet nicht statt. Auf vergleichbare Weise kritisierte Maria Spychiger die zu geringe Treatment-Spezifizierung bei der viel zitierten Bastian-Studie zu Langzeitwirkungen von erweitertem Musikunterricht: „Entsprechend ist zu erwarten, dass unterschiedlicher Musikunterricht Unterschiedliches bewirkt, bzw. die außermusikalischen Wirkungen spezifisch sind.“ (Spychiger, 2001, 25)
Neben einer fehlenden inhaltlichen Diskussion muss auch hinterfragt werden, ob gerade künstlerisch-kreative Fächer messbar, vergleichbar und durchgehend kompetenzorientiert vermittelt werden können, wie es das Konzept vorsieht. Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann warnt diesbezüglich vor einem falschen Bildungsbegriff: „Kompetenzorientierung, Praxisnähe, Modularisierungen, Qualifikationsprofile, employability, Wettbewerbsvorteil, Kostenneutralität: Die Schlagworte aktueller Bildungspolitik markieren nicht nur neue Moden, sie signalisieren auch einen gravierenden Bruch mit den Idealen klassischer Bildungskonzeptionen.“ (Liessmann, 2014, 28)
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Grundausbildung in der Primarstufe einen vielschichtigen qualitätsvollen Musikunterricht nicht möglich macht und weitere Qualitätseinbußen zu befürchten sind. Der Lehrplan, der als gesetzliche Grundlage betrachtet werden muss, kann in der derzeit geltenden Fassung von derart ausgebildeten Musikpädagoginnen und -pädagogen sicher nicht umgesetzt werden. Naturgemäß ist der Musikunterricht – und im Besonderen das Singen – besonders in der Primarstufe ein wesentlicher Teil der musikalischen Sozialisation von Kindern. Fehlt dieser Grundstein, leiden alle darauf aufbauenden Bildungsbereiche. Die AGMÖ (Arbeitsgemeinschaft der Musikerzieher Österreichs) setzt sich daher vehement für eine zusätzliche Fachlehrerin bzw. einen zusätzlichen Fachlehrer für den Musikunterricht an Volksschulen ein. Dazu gab es im März dieses Jahres auch einen Aktionstag der AGMÖ, der sich mit den Änderungen im Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften durch die „PädagogInnenbildung NEU“ ergeben.
Die gemeinsame Ausbildung der Sekundarstufenlehrkräfte für Musikerziehung stellt einerseits eine große Chance dar (Synergien zwischen pädagogischen Hochschulen und Musikuniversitäten), andererseits gibt es dazu, wie oben beschrieben wurde, noch eine Vielzahl an Problemfeldern, für die es Lösungen zu finden gilt.
Ein zusätzliches FachlehrerInnensystem in der Primarstufe in Kombination mit einer gelungenen Kooperation zwischen pädagogischen Hochschulen und Musikuniversitäten würde in Kombination mit einer entsprechenden Anzahl an Wochenstunden für das Fach Musikerziehung das von Harnoncourt geforderte „Grundrecht“ an musikalischer Bildung ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch seitens der Politik Gehör findet.
Literatur
Bundesministerium für Bildung und Frauen.
Harnoncourt, Nikolaus (2005): Menschenrecht Klangerfahrung.
Liessmann, Konrad Paul (2014): Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift. Wien: Zsolnay.
Spychiger, Maria (2001): Was bewirkt Musik? In: Macht Musik wirklich klüger? Musikalisches Lernen und Transfereffekte. Augsburg: Wißner.
Zum Autor: H-Prof. Dr. Fritz Höfer lehrt Musikpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Salzburg. Er studierte Musikpädagogik, Psychologie, Pädagogik und Philosophie sowie Instrumentalmusikerziehung. 2008 promovierte er an der Universität Mozarteum Salzburg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen “Digitale Medien im Musikunterricht”, “Popularmusik” und “Klassenmusizieren”, zu denen er auch zahlreiche Publikationen veröffentlicht hat. Darüber hinaus ist er international in der LehrerInnenfortbildung tätig, hält zahlreiche Vorträge und tritt regelmäßig als Pianist und Keyboarder in verschiedenen Formationen auf.
Die Diskussions-, Vortrags- und Artikelreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.