Als Umstieg von einem großen, wunderbaren Tanker auf ein wendiges Segelschiff beschreibt Monika Jeschko ihren Wechsel von der erfolgreichen Leitung der Kinder- und Jugendabteilung des Wiener Konzerthauses hin zur Selbständigkeit mit dem Verein Kultur für Kinder. Was Sie antreibt und mit welchen musikvermittelnden Projekten sie die Bugwelle ihrer neuen Flotte vergrößern möchte, bespricht sie im Interview mit Barbara Semmler.
Liebe Frau Jeschko, warum vermitteln Sie Musik?
Monika Jeschko: Ich bin überzeugt davon, dass jeder Mensch seine „eigene Melodie“ in sich trägt. Menschen, vor allem Kindern dabei zu helfen, den Zauber ihrer eigenen Töne zu erfahren und sie mit Hilfe der Musik dorthin zu führen, gehört für mich zu einer der schönsten Lebensaufgaben, die ich verwirklichen durfte. Menschen in all ihren Herausforderungen unserer Zeit zu begreifen und als Musikvermittlerin Brücken zu den „schönen Stellen“ der Meisterwerke unserer Musik zu schlagen, ist dabei ein ebenso großes Anliegen wie gemeinsam mit einem Team von wunderbaren Musikerinnen und Musikern besondere Momente des Miteinanders durch Musik zu kreieren.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie als Musikvermittlerin in der österreichischen Kulturlandschaft konfrontiert? Wenn Sie einen Wunsch an die Fee, die für Kulturpolitik zuständig ist, frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Monika Jeschko: Es ist seit jeher der „gute Lehrer“, der die Samen einer blühenden Gesellschaft setzt. Um die Teilnahme und Mitgestaltung am kulturellen Leben für viele Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, braucht es die Selbstverständlichkeit – das ist mein Wunsch an die Fee –, dass Institutionen und Vereine, die Vermittlungsarbeit meist kostenlos leisten, viel intensiver unterstützt werden. Das Projekt „Kulturschultüte“ des Vereins Kultur für Kinder schenkt Volksschulkindern jedes Jahr ein kulturelles Projekt und versucht unseren Lehrerinnen und Lehrern jede Hilfestellung zu geben, sodass Singen, Musizieren, Theaterspielen und Zeichnen wieder eine Selbstverständlichkeit im Unterricht für alle Kinder werden darf. Ebenso ermöglicht es den kostenlosen Zugang zu unseren kulturellen Einrichtungen. Dabei geht es nicht darum, Tausende von MusikerInnen, SchriftstellerInnen, MalerInnen auszubilden, sondern darum, durch Kunst und Kultur die Kinder an ihre eigene kreative Schönheit heranzuführen und hoffentlich für ein friedliches Miteinander in allen Bereichen unserer Gesellschaft zu stärken.
Welchen besonderen Möglichkeiten und Herausforderungen begegneten Sie in den Jahren Ihrer leitenden Position als Musikvermittlerin in einer Institution und welche Erfahrungen machen Sie im Gegenzug nun in Ihrer selbständigen Tätigkeit als Veranstalterin?
Monika Jeschko: Zu einer meiner größten Freuden gehörte die Öffnung des Wiener Konzerthauses für Kinder, LehrerInnen und Familien (ca. 12.000 Personen pro Jahr, davon 8.000 Kinder), die zuvor noch nie oder ganz selten das Haus besucht hatten und durch partizipative Konzertformate und wöchentliche Workshops während des ganzen Jahres in ihren Schulen unsere Institution zu ihrem „musikalischen Zuhause“ gemacht haben. Die größte Herausforderung war der Anfang und trotz großer Skepsis die Spur zu halten und unbeirrt die neuen Formate zu installieren. Nach den ersten Erfolgen war es dann aber umso schöner, sie mit meinen wunderbaren KollegInnen in den folgenden Jahren in großem Stil umsetzen zu dürfen.
Die Selbstständigkeit möchte ich mit einem Bild vergleichen. Ich bin von einem großen, wunderbaren Tanker auf ein wendiges Segelschiff umgestiegen, mit dem ich schneller dorthin, wo ich es für nötig halte, kommen kann. Der Verein Kultur für Kinder wurde im September 2015 gegründet und wir dürfen 1.200 Kinder und ihre Lehrerinnen in unserem Projekt betreuen – für die Bugwelle eines Konzerthauses muss ich die Flotte aber noch ordentlich erweitern.
Haben Sie ein “Lieblingsprojekt”, das Sie gerne erneut durchführen möchten? Was zeichnet es aus und was wären optimale Voraussetzungen, um das Projekt wieder aus der Schublade zu holen?
Monika Jeschko: Mein „Lieblingsprojekt“ – Kinder und Menschen zum Singen zu bringen und mit ihnen musikalisch in verschiedene Kulturen einzutauchen, darf ich in unseren vielen „Sing-Along“-Konzerten stetig umsetzen. Aber ich würde es statt 5.000 Kindern pro Jahr gerne all unseren 60.000 Volksschulkindern, ihren LehrerInnen und Familien ermöglichen – dazu bräuchte ich aber wesentlich mehr Mittel für die Liederbücher und Musikerinnen und Musiker. Genau in diese Richtung arbeite ich derzeit.
Gibt es etwas, das Sie jungen MusikvermittlerInnen, die gerade eine Ausbildung in diesem Bereich absolvieren oder am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit auf den Weg geben könnten?
Monika Jeschko: Sie können etwas besonders gut, seien Sie sich dessen bewusst! Und bleiben Sie trotz größter Exzellenz am Instrument immer nah an den Bedürfnissen der Menschen unserer Zeit. Meine erfolgreichsten Projekte waren jene, die in tiefer Wertschätzung gerade diesen Bedürfnissen gegenüber entstanden sind.
Und zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Stück/Song begeistert/berührt Sie gerade?
Monika Jeschko: Das ist ganz schwer zu beantworten, da es immer so viele sind!
J. S. Bachs „Jesu bleibet meine Freude“ und der mehrstimmige Jodler „Hätiri“ aus dem Salzkammergut. Ich bin in beiden sehr zu Hause – sie sind meine Wurzeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Nach Abschluss des Studiums der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien war Monika Jeschko zunächst vorrangig in internationalen Bank- und Handelsunternehmen im Bereich Projektmanagement und Marketing in Hamburg, New York und Wien tätig. Zutiefst mit Musik verbunden, trat sie vor neun Jahren in die Wiener Konzerthausgesellschaft ein, um eine Musikvermittlungs-Abteilung aufzubauen. Als Leiterin der Kinder- und Jugendabteilung des Wiener Konzerthaus installierte sie 2007 das Musikvermittlungsprojekt UNISONO. Ziel aller UNISONO Projekte, die von Beginn an unter der Schirmherrschaft der österreichischen UNESCO-Kommission stehen, war und ist es, Kinder, junge Menschen, ihre LehrerInnen und Familien zu inspirieren, Musik für sich selbst zu entdecken und vor allem aktiv Musik zu machen. Im September 2015 gründete sie den Verein Kultur für Kinder um mit dem Projekt „Kulturschultüte“ das Anrecht jedes Kindes auf Teilnahme am kulturellen Leben zu ermöglichen und vor allem ihre Freude daran zu wecken. Sie selbst ist glückliche Mutter von zwei Söhnen.
Foto Monika Jeschko: (c) privat