„Es ist keine Petitess, dass weiterhin Werke von Komponistinnen im Konzert- und Lehrbetrieb unterrepräsentiert sind.“ An den Musikuniversitäten beginnt langsam ein Umdenkprozess. Das Standardrepertoire aus barocker, klassischer und romantischer Musik bietet in Punkto Komponistinnen eine verhältnismäßig geringe Ausbeute. Der Grund ist hier am ehesten in den Rollenbildern vergangener Jahrhunderte zu sehen. Das Geschlechterverhältnis scheint aber in der Musik heute noch immer nicht wirklich ausgewogen zu sein.
Können Sie fünf Werke für Ihr Instrument von Komponistinnen aufzählen? Wenn nicht, sind Sie hier genau richtig!
Da Musikwerke am ehesten präsent sind, wenn Sie erklingen, führt die Unterrepräsentation von Komponistinnen im Konzertbetrieb zu keiner Verbesserung der Situation. Damit sich das ändert, wird dieses Thema hier, nach einer Recherche mithilfe des „Lexikons Musik und Gender“, von der praktischen Seite her angegangen. Das Genderprojekt „Holz-Blech-Schlag“ der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien verbindet Blas- und Schlaginstrumentenklassen mit den Kompositionsklassen und soll einen für Genderfragen sensibilisierenden Bewusstmachungsprozess einleiten.
Ausgangsidee war, für einen Workshop der Klarinettenklassen auch einmal eine international renommierte Dozententin zu engagieren. Bisher wurden für solche Workshops an der mdw immer „nur“ Dozenten engagiert und mit der Klarinettistin Sharon Kam konnte für 2013 eine hervorragende Instrumentalistin gewonnen werden. Es war bald klar, dass für das Genderprojekt zusätzlich auch Kompositionsaufträge an Komponistinnen vergeben werden sollen, damit für das Abschlusskonzert eine „gendergerecht“ ausgewogene Programmgestaltung gewährleistet werden kann. So wurde beschlossen, dafür sieben Kompositionsaufträge zu erteilen. Die Besetzung der neuen Stücke reicht von Solo bis zum Klarinettenseptett. Die Stücke werden von ausgewählten Kompositions-Studentinnen und Absolventinnen des Instituts für Komposition und Elektroakustik (Institut 1) der mdw in einem Klima der gegenseitigen Inspiration zwischen InterpretInnen und Komponistinnen geschrieben. Ein Projektziel ist u.a. gegenseitiges Kennenlernen und Zusammenarbeit der Lehrenden und Studierenden der am Projekt beteiligten drei mdw-Institute. Die neu komponierten Stücke für Klarinette werden von den InterpretInnen erarbeitet, im Unterricht beim Hauptfachlehrer vertieft und bei dem zweitägigen Workshop (Meisterinnenkurs) mit Sharon Kam nochmals durchgenommen. Am Abend des zweiten Workshop-Tages findet ein Konzert statt, bei dem die Neukompositionen uraufgeführt werden. Zusätzlich zu diesen neuen Kompositionen werden am Abend des 10. Aprils 2013 auch ausgewählte Stücke aus dem gängigen Klarinettenrepertoire zu hören sein. Im Rahmen des Abschlusskonzerts hat auch die Dozentin die Möglichkeit, sich als Musikerin auf der Bühne zu präsentieren und gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden der mdw zu musizieren. Moderiert wird dieses Konzert von der Vizerektorin für Lehre und Frauenförderung – Mag.a Ulrike Sych.
Das Gender-Projekt „Holz-Blech-Schlag“ ist für drei Jahre anberaumt. Im ersten Jahr (2013) steht die Klarinette, 2014 die Trompete und im Jahr 2015 das Schlagwerk im Zentrum.
Es geht nicht nur darum, Studierende sondern auch Lehrende an der mdw für Gender-Fragen in der Musik zu sensibilisieren, ihnen durch konkretes „Tun“ vor Augen zu führen, dass da noch einiges gemacht werden könnte. In den für die Workshops geplanten Fächern – Klarinette, Trompete und Schlagwerk – unterrichten derzeit an der mdw „nur“ Männer. Es geht auch darum zu zeigen, was Musikerinnen können und wie erfolgreich sie sein können, um der traditionellen Meinung, „Blasinstrumente als „männlich“ bzw. als „unweiblich“ zu konnotieren“ etwas entgegenzusetzen. Dasselbe gilt für Schlagzeugerinnen. Im 19. Jh. hatten sich Frauen “auf das Wirken im privaten Raum, also im trauten Heim, zu konzentrieren: Hausarbeit und Kinder galten als weibliche Domänen. Kein Klima, in dem Komponistinnen gedeihen konnten. Nur wenige Frauen schlugen diesen Weg ein. Sie mussten oft Zugeständnisse an die herrschende Meinung machen und beschränkten ihren Radius zumeist auf Hausmusik, halböffentliche Aufführungen. Wer nach dem Warum fragt, findet Antworten in den gesellschaftlichen und ästhetischen Konzepten.“ Starre Geschlechterrollen-konzepte blockierten Komponistinnen in ihrer Arbeit und wirken bis heute nach. Trotz 220 Jahre frauenpolitischer Forderungen (1791 Olympe des Gouges, Die Rechte der Frau), in denen vieles erstritten wurde, ist in einzelnen Bereichen noch immer eine starke Dysbalance der Geschlechter zu spüren.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema „Gender und Musik“ im zentralen künstlerischen Fach, soll sich in den Köpfen der Studierenden und Lehrenden mehr Bewusstsein für diese wichtige Thematik entwickeln und „reifen“ können.
Apropos Nachhaltigkeit:
Darüber hinaus wird nach dem Workshop ein Heft mit den von den Komponistinnen erstellten Stücken im Verlag Doblinger erscheinen und damit auch Literatur für Konzerte, Wettbewerbe, Prüfungen und Klassenabende zur Verfügung stehen. Dies ist in einer solchen Form beinahe einzigartig, da bis dato für Klarinette oder Ensemble mit Klarinetten kaum Stücke von Komponistinnen bekannt sind.
Besetzungen der Kompositionsaufträge, Komponistinnen, Klassen
- Solo für B-Klarinette – Klasse E. Ottensamer, Komponistin: Qin Huang
- Solo für B-Klarinette – Klasse H. Hindler, Komponistin: Agnieszka Maria Bialek
- Duo für B-Klarinette und Bassklarinette – Klasse W. Kornberger, Komponistin: Natalia Villanueva Garcia
- Trio für B-Klarinette, Bassetthorn in F und Bassklarinette – Klasse H. Hindler, Komponistin: Hannah Eisendle
- Trio für B-Klarinette, Bassetthorn in F und Klavier – Klasse R. Fankhauser, Komponistin: Lana Janjanin
- Quartett für 2 B-Klarinetten, Alt Klarinette in Es und Bassklarinette – Klasse R. Fankhauser Komponistin: Nelly LiPuma
- Septett für 6 B-Klarinetten und Bassklarinette – Klasse A. Neubauer, Komponistin: Viola Falb
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