Als Katalysator der zeitgenössischen musikalischen Kunst Österreichs fungiert das musikprotokoll des ORF im steirischen herbst hierzulande eindeutig am längsten – seit über 40 Jahren. Ausgerichtet wird es auch heuer wieder gemeinsam von Christian Scheib und Susanna Niedermayr. Es startet morgen, Donnerstag im Dom im Berg mit dem internationalen Performance-Spezialprojekt “Touch this Sound!”, das bis Sonntag mit mehreren Events aufwartet. Die Neue Musik beginnt am Freitag in der Helmut- List Halle mit Konzerten mit dem Klangforum Wien und dem ensemble recherche, am Sonntag spielt das RSO Wien unter Peter Eötvös. Solo-Performances geben weiters Marino Formenti (Klavier), Uli Fussenegger (Kontrabass) sowie Franz Hautzinger (Trompete).
Und das sind allein die Namen der Komponistinnen und Komponisten, von denen Uraufführungen zu erwarten sind.1. Akt am Freitag (Abime – Abgrund und Aufbruch): “Miteinander konfrontiert”, liest man auf der Website des Musikprotokolls “werden Werke aus aller Welt und Komponisten mit langjähriger Verbindung zu Österreich, wie dem wieder hier lebenden Johannes Maria Staud, der nicht zum ersten Mal beim musikprotokoll präsenten Britin Rebecca Saunders, dem Spanier Mauricio Sotelo, der lange in Wien gelebt hat, und dem Kolumbianer German Toro-Perez, der dort noch immer aktiv ist.” Von dem Kubaner José Manuel Lopez, der seit 1991 in den Oberkärntner Bergen zu Hause ist, hören wir zudem zwei Werke, “Gonzales the Earth Eater” (1996) und “African Wind” (1998).
Erstmals in seiner Geschichte hat das RSO Wien einen Ersten Gastdirigenten engagiert – “selbstverständlich ist es einer der wichtigsten Experten für das Repertoire der Gegenwart: Symbolträchtig beginnt Peter Eötvös [am Samstag] sein Engagement beim ORF Radio-Symphonieorchester. Um die herausragende künstlerische Energie dieses besonderen Klangkörpers weiß auch die jüngere Komponistengeneration – Bernhard Gander benennt dies in seinem neuen Stück für das RSO gleich im Titel: Lovely Monster.” Das Auftragswerk von Olga Neuwirth heißt “Remnants of Song … an Amphigory” und ist ein Stück mit Bratschensolo, Solist: Jungstar Antoine Tamestit (F).
Ebenfalls neue Arbeiten kommen von der Britin Rebecca Saunders und dem Deutschen Matthias Pintscher (“Sopranistin Marisol Montalvo verwandelt sich in Herodiade, die im Dialog mit ihrem Spiegelbild in die Abgründe ihres Begehrens blickt.”)
Bernhard Lang wird demnächst (auch noch) Erste Bank-Kompositionspreisträger. Er steuert bei den Minoriten die Installation Seven Last Words bei: “Mitternacht, Samstag, im Kreuzgang der Minoriten am Mariahilferplatz: Klavierklänge eines Werks über ,Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz’ – Musik von Joseph Haydn im Haydn-Jahr. Musik, die aber auch – zumindest in der von Marino Formenti gespielten Fassung für Klavier – im Gestus an Morton Feldman erinnert. Wie ein fotografisches Negativ dazu verhalten sich Bernhard Langs ,Seven Last Words’, die sich direkt auf Haydn beziehen: Aus dem Sich-Versenken wird ein Sich-Erheben, aus der Frömmigkeit wird Aufbegehren, aber es bleibt das gleiche Bild von musikalischer Intensität, von letztlich metaphysischer Herausforderung.” Bernhard Lang dazu: Sieben Letzte Worte ist ein Werkzyklus, der in Überschreibung des Haydnschen Originaltextes entsteht. Der Klavierzyklus Monadologie V wendet das monadologische Verfahren unter Verwendung zellulärer Transformationen und Granulierungen auf eben diesen Text an.
Solisten-Recitals von Uli Fussenegger, Franz Hautzinger und anderen erforschen subtile Klangregionen und vervollständigen das heurige musikprotokoll-Puzzle aus großer Form, intermedialen Experimenten und präziser Kammermusik.
Touch the Sound
Das ist die zweite, komplementäre Schiene, ein Projekt des ECAS/ICAS-Festivalnetzwerkes der European und International Cities of Advanced Sound, und wird für das musikprotokoll kuratiert von Susanna Niedermayr. Sie schreibt dazu: “Was ist hinter der Bühne, der Kunst, die wir hören und sehen? Wer produziert diese Kunst unter welchen Bedingungen und wer hilft dabei mit? Diese und artverwandte Fragen standen im Zentrum des diesjährigen Berliner Festivals Club Transmediale, (.) dessen Clubkultur im Zuge der digitalen Revolution mit ihren diversen elektronischen Musikspielformen entstanden war. Die stetig anwachsende Schar an die neuen Medien kreativ nutzenden Künstlerinnen und Künstler suchte nach Plattformen, die es ihnen ermöglichte ihre Arbeiten zu produzieren und zu präsentieren (.), im Rahmen einer Kultur, die anstatt den Wettkampf zu forcieren, auf Zusammenarbeit setzte. Stichworte: Open Source, neue Lizenzmodelle, soziale Netzwerke.
Seit zwei Jahren wird nun am Aufbau des Festivalnetzwerkes ECAS/ICAS der European und International Cities of Advanced Sound gearbeitet, zu dem sich mittlerweile bereits rund 25 Festivals zusammengeschlossen haben. Structures. Backing up independent audiovisual cultures eben. Im Herbst 2009 stellt sich ECAS/ICAS mit geballter Energie der breiten Öffentlichkeit vor. Und das Projekt Touch this Sound! vom Den Haager TodaysArt Festival, dem Club Transmediale und dem Grazer musikprotokoll im steirischen herbst ist dabei einer der ersten gemeinsam entwickelten Programmschwerpunkte.” (Susanna Niedermayr).
Künstler und Gruppen (siehe auch Bios auf der Website) sind u. a. Pure (A/D) / Erich Berger (AFIN) Terminalbeach, Heart Chamber Orchestra, Lucky Dragons (US), Juste Janulyte / Dovydas Klimavicius (LT), Jacob Kirkegaard (DK). (Website Musikprotokoll / rö):
Und für alle, die daheim bleiben wollen oder müssen
Das musikprotokoll 2009 in Radio Ö1:
Mi., 7.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton
Zeit-Ton Magazin. Rückblick, Vorschau und aktuelle CDs.
Mit einer Vorschau auf das musikprotokoll im steirischen herbst. Gestaltung: Susanna Niedermayr
Fr., 9.10. | 19.30 Uhr | Ö1 Aus dem Konzertsaal (live)
Der Inbegriff eines klassischen musikprotokoll-Abends des Aufbruchs in die Moderne, interpretiert von den Meistern des Fachs dem Klangforum Wien. Gestaltung: Ursula Strubinsky
So., 11.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Kunstradio (live)
on-line : on-air : on-site
Für sein Projekt Labyrinthitis hat Jacob Kirkegaard im Wortsinn seine Ohren nach innen gerichtet und eine interaktive Sound Installation aus Klängen geschaffen. Gestaltung: Susanna Niedermayr
Mo., 12.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton
musikprotokoll 09. ensemble recherche
Werke von Musikschaffenden aus Spanien und England präsentiert das ensemble recherche bei seinem Konzert am 9. Oktober in der Grazer Helmut-List-Halle: so u. a. eine neue Komposition der Britin Rebecca Saunders. Gestaltung: Lothar Knessl
Di., 13.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton
musikprotokoll 09. Seven last words
Wie ein fotografisches Negativ zu Joseph Haydns Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz verhalten sich Bernhard Langs Seven Last Words. Diese Musik bezieht sich nämlich direkt auf Haydn: Aus dem Sich-Versenken wird ein Sich- Erheben, aus der Frömmigkeit wird Aufbegehren, aber es bleibt das gleiche Bild von musikalischer Intensität, von letztlich metaphysischer Herausforderung. Gestaltung: Ursula Strubinsky
Do., 15.10. | 23.05 Uhr | Ö1 Zeit-Ton
musikprotokoll 09. Touch this Sound!
Im Rahmen des Programmschwerpunktes “Touch this Sound!”, präsentiert das musikprotokoll Musik zum – beinahe – anfassen. Mit Ausschnitten aus u.a. dem Heart Chamber Orchestra von Terminalbeach, der Performance Make a Baby von den Lucky Dragons und der Konzertinstallation Breathing Music von Juste Janulyte, gemeinsam mit Dovydas Kli mavi c?i us. Gestaltung: Susanna Niedermayr