In der Serie „Musikleben mit Kindern“ geht mica – music austria der Frage nach, wie es professionellen Musiker*innen geht, wenn sie Kinder haben. Im siebenten Teil unserer Serie gibt uns die Sängerin, Songwriterin, Producerin und Gründerin des FLINTA* Labels „Beatzarilla“ NINA BRAITH (INANA, Beat Poetry Club) Einblicke in ihren Berufsalltag mit Kind: Wie geht sie mit der zeitlichen Einschränkung um und wie wirkt sich diese auf die Auswahl ihrer Projekte aus? Wann hätte sie sich einen Rückzugsraum um Backstage-Bereich gewünscht? Warum machen extra Reisespesen für Babysitter*innen einen Unterschied und warum sind genau diese Fragen auch gesellschaftspolitisch relevant?
Was hat sich für dich verändert, seitdem du Mutter geworden bist?
Nina Braith: Sehr viel! Als frisch gebackene Mama konnte ich es mir auf einmal gar nicht mehr vorstellen, jemals wieder Musikerin bzw. Künstlerin zu sein. Dieses Gefühl hat einige Monate angehalten und wurde wieder leiser, je eigenständiger mein Kind wurde. Heute – zwei Jahre später – hat noch immer alles, was ich mache, auch Auswirkungen auf mein Kind bzw. meine Familie. Das verändert natürlich sehr viel am „freien“ Musiker*innen-Dasein. Meine Zeit ist viel kostbarer geworden. Ich kann Projekte nur noch zusagen, wenn ich wirklich weiß, dass ich die energetischen Kapazitäten dazu habe – das muss ich dann auch mit meinem Partner besprechen und im gemeinsamen Kalender vermerken. Wir sind beide selbständige Musiker*innen, was Vor- und Nachteile hat. Ein Vorteil ist, dass Zeit flexibel eingeteilt werden kann. Ein Nachteil ist, dass sich Konzerttermine oft überschneiden und ein*e externe*r Babysitter*in benötigt wird oder eine*r auf den Konzerttermin verzichten muss. Damit fehlt natürlich auch eine Einnahmequelle.
Ich empfinde diese zeitliche Einschränkung aber auch nicht immer nur als Nachteil. Die wenige Zeit, die ich für Projekte zur Verfügung habe, wird effektiver genutzt, und ich sage auch nur noch Dinge zu, auf die ich entweder total Bock habe oder die sehr gut bezahlt sind.
Werden Mütter in der Musikszene anders behandelt als Väter?
Nina Braith: Ja. Als frische Mama ist das Touren und Gigs Spielen einfach viel schwieriger als für Papa. Natürlich sollten im besten Fall beide Elternteile die ersten Monate so viel wie möglich mit dem Kind sein. Aber wenn der Papa einen Gig hat, kann jemand anderer leichter einspringen, um die Mama zu Hause zu unterstützen. Mütter müssen, wenn sie nicht abstillen wollen, die ersten Monate immer mit Baby und Babysitter auf Tour sein, da führt kein Weg dran vorbei. Und dann stellt sich die Frage: Wer übernimmt die Reisekosten für die*den Babysitter*in?
Auf Tour mit (kleinen) Kindern? Abends im Konzert und Kinderbetreuung?
Nina Braith: Ich habe diesbezüglich sehr viel Erfahrung gesammelt. Sowohl persönlich als auch in meiner Band, mit der wir fast zwei Jahre lang mit dem Baby bzw. Kleinkind meiner Kollegin getourt sind. Ich finde es kommt stark auf das Baby an, man kann nichts pauschal sagen. Manche Babys sind einfach „pflegeleichter“ und schlafen besser, kommen mit örtlichen Veränderungen besser klar als andere. Oft stellt sich frau vor der Geburt etwas vor und danach ist alles ganz anders. Ich etwa bin rückblickend eher froh, dass wir mitten in der Corona-Krise waren, als unser Sohn auf die Welt kam, und somit nicht so viele Konzerte stattfanden. Was ich sehr schwierig fand, war, dass es kaum bis nie im Backstage-Bereich die Möglichkeit gab, einen extra Raum für Mama, Babysitter*in und Baby zu haben. Es war mir oft unangenehm, dass meine Bandkolleg*innen im Backstage auf uns Rücksicht nehmen mussten. Was als frische Mama auch in den ersten Lebensjahren des Kindes schwer möglich ist, ist das Abhängen nach dem Konzert und das Socializing.
Welche Netzwerke nützen Musiker*innen?
Nina Braith: In erster Linie die Netzwerke der eigenen Familie. Meiner Meinung nach ist das Weiter-Musikerin-Sein nur mit massivem familiären Support möglich und dem Support und dem Verständnis des Partners bzw. Kindesvaters. Außer, man*frau ist Beyoncé oder Netrebko und kann sich eine eigene Nanny leisten. In meinem Fall hatte ich glücklicherweise eine Familie, die mich sehr unterstützt hat, und einen Partner, für den es von Anfang an klar war, dass die Kinderbetreuung 50:50 aufgeteilt wird. Die ersten Monate bzw. das erste Jahr habe ich mehr zurückgesteckt, danach konnte ich dafür auch wieder intensivere Projekte zusagen und mein Partner war mehr für unseren Sohn zuständig.
Was würdest du dir von Veranstalter*innen wünschen und wo muss man dringend etwas verändern?
Nina Braith: Dass extra Reisespesen für eine*n Babysitter*in einfach immer drin sind. Oder alternativ ein*e Babysitter*in von Seiten der Veranstalter*in, wenn das Kind schon alt genug dafür ist. Das wäre Chancengleichheit in meinen Augen. Und ein eigener Backstage-Raum wäre auch sehr hilfreich.
Dass Veranstalter*innen Verständnis zeigen, wenn man als Mama kommt, und aktiv fragen, wie sie unterstützen können. Oft ist das auch schon genug, wenn man das Gefühl hat, dass ein prinzipielles Verständnis dafür da ist.
„Mich hat das Mama-Sein als Person unglaublich reifen lassen und das fließt natürlich in meine Kunst und Musik ein.“
Braucht es allgemein mehr Sensibilität in der Szene? Was fehlt? Wird auf Special Needs eingegangen?
Nina Braith: Super wäre so eine Art „Elternfonds“ für Musiker*innen, die Kinder haben und die in den ersten Jahren aktiv Konzerte spielen wollen und/oder Touren, sodass extra Reisespesen für Babysitter*innen daraus gezahlt werden können und weder Veranstalter*in noch die Mama bzw. Band diese tragen muss. Was alles natürlich leichter wäre, wenn wir „Fair Pay“ Gagen bekommen würden, was leider in der Kulturbranche meistens nicht der Fall ist. Weiters wären extra Förderungen für Mamas, die ein größeres künstlerisches Projekt wie ein Album umsetzen wollen, echt mega-hilfreich. Ich habe das Gefühl, dass leider gerade Zweiteres als junge Mama ohne zeitliche und finanzielle Hilfe extrem schwierig umzusetzen ist. Und das ist so schade, weil der kreative Output nicht nur persönlich extrem guttun würde, sondern auch bestimmt gesellschaftspolitisch bedeutend ist. Mich hat das Mama-Sein als Person unglaublich reifen lassen und das fließt natürlich in meine Kunst und Musik ein. Ich fände es schön, wenn in der Popmusikszene ganz generell mehr Bewusstsein dafür da wäre. Dass auch reifere Frauen und Mamas Spotlight und Förderungen bekommen und nicht immer nur die jungen Häschen.
Die Zeiten haben sich geändert, Social Media bedient das Privatleben als auch das professionelle Umfeld. Wie gehst du damit in Hinblick auf deine Doppelrolle als Mama und Musiker*in um?
Nina Braith: Mir fällt es schwer, auch noch die Social-Media-Kanäle in dem Umfang zu bedienen, in denen es nötig wäre. Zeit ist knapp. Ich persönlich poste sehr wenig Privates auf Social Media, schon gar keine Fotos von meinem Sohn.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit uns teilen möchtet?
Nina Braith: Dass ich hoffe, dass es für die Musikerinnen, die nach mir Mamas werden, noch einfacher wird, diese beiden Rollen zu vereinen. Und dass Mitmusiker*innen im Berufsalltag bei Konzerten und Probenterminen Verständnis für ihre Mamakolleg*innen zeigen. Und noch ein persönliches Statement: Ich habe nicht zu den Frauen mit ausgeprägtem Kinderwunsch gehört und war vorab sehr unsicher, ob und wie sich Kinder mit Karriere und Musiker*innensein vereinbaren lassen. Nun möchte ich keine der beiden „Rollen“ missen und bin sehr glücklich darüber, Mama zu sein.
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