Musikleben mit Kindern – wie geht es Musiker:innen im Berufsalltag? Teil 15: ANTON SPIELMANN

In der Serie „Musikleben mit Kindern“ geht mica – music austria der Frage nach, wie es professionellen Musiker*innen geht, wenn sie Kinder haben. Im fünfzehnten Teil der Serie gibt uns der Musiker, Autor, Theater- und Filmkomponist ANTON SPIELMANN Einblick in seinen Berufsalltag mit Kind: Er spricht über die Musikszene als einen lebendigen und freien Ort, „Rockstar-Mamas“ und „Rockstar-Papas“, seine persönlichen Erfahrungen auf Festivals und Veranstaltungen mit Kind und über Kinder mit Lärmschutz-Kopfhörern beim Soundcheck an der Bar. ANTON SPIELMANN ist Sänger und Gitarrist der Band 1000 ROBOTA, komponiert und arbeitete mit Fettes Brot, die Goldenen Zitronen und Soap&Skin, mit der er eine gemeinsame Tochter hat.

Was hat sich für dich verändert, seitdem du Vater geworden bist?

Anton Spielmann: Ein Kind zu haben, richtet deinen eigenen Blick auf dich, sowie auf deine Mitmenschen neu aus, eine schöne Erfahrung, so empfinde ich es zumindest. Eine Erfahrung die durch Liebe von Erwachsenen, zu einer ausgeweiteten Liebe der Welt gegenüber führen kann und all das fortgesetzt durch den besten aller Lehrer, den man im Leben nur haben kann: ein Kind!

Ich bin jung Vater geworden – ich war erst 23 Jahre alt, als unsere Tochter zur Welt kam. Das ist heutzutage nicht mehr so selbstverständlich, gleichzeitig ist auch die Mutter meiner Tochter, genau wie ich, als Musikerin und Kulturschaffende international unterwegs. Das war vor allem im ersten Jahr irritierender und herausfordernd. Ich kenne allerdings kaum ein anderes Beispiel, in dem das Kriegen eines Kindes nicht aufregend oder herausfordernd ist. Egal wie jung, egal wie alt, ob in guter oder schlechter Zeit. Bereichernd allerdings, bestimmte Veränderung und Erfahrungen bereits in meinen Zwanzigerjahren gemacht zu haben. Ich habe von meiner Tochter einiges wieder beigebracht bekommen und dafür bin ich dankbar.

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„Es gibt zum Glück und immer mehr deutliche Künstlerinnen in der Musikszene, die neue Anregungen bieten und sich ihren berechtigten Platz bestimmend einräumen.“

Werden Mütter in der Musikszene anders behandelt als Väter?

Anton Spielmann: Das kann ich nicht genau beantworten, weil ich Vater und männlich bin. Ich glaube, dass es generell so ist, dass Frauen anders behandelt werden als Männer und das ist ein grundsätzliches Problem in unserer Gesellschaft und dem System. Es gibt zum Glück und immer mehr deutliche Künstlerinnen in der Musikszene, die neue Anregungen bieten und sich ihren berechtigten Platz bestimmend einräumen. Meiner Beobachtung nach ist es nach wie vor wohl so, dass das „Mutter-Sein” ein anderes Bild assoziiert als Vater zu sein.

Als „Rockstar“-Papa bist du ganz schnell mal „Papa-Cool”, wenn du irgendwo mit deinem Kind auftauchst. Als „Rockstar”-Mama ist das anders und komplexer. Das hat viel mit tradierten und klassischen Auffassungen zu tun. Aber wie schon gesagt, ich habe nur untergeordnetes Recht, diese Frage für andere zu beantworten, weil es mich persönlich auch nicht betrifft. Was mir immer als Vater wichtig war, ist, dass ich stets bemüht darum war, der Mutter meiner Tochter den Raum einzuräumen, den sie braucht, um ihren künstlerischen Tätigkeiten nachzugehen. Sie war auch immer schon die kommerziell Erfolgreichere von uns beiden. Es scheint nur logisch, dass ich viel Zeit mit unserer Tochter, gerade in den ersten Jahren, verbringen durfte. Abgesehen davon, dass ich es sehr liebe, Zeit mit ihr zu haben.

Auf Tour mit (kleinen) Kindern? Abends im Konzert und Kinderbetreuung? Welche Netzwerke nützen Musiker*innen?

Anton Spielmann: Externe Kinderbetreuung durch Nannys oder so haben wir nie gebraucht. Wir hatten zwei fantastische Omas, unsere Mütter, die uns mit Rat und Tat bedingungslos beiseite standen, das war gerade bei intensiven Probenphasen am Theater, in denen man oft mehr als neun bis zehn Stunden am Tag arbeitet, wichtig. Als wir am Thalia Theater in Hamburg „Die Tragödie von Romeo & Julia” musikalisch und auch als Darsteller*innen erarbeitet haben, war unsere Tochter noch im Kleinkindalter und auf permanente Nähe angewiesen, meine Mutter war in diesem Prozess eng an unserer Seite. Später waren auch Geschwister beteiligt, um uns zu helfen. Wir haben immer das privilegierte Glück gehabt, unter traumhaften und geschützten Bedingungen touren und künstlerisch arbeiten zu dürfen, ob am Theater oder auf eigenen Tourneen.

Das verändert sich natürlich dann, wenn die Kinder eingeschult werden. Man ist zwar als Eltern dadurch entlasteter, aber unser Alltag als Musiker*innen lebt, seit sich Tonträger etc. nicht mehr verkaufen, vor allem von Konzerten, was bedeutet, dass man viel unterwegs ist. Man hat zwar in Wien die Möglichkeit, sein Kind zum häuslichen Unterricht abzumelden, sprich: es selbst zu unterrichten, aber wer will sein Kind denn schon so isolieren? Ich wünschte, es gäbe mehr freie und alternative Schulkonzepte in Wien, die sich nicht nur auf eine Handvoll elitärer Eltern und ihre „besonderen” Kindern beschränken lassen, sondern auch andere Lebensrealitäten miteinbeziehen und keinen ideologischen Verkettungen folgen. Zur Zeit lassen sich die Optionen dahingehend in Wien an einer Hand abzählen.

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Was würdest du dir von Veranstalter*innen wünschen und wo muss man dringend etwas verändern?

Anton Spielmann: Nix, ich bin froh, nur positive Erfahrung gemacht zu haben. Möglicherweise ein Missverständnis im Allgemeinen: Die Musikszene ist ein freier und lebendiger Ort, der Möglichkeiten und Umstände aller Art zulässt und zulassen sollte, es ist kein Ort, der durchtränkt ist von Menschenhass oder Leuten, die es absurd finden, wenn ein Kind mit grünen süßen Lärmschutz-Kopfhörern beim Soundcheck an der Bar sitzt und seine leckere Wurstsemmel verdrückt. Ich glaube, da hat man als Versicherungsangestellte oder in anderen „klassischen” Berufen, mit deutlich mehr Widersprüchen und Trennungen zu rechnen.

Die meisten Festivalbetreiber*innen und Veranstalter*innen die ich kennenlernen durfte, sind selbst wie Kinder und das ist auch gut so. Wir brauchen kein Bällebad wie bei Ikea, einen verbitterten Chef oder eine Rock ‘n’ Roll-Behörde. Der Gedanke ist schon ein reiner Widerspruch. Denn unsere Szene ist frei, wandelbar, spielt und lebt und alle und alles muss willkommen sein. Anders wird es nicht gehen. Mit diesem Mindset habe ich unsere Tochter immer überall hin mitgenommen und wurde warm empfangen. Es gibt natürlich irgendwann den Moment, wo das Kind selbst keinen Bock mehr hat mitzukommen, im Tourbus oder Backstage abzugammeln und sich dann lieber mit Freunden was ausmacht, aber das ist ein anderes Thema.

Braucht es allgemein mehr Sensibilität in der Szene? Was fehlt? Wird auf Special Needs eingegangen?

Anton Spielmann: Nein, es braucht nicht mehr Sensibilität in der Szene, es braucht möglicherweise mehr Sensibilität außerhalb der Szene, der Politik, in der Kirche oder anderen regulativen Orten. Es sollte doch endlich ernst genommen werden, dass das, was Kunst- & Kulturschaffende tun, gut und wichtig und sogar „vernünftig” ist für die Gesellschaft, auch wenn es manchmal irritierend oder beängstigend erscheint. Vielleicht und sogar erst recht dann. Dass Menschen so etwas wie Musik brauchen und zwar nicht nur zu Unterhaltungszwecken. Die Szene ist gut drauf. Wir sind das „Special Need” in sich. Schnürt meinetwegen ein Paket und wir machen was Gutes draus, aber lasst uns bitte machen und in Ruhe dabei – und wenn das nicht geht, dann basteln wir euch trotzdem was, auch ungefragt. Zwei Optionen, mit denen ich gut leben kann.

„Dieses Interview ist seit neun Jahren überhaupt das erste Mal, dass ich über meine Vaterschaft und meinen Beruf spreche.“

Die Zeiten haben sich geändert, Social Media bedient das Privatleben als auch das professionelle Umfeld. Wie gehst du damit in Hinblick auf deine Doppelrolle als Papa und Musiker*in um?

Anton Spielmann: Ich habe unser Kind nie als Vermarktungstool” begriffen. Dieses Interview ist seit neun Jahren überhaupt das erste Mal, dass ich über meine Vaterschaft und meinen Beruf spreche. Unsere Tochter taucht so gut wie nie in beruflichen oder professionellen Kontexten auf. Dafür ist das, was ich tue, auch zu subversiv, “dada”, oder polarisierend. Ich möchte nicht, dass mein Schaffen, das Leben und die Möglichkeiten meiner Tochter belästigen oder überlappen könnten. Mir ist wichtig, ihre Freiheit ernst zu nehmen und sie gar nicht erst mit reinzuziehen in meinen Sumpf. Ich würde sie zum Beispiel nie in Songs, Stücke oder Dreharbeiten verwickeln wollen oder sie auf den roten Teppich mitnehmen oder so. Fühlt sich unnatürlich an. Sie soll schon selbst ein Bewusstsein für diese Situationen entwickeln, wenn sie Bock drauf hat. Wir blödeln natürlich auch rum und nehmen mal was auf mit Autotune oder anderen lustigen Soundeffekten. Ganz abgesehen davon, dass sie bereits wie ihre Mutter eine fantastische Sängerin ist. Was sie daraus macht oder wie sich das weiterentwickelt, wird sie für sich selbst erkennen und im besten Fall dann von alleine angehen. Man muss Kinder sein und leben lassen – und nicht nur Kinder.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit uns teilen möchtest?

Anton Spielmann: Ich möchte Bettina Wegner noch zitieren aus ihrem wundervollen Lied: “Kinder”

(..) “Sind so klare Augen
die noch alles sehn.
Darf man nie verbinden
könn sie nichts verstehn.
Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen
gehn kaputt dabei.
Ist son kleines Rückrat
sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen
weil es sonst zerbricht.
Grade, klare Menschen
wärn ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückrat
hab’n wir schon zuviel”.

++++

Links:
Anton Spielmann (Webseite)
Anton Spielmann (Instagram)
1000 Robota (Facebook)