Musikleben mit Kindern – wie geht es Musiker:innen im Berufsalltag? Teil 14: TERESA ROTSCHOPF

In der Serie „Musikleben mit Kindern“ geht mica – music austria der Frage nach, wie es professionellen Musiker*innen geht, wenn sie Kinder haben. TERESA ROTSCHOPF gibt uns im vierzehnten Teil der Serie Einblick in ihren Berufsalltag mit Kind: Die Musikerin und Sängerin über die tiefgreifende Transformation, die das Mutter werden mit sich bringt, darüber, dass Frauen mit Kindern in der Musikszene immer noch als exotisch wahrgenommen werden, und das immer noch nicht genügend vorhandene Bewusstsein für das Thema.

Was hat sich für dich verändert, seitdem du Mutter geworden bist?

Teresa Rotschopf: Die Frage ist wohl eher, was hat sich nicht verändert? Mutter zu werden war für mich die tiefgreifendste Transformation in meinem bisherigen Leben – ich bin zwar noch die Gleiche, gleichzeitig aber auch eine ganz andere Person. Für mich war beruhigend zu merken, dass ich ganz grundsätzlich, in meinem innersten Kern, noch immer die selbe Person bin, dieselben Wünsche und Aspirationen habe, auch wenn sich alles um mich verändert hat: die zeitlichen Ressourcen, die Bedürfnisse und Wünsche an mein Umfeld, meine sozialen Kontakte, meine finanzielle Situation, meine Sicht auf die Welt und natürlich ganz zentral: mein Anspruch an mich selbst als Musikerin. Und meine “no Bullshit Policy”.

Ich habe mich nach jedem Kind wieder neu für meine Karriere entschieden, manchmal nach längeren Phasen, manchmal wieder gleich, und das war oft auch ein Kraftakt. Denn mit einem Baby ist man ja eigentlich erfüllt – emotional, zeitlich sowieso. Dann noch dieses innerste Bedürfnis nach der Musik – dem Raum zu geben empfand ich als Kraftakt, der jedoch unumgänglich war um mich nicht zum einen selbst zu verlieren, und gleichzeitig zum anderen wieder selbst zu finden- nach ebendieser Transformation die es für mich bedeutet, wenn man ein Kind zur Welt bringt.

Und klar: Meine Musik hat sich verändert, meine Konzerte – weniger Club, mehr Sitzkonzerte. Meine Projekte haben sich verändert – ich habe begonnen, Filmmusik zu komponieren, das kann man auch gut mit den Öffnungszeiten der diversen Kinderbetreuungseinrichtungen koordinieren.

Werden Mütter in der Musikszene anders behandelt als Väter?

Teresa Rotschopf: Werden Frauen anders behandelt als Männer? Ja. Frauen mit Kindern sind in der Musikszene leider immer noch sehr exotisch, insbesondere auf der Bühne. Das hat sich zwar in den letzten Jahren etwas verändert, nichtsdestotrotz sind Mütter eine kleine Randgruppe.

Die Faktoren, die dazu beitragen, sind sicherlich komplex, aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass die speziellen Bedürfnisse, die es mit sich bringt, ein Baby/Kind mit auf Tour/Konzerte zu bringen, für Veranstalter*innen meist einfach zu komplex oder teuer sind. Mehr Budget: für Kinderbetreuung, ein größeres Hotelzimmer, zwei zusätzliche Personen im Bus/Auto, kleinere Distanzen oder größere Pausen zwischen den Terminen. Das bringt natürlich mit sich, dass sich viele Frauen/Familien aus dem Live-Zirkus zurückziehen – dadurch aber auch weniger sichtbar sind und in weiterer Folge keine Vorbildfunktion haben können für Frauen die in ähnlicher Situation sind oder darüber nachdenken, wie sie Kinder und ihren Beruf als Musikerin am besten vereinbaren können. Das System reproduziert sich also selbst.
Mit mehr als einem Kind wird die Organisation nochmals komplexer – meist hilft das gesamte familiäre/freundschaftliche Umfeld dabei mit, die Abwesenheit der Mutter oder Eltern zu stemmen.

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Auf Tour mit (kleinen) Kindern? Abends im Konzert und Kinderbetreuung? Welche Netzwerke nützen Musiker*innen?

Teresa Rotschopf: Nach der Geburt meines ersten Sohnes habe ich eine dreimonatige Pause gemacht, dann bin ich mit einem Konzert auf dem FM4 Fest in München wieder eingestiegen – das war optimal. Der Kinderwagen stand Backstage beim Übertragungswagen, darauf klebte ein Zettel mit meiner Telefonnummer falls das Baby aufwacht. Hat super geklappt, und mein Sohn hat zum Glück sehr gut geschlafen. Das geht natürlich nicht immer, und das Kunststück Stillen – Konzert – Stillen – schnell ins Hotel und am nächsten Tag auf zum nächsten Konzert ist zwar mit einem/einer engagierten Partner*in möglich, allerdings auch extrem anstrengend (wenn auch phasenweise sehr lustig).

Mit zunehmendem Alter und dementsprechend weniger Tagesschlaf und mehr Mobilität war es dann nicht mehr ganz so lustig im Tourbus, da bin ich dann meist alleine zu Konzerten gefahren und mein Sohn war mit meinem Mann zu Hause. Das funktioniert für uns gut, weil er auch freiberuflich arbeitet. Jetzt, mit Kind Nummer 2 und 3, vollbringen wir oft logistische Meisterleistungen. Da müssen dann Babysitter für Kinder zu Hause und Babysitter für Kinder vor Ort gefunden werden. Das mit dem Backstage-Stillen habe ich mittlerweile professionalisiert, da brauche ich nicht einmal mehr einen Sessel. Mit Familie und Freunden funktioniert das zwar gut – manchmal ist eben der erste ruhige Moment des Tages das Einatmen und die Stille vor dem ersten Ton des Konzertes. But that’s ok.

„Ich vermisse ein ernsthaftes Bestreben danach, nicht nur von Veranstalter*innen sondern in erster Linie gesamtgesellschaftlich, Frauen nachdem sie Kinder bekommen haben, wieder zurück ins Berufsleben zu holen.“

Was würdest du dir von Veranstalter*innen wünschen und wo muss man dringend etwas verändern?

Teresa Rotschopf: Ich vermisse ein ernsthaftes Bestreben danach, nicht nur von Veranstalter*innen, sondern in erster Linie gesamtgesellschaftlich, Frauen, nachdem sie Kinder bekommen haben, wieder zurück ins Berufsleben zu holen. Also ein wirklich ernsthaftes Bestreben. Die sinnbildliche ausgestreckte Hand, nicht nur ein ausgestreckter Zeigefinger, wenn Frau dies nicht, später oder anders will. Dafür müssen Strukturen verändert werden, das Bewusstsein muss geschärft werden. Und es muss eben auch Modelle geben, anhand derer gezeigt werden kann: Es funktioniert, Stichwort Vorbildfunktion. Das heißt natürlich für uns Mütter auf der Bühne: Wir tragen eine Verantwortung. Mutterschaft ist nicht (nur) privat.

Braucht es allgemein mehr Sensibilität in der Szene?

Teresa Rotschopf: Natürlich braucht es mehr Sensibilität. Es braucht aber auch mehr Bewusstsein. Ich denke die geschlechtsspezifische Schieflage per se muss zu allererst immer wieder thematisiert werden. Schon wieder ein Festival mit fast ausschließlich männlichen Headlinern oder eine Festwocheneröffnung mit fast nur Männern auf der Bühne? Mir kommt da mittlerweile echt die Galle hoch.

Was fehlt? Wird auf Special Needs (der Kinder) eingegangen?

Teresa Rotschopf: Wenn man die Bedürfnisse im Vorfeld kommuniziert, ist es meist kein Problem für Veranstalter*innen, darauf einzugehen. Ein (halbwegs) stiller Ort zum Stillen, ein Raum für Kind und Betreuungsperson etc. – da habe ich eigentlich durchwegs positive Erfahrungen gemacht,, es sind ja auch meistens alle Beteiligten darum bemüht, eine professionelle Veranstaltung mit einem gelungenen Konzert zu ermöglichen. Zudem sind die Bedürfnisse einer Mutter mit Kind ja nicht unbedingt kompliziert oder sehr schwer zu erfüllen, da gibt es sicher wesentlich abstraktere oder absurdere Hospitality Rider von Travel Parties ohne Kinder. Spezielle Förderungen finde ich längst überfällig.

Die Zeiten haben sich geändert, Social Media bedient das Privatleben als auch das professionelle Umfeld. Wie gehst du damit in Hinblick auf deine Doppelrolle als Mama und Musiker*in um?

Teresa Rotschopf: Mein Grundgedanke dazu seit Geburt meines ersten Sohnes – also seit Beginn meiner Mutterschaft –war, dass ich Berufliches und Privates komplett trennen möchte. Keine Homestories in Magazinen mit Kindern im Hintergrund, keine privaten Fotos, Videos von oder mit Kindern etc., das interessiert mich umgekehrt ja auch nur peripher, wenn ich mich für Musik anderer Künstler*innen interessiere.

Mittlerweile, nach Kind Nummer 3 (!), fühle ich aber auch eine Verantwortung. Wie schon oben erwähnt: Mutterschaft ist auch politisch relevant. Auf dem Cover meines Albums bin ich nackt und im neunten Monat schwanger zu sehen, im Video zu „Thieves of the Sun“ bin ich schwanger mit meinem zweiten Sohn – also der schwangere Körper, der ja in der Popkultur eigentlich keinen Platz hat, hat mich auch schon immer sehr interessiert. Und auch die ganz banale Realität: Frauen werden schwanger, kriegen Kinder, ich mache Musik, spiele Konzerte, übe meinen Beruf aus, wie so viele andere auch und leiste gemeinsam mit meinem Umfeld extrem viel, um alles auf Schiene zu bringen oder zu halten – wie so viele andere auch. 

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Links:
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