MUSIKALISCHES WETTEIFERN IM LAUFE DER GESCHICHTE

Wirft man einen Blick in die heutige Medienwelt, so scheint der Wettbewerbsgedanke so ausgeprägt wie noch nie zuvor. Dieser macht sich vor allem auf dem Gebiet der Musik bemerkbar. Ob Songcontests, Band-Battles oder Castingshows, das Angebot an Musikwettbewerben ist auffallend groß. Dies gilt sowohl für die mediale Unterhaltungsindustrie als auch für den klassischen Musikbetrieb, wo regelmäßig Wettbewerbe für Solisten, Chöre und Komponisten in verschiedenen Altersgruppen und Kategorien wie Oper, Oratorium, Kammer- oder Kirchenmusik ausgeschrieben werden. Die WORLD FEDERATION OF INTERNATIONAL MUSIC COMPETITIONS (WFIMC) mit Sitz in Genf umfasst derzeit über 120 Wettbewerbe.

Teil I

Ruhm und Ehre oder lebendig gehäutet

Dass der Wettbewerbsgedanke in der Musik aber nichts Neues ist, lehrt uns die Geschichte. Schon in der griechischen Mythologie findet sich ein musikalischer Wettkampf, der zwischen Apollon und dem Satyr Marsyas stattgefunden haben soll. Der Sage nach war Marsyas ein Virtuose auf dem Aulos, der von seiner Kunst so überzeugt war, dass er den Kithara spielenden Gott Apollon zum musikalischen Wettstreit forderte. Die Musen, welche als Schiedsrichterinnen fungierten, sahen zunächst in Marsyas den Überlegenen. Das Blatt wendete sich jedoch, als Apollon seinem Instrumentalspiel Gesang hinzufügte. Schließlich kürten die Musen Apollon zum Sieger. Marsyas wurde zur Strafe für seine Überheblichkeit gegenüber einer Gottheit an einem Baum aufgehängt und bei lebendigem Leib gehäutet.

Während der Marsyas-Mythos wohl als abschreckendes Beispiel für Hochmut und Selbstüberschätzung diente, besaßen die musischen Wettkämpfe oder Agone im öffentlichen Leben der antiken Griechen eine andere Funktion. Ähnlich wie im Wettkampfsport hatte hier der Einzelne die Möglichkeit, seine Fähigkeiten im geordneten Wettstreit zu erweitern und zu verbessern. Zugelassen waren allerdings nur Berufsmusiker, die in den Disziplinen Kitharodie (Gesang mit Saitenspiel), Kitharistik (reines Saitenspiel), Aulodie (Gesang mit Aulosspiel) und Auletik (reines Aulosspiel) gegeneinander antraten. Ein Sieg brachte nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch materielle Gewinne wie Geldprämien oder kostbare Gegenstände.

Die Anlässe für musische Wettstreite konnten sehr unterschiedlich sein. Meistens fanden sie im Rahmen von religiösen Festen statt. Dazu zählten die regelmäßig in Athen wiederkehrenden Panathenäen zu Ehren der Göttin Athene und Bestattungsriten wie die um 700 v. Chr. veranstalteten Leichenspiele für den chalkidischen Adligen Amphidamas, bei denen es zu einem Duell zwischen den beiden Dichtern Hesiod und Homer gekommen sein soll.

Von den Wettkämpfen kommend ging das Konzept des künstlerischen Kräftemessens in die griechische Musikerziehung ein, wo es die Schüler zu Höchstleistungen anspornen sollte. Mit dieser pädagogischen Maßnahme waren allerdings nicht alle einverstanden. Einer, der sie strikt ablehnte, war Aristoteles. In seiner staatsphilosophischen Schrift „Politik“ gibt er unmissverständlich zu verstehen, dass künstlerische Virtuosität, wie sie in den agonalen Spielen vom Publikum erwartet wird, in der Unterweisung der Kinder nichts zu suchen hat.

Agone gab es auch im Römischen Reich. Es ist allgemein bekannt, dass die Römer Kulturgüter von den Griechen übernahmen. Dazu gehörte auch die Agonistik. Kaiser Nero veranstaltete in den Jahren 60 und 65 n. Chr. in Anlehnung an die griechischen Spiele die sogenannten Neronia, die sowohl sportliche als auch musische Wettkämpfe beinhalteten. Ebenso gingen die von Kaiser Domitian 86 n. Chr. ins Leben gerufenen Capitolia auf griechische Vorbilder zurück. Diese zu Ehren Jupiters in den unterschiedlichsten Disziplinen ausgetragenen Wettkämpfe hielten sich bis ins 4. Jahrhundert.

Wettkämpfe realiter und fernab davon

Der agonale Gedanke war auch im mittelalterlichen Musikleben präsent. Davon zeugen weltliche Lieder, in denen ein historisch nicht belegbarer Sängerkrieg auf der Wartburg in Thüringen thematisiert wird. Diese Lieder entstanden im Laufe des 13. Jahrhunderts und fanden Eingang in mehrere Liederhandschriften des Spätmittelalters wie dem Codex Manesse oder der Jenaer Liederhandschrift. Sie sind dialogisierend gestaltet, wobei sich berühmte Minnesänger wie Wolfram von Eschenbach oder Walther von der Vogelweide und sagenhafte Gestalten wie König Klingesor von Ungerlant oder Heinrich von Ofterdingen wetteifernd gegenüberstehen.

Im Spätmittelalter bauten thüringische Geschichtsschreiber den in der Dichtung thematisierten Wartburgkrieg zu einem historischen Ereignis aus. Die Wirkung auf die Nachwelt war enorm. So blieb der Stoff bis in die heutige Zeit ein beliebtes Sujet in der Kunst. Zu nennen sind E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Kampf der Sänger“ (1818), Moritz von Schwinds Fresko „Der Sängerkrieg“ (1855) und nicht zuletzt Richard Wagners Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ (1843) – allesamt Werke, die gerne rezipiert werden.

Wie diese Beispiele zeigen, fasziniert das Phänomen des Wettbewerbs auch dann, wenn es sich fernab der Realität in den Künsten darstellt. Ein weiteres Beispiel für die künstlerische Verarbeitung eines Musikwettbewerbs ist die Barockoper „La gara musicale“, die am 9. Juli 1634 am Wiener Habsburgerhof anlässlich des Geburtstags von Kaiser Ferdinand II. zur Aufführung kam. Das Libretto stammt aus der Feder des in Recanati geborenen Apostolischen Protonotars Urbano Giorgi und handelt von einem Ereignis aus der Antike, wie es uns von Tacitus und Sueton überliefert wurde. Im Zentrum der Handlung steht der römische Kaiser Nero, der ein festliches Wettsingen ausrichtet, an dem Sänger aus aller Welt und der fürstliche Gastgeber selbst teilnehmen. Im Laufe der Oper werden immer wieder Parallelen zwischen dem musisch begabten Nero und dem kunstsinnigen Habsburgerherrscher Ferdinand gezogen. Schließlich ist es kein Geringerer als der römische Kaiser, der den Siegeskranz erhält. Seine Konkurrenten müssen sich mit niederen Rängen begnügen, werden aber ebenso mit Preisen ausgezeichnet. Was bleibt, ist der unzweifelhafte Eindruck einer inszenierten Selbstdarstellung. Die Rolle des überlegenen Nero wurde auf der Bühne vom vielseitigen Künstler Lodovico Bartolaia verkörpert, der am Wiener Hof als Sänger und Komponist großes Ansehen genoss.

Virtuose Duelle

Abseits dieser musiktheatralischen Darbietung eines historisch überlieferten Musikwettbewerbs gab es im Barockzeitalter auch im realen Leben Wettkämpfe zwischen Musikern. In seiner 1760 in London erschienenen Georg-Friedrich-Händel-Biografie berichtet John Mainwaring von einem Wettbewerb, der von Kardinal Piertro Ottoboni während der Italienreise Händels ausgerichtet wurde, um dessen Kunst auf den Tasteninstrumenten mit jener von Domenico Scarlattis zu vergleichen. Händel konnte sich letztlich behaupten. Zwar stuften einige Zuhörer Scarlatti als den besseren Cembalospieler ein, jedoch gab sich dieser auf der Orgel geschlagen.
In mehreren Varianten überliefert ist die Begebenheit um ein musikalisches Duell, zu dem Johann Sebastian Bach den französischen Cembalisten und Organisten Louis Marchand 1717 herausforderte. Marchand, der sich zu dieser Zeit am Dresdner Hof aufhielt und durch seine Brillanz den mächtigen Fürsten August den Starken tief beindruckte, entzog sich offenbar aus Angst vor einer Niederlage der Herausforderung Bachs, indem er vorzeitig abreiste.

Die Tradition der Virtuosen-Duelle setzte sich im Zeitalter der Klassik und Romantik fort. Legendär ist der pianistische Wettkampf zwischen Wolfgang Amadeus Mozart und Muzio Clementi, der 1781 auf Veranlassung Kaiser Josephs II. in der Wiener Hofburg stattfand. In der Folgezeit traten vermehrt Adelige als Veranstalter von Klavierduellen in Erscheinung. Um 1800 boomten derartige Zweikämpfe in den Wiener Salons. Sie waren bei Publikum und Musikern gleichermaßen beliebt. Während dem Publikum spektakuläre Unterhaltung geboten wurde, hatten die Musiker Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Großes Aufsehen erregten die Klavierduelle, die sich der junge Ludwig van Beethoven zu Beginn seiner Wiener Zeit mit damals berühmten Virtuosen lieferte. Durch sie fand er jene Anerkennung, um die er als Pianist in Wien rang. Einer seiner Gegner war der Mozart-Schüler Joseph Wölfl. Ein zeitgenössischer Bericht über das Kräftemessen beider Musiker in der Villa des Barons Raymund von Wetzlar vermittelt einen lebhaften Eindruck vom „höchst interessanten Wettstreit beider Athleten“, wie er für die „Versammlung einen unbeschreiblichen Kunstgenuss“ darstellte:

„Jeder trug seine jüngsten Geistesproducte vor; bald ließ der eine oder der andere den momentanen Eingebungen seiner glühenden Phantasie freien ungezügelten Lauf; bald setzten sich beide an zwei Pianoforte, improvisirten wechselweise über gegenseitig sich angegebene Themas und schufen also gar manches vierhändige Capriccio, welches, hätte es im Augenblicke der Geburt zu Papier gebracht werden können, sicherlich der Vergänglichkeit getrotzt haben würde. An mechanischer Geschicklichkeit dürfte es schwer, vielleicht unmöglich gewesen sein, einem der Kämpfer vorzugsweise die Siegespalme zu verleihen.“

Ein anderer Gegner Beethovens war Daniel Steibelt, der nach einer sensationellen Niederlage so gedemütigt war, dass er mit Beethoven nie mehr zusammenkommen wollte. Ebenfalls geschlagen geben musste sich Josef Gelinek. Nach einem Zweikampf im Hause seines Dienstgebers Joseph Kinsky erkannte Gelinek die Überlegenheit Beethovens mit folgenden Worten an: „In dem jungen Menschen steckt der Satan. Nie hab’ ich so spielen gehört! Er fantasierte auf ein von mir gegebenes Thema, wie ich selbst Mozart nie fantasieren gehört habe. Dann spielte er eigene Compositionen, die im höchsten Grade wunderbar und großartig sind, und er bringt auf dem Clavier Schwierigkeiten und Effecte hervor, von denen wir uns nie haben etwas träumen lassen.”

Teil II

1816 kam es in der Mailänder Scala zu einem Konzert, das im öffentlichen Bewusstsein noch jahrelang präsent blieb. Auf der Bühne standen zwei der bedeutendsten Geiger jener Zeit: der Italiener Niccolò Paganini und der Franzose Charles Philippe Lafont. Obwohl der Auftritt ursprünglich nicht als Wettstreit, sondern als gemeinsames Konzert gedacht war, ließen sich die beiden Virtuosen auf Drängen der sensationsgierigen Öffentlichkeit auf ein Kräftemessen ein. Ein klarer Sieger konnte allerdings nicht ermittelt werden. Wie sehr die Meinungen auseinandergingen, belegen die vielen zeitgenössischen Meldungen in der internationalen Presse.

Auf ein ähnlich großes Presseecho stieß die Konfrontation zwischen Franz Liszt und seinem Rivalen Sigismund Thalberg im Jahr 1837. Beide Musiker galten bis zur Jahrhundertmitte als die größten Virtuosen auf dem Klavier. Mit ihnen standen sich zwei konkurrierende Gruppen mit unterschiedlichen Musikanschauungen gegenüber. Während Liszt in den Augen seiner Anhänger als fortschrittlicher Romantiker galt, stand Thalberg für ein eher klassizistisches Musikideal. Auch hier konnte man sich auf keinen eindeutigen Gewinner einigen. Vielmehr erklärte jede Partei ihren Favoriten zum Sieger des Klavierwettstreits.

Abseits dieser Virtuosen-Duelle etablierte sich im 18. Jahrhundert jene Art von Musikwettbewerb, wie wir sie heute im Bereich der Musikförderung kennen. Einer der ältesten jährlich ausgeschriebenen Musikpreise ist der von der Académie des Beaux-Arts verliehene Prix de Rome (Rompreis), der 1803 ins Leben gerufen wurde, um junge Komponisten mit einem Stipendium zu fördern. Zahlreiche namhafte Komponisten gewannen diesen begehrten Preis, darunter Hector Berlioz, Georges Bizet und Claude Debussy. Dass sich die Jury in ihrer Einschätzung auch irren konnte, beweist das Beispiel von Maurice Ravel, der sich fünfmal vergebens darum bewarb.

Ravels letzter Bewerbungsversuch im Jahr 1905 führte zu einem in der Presse als „Affäre Ravel“ bezeichneten Skandal, der Anlass gab, den Wettbewerbsbetrieb kritisch zu hinterfragen. Kontroversen um den Sinn und Zweck von Wettbewerben in der Musikförderung gab es allerdings schon in der Zeit davor. Einer, der der Beurteilung von Wettbewerbsteilnehmern durch eine Jury skeptisch gegenüberstand, war Felix Mendelssohn-Bartholdy. Im März 1840 schrieb dieser an seine Mutter:

„Dieser Tage habe ich den Entschluss gefasst, über welchen ich seelenvergnügt bin, nämlich niemals mehr an irgendeiner musikalischen Preisbewerbung als Richter teilzunehmen. Es kamen mehrere Aufforderungen dieser Art, und ich wusste gar nicht, was mich so verstimmte, bis mir klar wurde, dass es im Grunde eine bloße Arroganz sei, die ich von anderen nicht dulden möchte und daher am wenigsten selbst begehen sollte, sich so als Meister aufzuwerfen und seinen Geschmack voraufzustellen, und die armen Bewerber in einer müßigen Stunde sämtlich Revue passieren zu lassen und abzukanzeln, und will’s Gott, dabei auch einmal die schreiendste Ungerechtigkeit zu begehen. So hab ich denn ein- und für allemal abgesagt und bin seitdem ganz froh.“

Im 20. Jahrhundert nahmen die Musikwettbewerbe mit der raschen Entwicklung der Massenmedien größere Dimensionen an. Es wurde nun immer einfacher, möglichst viele Menschen im Zuge einer Preisausschreibung zu erreichen. Ein Höhepunkt stellte der Internationale Schubert-Wettbewerb von 1928 dar, bei dem es sich um einen Kompositionswettbewerb handelte, der anlässlich des 100. Todesjahrs von Franz Schubert von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und der Columbia Graphophone Company durchgeführt wurde. Man bildete zehn geografische Teilnahmezonen, aus denen jeweils fünf Persönlichkeiten des Musiklebens drei eingereichte Kompositionen auswählten, die mit einem ersten, zweiten und dritten Preis ausgezeichnet wurden. Anschließend beurteilte eine zehnköpfige internationale Schluss-Jury die 30 ausgewählten Werke.

Aus den insgesamt 513 Teilnehmern ging der schwedische Komponist Kurt Atterberg als Hauptpreisträger hervor. Seiner siegreichen 6. Sinfonie in C-Dur, die aufgrund des Preisgeldes von 10.000 Dollar den Beinamen „Dollarsinfonie“ erhalten sollte, winkte eine Uraufführung durch ein renommiertes Orchester, eine Schallplattenaufnahme und die Drucklegung bei der Universal Edition. Der große Erfolg blieb jedoch aus. Atterbergs Werk gelangte zu keiner dauerhaften Popularität.

Ähnlich erging es jenem Werk, mit dem Prisca Maria Mader das von der österreichischen Rundfunkgesellschaft RAVAG am 25. September 1934 veranstaltete Preisausschreiben „Ein Dichter zu einem unbekannten Schubertlied gesucht“ gewann. Auf Anregung des Schubertforschers Otto Erich Deutsch hatte die RAVAG ein vom Wiener Musiktheoretiker Heinrich Schenker vervollständigtes Liedfragment Franz Schuberts, das obendrein ohne Text überliefert ist, gesendet und im Vorfeld in ihrer Programmzeitschrift „Radio-Wien“ abgedruckt. Auf der Suche nach einem passenden Text wurde unter den fast 500 Einsendungen Maders Beitrag zum Siegertext erklärt. Mader erhielt einen Preis von 100 Schilling. Darüber hinaus wurde ihr Text unter dem Pseudonym Mary Mahler in „Radio-Wien“ veröffentlicht und am 28. November 1934 von Josef Hueber im Rundfunk gesungen.

Maders Sieg blieb wirkungslos. Sowohl der Text als auch seine Schöpferin gerieten bald in Vergessenheit – ein Schicksal, das Mader mit vielen anderen Wettbewerbsgewinnern teilte und das heute noch zur Genüge beobachtet werden kann.

Neben den Preisausschreiben und Wettbewerben in der Musikförderung fanden sich im 20. Jahrhundert auch Virtuosen-Duelle. Diese erfolgten vor allem im Jazz und weniger in der tradierten Kunstmusik, in der das Improvisieren durch die zunehmende Verschriftlichung weitgehend verloren gegangen war. Eine Sonderstellung nahmen die äußerst populären „Battles“ zwischen virtuosen Jazzschlagzeugern ein, da diese nicht nur für eine musikalische, sondern auch für eine geradezu akrobatische Unterhaltung sorgten. Als erste „Drum Battle“ der Musikgeschichte gilt das am 13. September 1952 in der New Yorker Carnegie Hall ausgefochtene Duell zwischen Gene Krupa und Buddy Rich, das in zahlreichen Fernsehshows und Veranstaltungen der legendären Konzertreihe „Jazz at the Philharmonic“ seine Fortsetzung fand.

Später griff Ginger Baker, der Schlagzeuger der Rockformation Cream, den Battle-Gedanken auf und forderte namhafte Kollegen heraus. Am 4. März 2012 verkündete er stolz auf seiner Facebook-Seite: „I battled Elvin Jones, Art Blakey, Phil Seaman, Max Roach, and Tony Williams.“ Ob Baker in den „Battles“ den Sieg für sich in Anspruch nehmen konnte, ist Nebensache. Allein die Tatsache, dass Schlagzeuglegenden seine Herausforderung annahmen und ihn als ebenbürtigen Gegner ansahen, macht Baker zu einer Größe in der Welt der Drummer.

Ein Höhepunkt in der Geschichte der „Drum Battles“, der zugleich verbissenes Kräftemessen persiflierte, war der Gastauftritt von Buddy Rich in der Muppet Show 1978. Dabei kam es zu einem Zweikampf mit dem Tier, dem zottelhaarigen Schlagzeuger der Show-Hausband The Electric Mayhemder. In seiner Wut über das nicht zu übertreffende Spiel des technisch versierten Rich setzte das Tier diesen kurzerhand außer Gefecht, indem er ihm eine Trommel über den Kopf stülpte.

Wie aus dem historischen Rückblick ersichtlich, war der Wettbewerbsgedanke in allen Epochen der Musikgeschichte präsent. Dass er in der Musik fest verankert ist, zeigt sich schon in der Herkunft des Wortes „Konzert“, in dem das lateinische Verb für „wetteifern“ („concertare“) steckt. Ursprünglich standen sich in der Gattung des Konzerts zwei klanglich unterschiedlich gefärbte Instrumentalgruppen gegenüber, die wie in einem Wettstreit abwechselnd spielten.

Wettkämpfe lassen sich seit jeher vor allem in der Förderung junger Talente und im Virtuosentum beobachten. So alt wie sie selbst sind die Diskussionen über den Sinn und Zweck des Kräftemessens. Ob agonale Praktiken in der Musikerziehung nützlich sind, wurde schon in der Antike bezweifelt. Hingegen scheinen in der Öffentlichkeit ausgetragene Duelle zwischen professionellen Musikern sowohl den Duellanten als auch dem Publikum weitgehend Nutzen zu bringen. Während die Musiker dadurch Gelegenheit haben, ihren Ruf durch die Präsentation ihrer Fähigkeiten zu festigen, bekommt das sensationshungrige Publikum sein Bedürfnis nach spektakulärer Unterhaltung befriedigt. Dass der Wettstreit seinen Reiz selbst in fiktiver und inszenierter Darstellung nicht verliert, bezeugen Beispiele wie der in Literatur, Malerei und Musik wiederholt thematisierte Sängerkrieg auf der Wartburg oder das unvergessliche Duell zwischen Buddy Rich und dem Tier in der Muppet Show.

Marko Deisinger (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)
Die Diskussions-, Vortrags- und Artikelreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.