„MUSIK IST EINE FORM MEINES DENKENS“ – DOG&SCHWOAZ IM MICA-INTERVIEW

Das dritte Album von DOG&SCHWOAZ beschließt eine Trilogie, die im Jahr 2016 mit der Veröffentlichung „s/t“ begonnen hat und mit „Locker und leicht schwer“ fortgesetzt wurde. „I hob nur gschaut“ schließt die Trilogie ab. Jürgen Plank hat mit dem Singer-Songwriter NORBERT SCHERMANN über die Eigenschaften seiner Kunstfigur DOG&SCHWOAZ genauso gesprochen wie über Maria Bill, Neil Young und Ludwig Wittgenstein.

Du bist gebürtiger Wiener und singst im Dialekt, inwiefern siehst du dich musikalisch im Umfeld des Austropop verortet?

Norbert Schermann: In der Selbstbeschreibung meiner Musik würde ich sagen, dass es in jedem Fall Popmusik ist. Jemand hat in einer Rezension geschrieben, dass man auch Neues Wienerlied dazu sagen könnte. Ich würde sagen, dass meine Musik weder Austropop noch Wienerlied ist, aber sie schwimmt in diesem gleichen Pool. Austropop ist ja eher mit Ambros und Danzer konnotiert, die sind zwar Vorbilder, aber ich habe mir schon ein Eigenleben mit der Konzeptfigur dog&SCHWOAZ erarbeitet.

Nochmals in Richtung Austropop denkend: in den Credits im Booklet verweist du beim Lied „Gottsesdaunk“ auf die Sängerin Maria Bill. Wieso?

Norbert Schermann: Maria Bill war für mich in einer Zeit wichtig, in der auch Ludwig Hirsch für mich wichtig war, zwischen 1978 und 1981. Damals ist das Lied „Ich mecht landen“ erschienen, in dem es das Bild gibt: ich möchte landen, aber dauernd fliege ich gegen deine Scheiben. Dieses Bild hat mich lange beschäftigt und das habe ich als Bezugspunkt für mein Lied „Rust schläft nie“ genommen. Im gleichen Jahr ist von Neil Young das Album „Rust never sleeps“ erschienen und so habe ich diese beiden Themen miteinander kombiniert. In meinem Lied ist viel Österreichisches drinnen: wir können nämlich immer sagen, was wir nicht wollen. Der Text beschreibt immer, was man nicht will, etwa um den heißen Brei herumreden.

Dein Album beginnt aus meiner Sicht melancholisch, mit dem Stück „Auf amoi schaust zruck“. Neil Young hast du schon erwähnt, wenn der zurückschaut, nennt man das dann Alterswerk. Woher kommt dieses Zurückschauen? Hat das etwas mit dir zu tun?

Norbert Schermann: Das hat schon mit mir zu tun und ist meinem fortgeschrittenen Alter geschuldet. Es hat aber auch eine politische Perspektive. Zwei Nummer sind der Rahmen für das Album: „Auf amoi schaust zruck“ und „I hob nur gschaut“, dem Titellied. Die politische Dimension dazu ist eine etwas verfremdete Phrase von Hannah Arendt,die ja über die Prozesse gegen den Nazi Eichmann geschrieben hat. Da kommt am Schluss die Frage, was das Böse ist und das ist in Wahrheit eine Form von fortgeschrittener Dummheit. Sie kommt ganz klar zum Schluss, dass keiner das Recht hat, zu gehorchen. Das habe ich so gewendet, dass es so etwas wie eine Pflicht zum Widerstand gibt, wenn gemeinsame Anliegen diskreditiert werden. Diese Frage muss nicht nur ich mir stellen. Die müssen sich viele stellen.

Bild Dog&SCHWOAZ
dog&SCHWOAZ (c) Joel Nathaniel Boyd

„Es sind keine Wienerlieder, aber es sind die Stücke eines Wieners“

Das Wienerlied haben wir schon angesprochen. Wie im Wienerlied wird in deinen Stücken immer wieder der Tod thematisiert.

Norbert Schermann: Es sind keine Wienerlieder, aber es sind die Stücke eines Wieners. Mit Vorfahren, die typischerweise von anderswo gekommen sind. Wiener ist man, wenn man hier lebt. Hier wird man schon auf das Hinschauen sozialisiert, etwa auf die Vergänglichkeit. Je länger man lebt, desto näher kommt man der Unausweichlichkeit des Todes und für mich war es immer charmant, mich damit auseinanderzusetzen.

Nochmals zu Wien: du wirst heuer im Juni ein Konzert gemeinsam mit Der Nino aus Wien spielen. Wie kam das?

Norbert Schermann: Ja, wir werden in Bruck an der Leitha im Rahmen der Schulhofkonzerte spielen, die Michael Strobl seit letztem Jahr dort veranstaltet. Der Nino aus Wien ist für mich musikalisch eine Figur, die ich schon sehr lange verfolge. Auch in Bezug auf seine literarischen Qualitäten. Ich gehe auch gerne zu seinen Konzerten. Der Veranstalter hat mich als Vorband gebucht, weil die Kombination für ihn musikalisch zusammenpasst. Ich freue mich darauf.

Du hast gerade über Liedtexte gesprochen, denkst du bei deinen Texten immer gleich an die Vertonung oder könnten die auch für sich stehen?

Norbert Schermann: Das ist eine schwierige Frage. Ich habe gerade eine Rückmeldung zu den Texten des aktuellen Albums bekommen: jemand hat vorgeschlagen, die Texte bei einem Literaturwettbewerb einzureichen. Aus Sicht von anderen, könnten die Texte anscheinend für sich stehen. Ich sehe die Verbindung von Musik und Text eher wie ein Textilgewebe: man kann es von zwei Seiten sehen. Seit ich bewusst denken kann, habe ich immer Musik im Kopf gehabt. Musik ist eine Form meines Denkens. Wenn ich einen Impuls zu einem Text bekomme, läuft die Musik beim Schreiben einfach mit. Wenn ich einen Text geschrieben habe, habe ich schon das Gefühl, das Lied ist fertig.

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Zum Albumtitel habe ich einerseits den österreichischen Kabarettfilm Muttertag assoziiert, in dem das Zitat „I hob nur gschaut“ vorkommt. Andererseits Paul Watzlawick mit seinem berühmten Satz: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Könnte das Album zwischen diesen beiden Polen aufgespannt sein?

Norbert Schermann: Ja, mit Sicherheit. Spannend, dass du Watzlawick erwähnst. Ihm verdanken wir einen reflektierten Umgang mit dem Kontext. Wie eine Aussage verstanden wird, hängt ja vom Kontext ab. Zu „I hob nur gschaut“ könnte man auch ergänzen, falls es um eine Ungerechtigkeit geht, die man wahrnimmt: vielleicht hätte ich etwas tun sollen und bedaure es jetzt, es nicht getan zu haben. In unserer Welt haben wir meiner Meinung nach die Eindeutigkeit, falls es sie jemals gegeben hätte, verloren. Kindern und Jugendlichen sollten wir also Kontext-Kompetenz beibringen. Könnte man das, was man wahrnimmt, vielleicht auch ganz anders einordnen? Das ist gleichzeitig vielleicht ein nicht formulierter Auftrag an Singer-Songwriter, an Künstler und Künstlerinnen, auch an mich.

Für die Veröffentlichung deiner Musik hast du die Konzeptfigur dog&SCHWOAZ entworfen. Was darf diese im Unterschied zu dir? Was macht diese Figur im Vergleich zu dir aus?

Bild Dog&SCHWOAZ
Dog&SCHWOAZ (c) Joel Nathaniel Boyd

Norbert Schermann: Ich kann natürlich auch selbst als Norbert auftreten und Hinweise geben, etwa: Seid euch nicht zu sicher, dass das, worum es gerade geht, eindeutig ist. Das könnte ich auch tun, aber dog&SCHWOAZ hat eine eigene Ästhetik, in der Musik und als Bühnenfigur entwickelt, auch in der Erscheinung. Das ergibt für mich eine größere Spannung und Reichweite im Vergleich zu mir als Privatperson. Es gibt also ein Wechselspiel zwischen der Konzeptfigur, die die Reichweite hat und mir: Ich bin die Person dahinter und überlege im Hintergrund, was dem Publikum zugemutet werden kann und was nicht. Nach diesem Album wird sich zeigen, in welche Richtung sich diese Konzeptfigur noch weiter entwickeln wird.

Ist die Figur als politische Figur angelegt?

Norbert Schermann: Ja, sobald du dich als Künstler oder Künstlerin hinstellst und etwas von dir gibst, übernimmst du eine Verantwortung für die Gestaltung des öffentlichen Raumes und somit ist dog&SCHWOAZ politisch. Da gibt es auch ein Bewusstsein dafür, zu gesellschaftlichen Fragen Position zu beziehen.

Was ist der Hintergrund zum Stück „Ich bin der Autor“? Da heißt es: Ich bin der Autor. Ich bin der Text.

Norbert Schermann: Das geht auf Ludwig Wittgenstein zurück, der seinen „Tractatus“, seine philosophische Abhandlung, mitten im Ersten Weltkrieg geschrieben hat. Darüber nachdenkend: Was ist die Wirklichkeit? Ein Satz darin lautet sinngemäß: Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Dahinter steht die Frage, ob es eine objektive Welt gibt oder ob die Welt erfunden ist. Darauf haben sich in weiterer Folge viele Denker und Denkerinnen bezogen. Wenn es so etwas wie eine objektive Welt gibt, dann gibt es diese zwischen uns und wir verständigen uns darüber. Darauf nehme ich auch im ersten Lied „Auf amoi schaust zruck“ Bezug und im Lied „Ich bin der Autor“ trage ich diesen Fragen auf radikale Weise Rechnung, indem ich die Sprache zu Wort kommen lassen. Dann heißt es: Ich bin der Autor. Ich bin der Text. Ich bin das Papier. Ich bin die Musik. „Ich bin der Autor“ ist eine der politischen Nummern und eines meiner Lieblingsstücke auf der Platte, ich habe beim Komponieren sehr an Carol King gedacht.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Live:

Sa 03.06.2023, “Schulhofkonzert” in Bruck a.d. Leitha

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