Musik International: Wie wird österreichische Musk international erfolgreich?

Die Veranstaltungsreihe „Kultur Politik International“ des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) widmete sich einen ganzen Tag lang dem Schwerpunkt Musik. Ausgehend von der im Rahmen des EU-Kulturprogramms Creative Europe gegründeten Initiative „Music Moves Europe“ stand vor allem die europäische und internationale Dimension des heimischen Musikschaffens im Fokus. Über achtzig Personen nahmen am Genregrenzen überschreitenden, breit geführten Dialog „Musik International“ teil. Eine Zusammenfassung von Markus Deisenberger.

Stefan Hahn, Leiter der Abteilung Musik im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport umriss in seiner Begrüßung, worum es der Veranstaltungsreihe „Kultur Politik International“ generell geht: Die Idee der Reihe sei es, neue Themen zu setzen, europäische Initiativen zu präsentieren und insbesondere auch internationale Stimmen nach Österreich zu holen und so Menschen zusammenzubringen, die sich für ein spezifisches Thema interessieren, so Hahn.

Die Veranstaltungsreihe „Kultur Politik International“ wurde von Kathrin Kneißel, der Leiterin der Abteilung für europäische und internationale Kulturpolitik (ebenfalls BMKÖS), initiiert und konzipiert und findet seit einigen Jahren regelmäßig statt. Mit „Musik International“ stehe nun erstmals das Thema Musik auf der Agenda – und dabei vor allem der Aspekt des Internationalen. Ausgangspunkt für die konkrete Veranstaltung sei die akuelle Nachfolge-Studie  zur European Music Export Strategy, eine 250-seitige Studie, die unter österreichischer Leitung [von mica – music austria, Anm.] entstand. „Unser Anliegen ist es, breit einzuladen, unterschiedliche Stimmen und Bedürfnisse zu hören und einen Genregrenzen überschreitenden Dialog zu initiieren.“ Schon allein aufgrund ihrer Universalität habe Musik ein enormes internationales Potenzial; das Potenzial zu grenzüberschreitender Mobilität sei durch die Digitalisierung noch größer geworden.

Moderator Hannes Tschürtz, Betreiber von ink Music (Label, Agentur und Verlag) und als Impulsgeber für die Weiterentwicklung der österreichischen Musikwirtschaft in diversen Gremien tätig (IFPI/FAMA/OMF), sprach eingangs ein großes Wort gelassen aus: Kultur stehe meist weit hinten in den politischen Interessen. Letztlich sei sie aber das, was uns alle Tag für Tag zusammenführe.

Music Moves Europe

Den Eröffnungsvortrag hielt Susanne Hollmann, die in der Genraldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission sitzt und das Programm Music Moves Europe leitet, zugeschaltet aus Brüssel. Seit 2001 ist sie in der Kommission, im Jahr 2016 wurde sie stellvertretende Leiterin der Abteilung für Kulturpolitik und leitet seitdem die Arbeiten an der Initiative Music Moves Europe.

Sie gab einen kurzen Überblick darüber, was in der Kommission passiert, um so die europäische Dimension anschaulich zu machen. Dabei betonte sie einleitend den aktuell sehr herausfordernden Kontext für die EU-Politik, der sich durch die EU-Wahlen und die damit verbundene Neubesetzung des Rats, einer neuen strategischen Agenda, einem neuen Mandat für die nächste europäische Kommission und einem neuen Budget auszeichne. Zusätzlich stelle uns der Krieg in der Ukraine vor geopolitische Herausforderungen, und auch die Erholung von der Corona-Pandemie dauere immer noch an. Dazu geselle sich außerdem noch der Populismus inklusive Anti-EU-Rhetorik, der sich viele europäische Parteien bedienten, die etwa auch die Freiheit der Kunst in Frage stellen, und nicht zuletzt der Klimawandel und die damit verbundenen Herausforderungen.

Music Moves Europe ist die Initiative für einen nachhaltigen, erfolgreichen Musiksektor. Sie setzt sich für ein wettbewerbsfähiges Ökosystem ein“, sagte Hollmann. Das geschehe in vier Bereichen: dem Politik-Bereich, dem regulatorischen Bereich, dem Förderwesen und im Dialog mit dem Sektor. Österreich sei sehr aktiv und sehr stark in den einzelnen Arbeits- und Expertengruppen vertreten, so Hollmann. Strategische Prioritäten seien der digitale Wandel und die digitale Transformation inklusive der Herausforderungen, vor die uns die KI stelle, sowie der ökologische Wandel. Es gelte eine faire Entlohnung zu implementieren und durch Maßnahmen zu unterstützten, die ganz allgemein die Arbeitsbedingungen von Künstler:innen verbessern. Ein weiteres Ziel sei es, die Datenlage und die grenzüberschreitende Mobilität zu verbessern.

160 Millionen Euro für die Musik

Die Fakten: In den letzten Jahren hat die EU nur durch das Programm „Creative Europe“ grob gerechnet rund 160 Mio. Euro direkt in die Musik investiert, indem horizontale Maßnahmen unterstützt wurden, etwa Kooperationsprojekte, Netzwerke und Plattformen, die sich dem Austausch von Emerging Artists widmen. Gefördert wird auch der „Music Moves Europe Award“, der „EU Prize for Music“, der sich sämtlichen Spielarten der zeitgenössischen Popmusik widmet und durch die gesamte Musikbranche unterstützt werde. Die Musik profitiere überdies auch von Mobilitäts- und Innovationsförderungen. Darüber hinaus wurden etwa 60 kleine Projekte gefördert, fünf EU-Studien und zahlreiche spezielle Calls finanziert, die auf Musik abgestimmt sind.

Neben der finanziellen Förderung sei auch die Politik wichtig, so Hollmann, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. In der Expertengruppe Kultur und Gesundheit (unter österreichischem Vorsitz) etwa werden Empfehlungen ausgearbeitet. Und auch eine Studie über die Auffindbarkeit und die Förderung kultureller Vielfalt im Internet werde gerade lanciert. „Mit der Studie will man in Erfahrung bringen, wie Menschen im Internet Informationen entdecken und wie sich Empfehlungen bzw. Empfehlungssysteme auf die kulturelle Vielfalt auswirken.“ Daneben sei auch eine weitere Studie zu KI und ihren Auswirkungen in Auftrag gegeben worden. Die regulatorischen Aspekte, so Hollmann, seien durch die DSM Copyright Directive (2019), den Digital Services Act (DSA), die Empfehlungen zur Bekämpfung von Online-Piraterie und den aktuellen AI Act festgelegt. Und was die Arbeitsbedingungen betrifft: Auch hier gebe es eine Expertengruppe, die sich mit Künstlerstatus, Fairness, den Möglichkeiten öffentlicher Förderung sowie dem regulatorischen und sozialen Umfeld widme.

Beim Musikexport gehe es laut Hollmann um die zentrale Frage, was die EU leisten kann, um Musik über die Grenzen hinweg zu verbreiten bzw. die Verbreitung zu erleichtern, sodass Touring und die Vermarktung von Musik leichter gemacht werden, um die Diversität und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Musik zu stärken. Sie sei sehr beeindruckt von der EMX-Studie (dazu gleich) und insbesondere dem Capacity Building Programme. Das habe Potenzial für einen weiteren Ausbau.

Darüber hinaus gebe es einen großen Bedarf, die Datenlage und die Statistiken zu verbessern. Wichtig seien auch Zusammenarbeit mit dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und andere Kooperationsprojekte. Abschließend meinte Hollmann, dass es gute Gründe dafür gebe, Musik noch besser zu fördern, und stellte die Frage in den Raum, ob wir dafür einen eigenen sektoriellen Ansatz bräuchten oder es reiche, die europäische Kultur als solche zu stärken. Ihrer Auffassung nach brauche es eine Kulturförderung, die genau auf die Bedürfnisse der Musik abgestimmt ist.

Die maßgebliche Export-Studie

Im Anschluss stellte Franz Hergovich, Projektleiter von Austrian Music Export und Fachreferent für Pop, Rock & Elektronik bei mica – music austria, der u.a. Vorstandsmitglied des European Music Exporters Exchange (EMEE) ist, die bereits angesprochene EMX-Studie vor, bei der es um „Implementing steps to develop and promote European Music Export“ geht.

Ausgangssituation sei die Studie „A European Music Export Strategy“gewesen, in der eine Dominanz anglo-amerikanischen Repertoires festgestellt wurde und das Bewusstsein, dass es ein großes Potenzial gäbe, das es noch zu nutzen gelte, und einen großen Bedarf an Daten und Fakten. Ziel der Studie war es, Schritte zu erarbeiten, um einen einheitlichen starken europäischen Markt aufzubauen und damit Rahmenbedingungen für europäische Musikschaffende und deren wirtschaftliche Partner zu schaffen, die letztlich den europäischen Musikmarkt wettbewerbsfähig machen sollen und dadurch auch die derzeit bestehende anglo-amerikanische Dominanz im Musiksektor beenden zu können. „Es muss egal sein, wo ein Musiker, ein Label etc. auf die Welt kommt, es muss für alle gleichermaßen die Möglichkeit vorhanden sein, das Potenzial voll auszuschöpfen.“ Erarbeitet wurde, wie man in mehreren Schritten einen nachhaltigen Prozess aufbauen kann. Es gehe dabei darum, zu lernen, zu wachsen, den innereuropäischen Austausch zu forcieren, die Datenerhebung zu verbessern und dann in die Welt hinaus zu gehen, also zu exportieren.

Die in der Studie erarbeiteten Maßnahmen sollten nun in der Nachfolgestudie EMX getestet werden. Dass das mica diese große Studie leiten durfte, bezeichnete Hergovich als große Ehre. Das sei für ein kleines Land wie Österreich nicht selbstverständlich.

„Zeitlich waren es 22 Monate, um viele Elemente zu testen – eine Herausforderung, denn die Zeit war kurz und man musste Reisen nach Indien und Mexiko, so genannte Fact Finding Missions und auch Trade Missions, während der Pandemie durchführen.“

Bedauerlicherweise konnte ein Element aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine nicht durchgeführt werden, eine so genannte Incoming Delegation Tour von Professionals aus Weißrussland, der Ukraine, Moldau und Russland in fünf zentraleuropäische Länder. Letztlich wurde trotz der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit abgesehen von diesem letzten Punkt alles bewältigt

Das erste Forschungsziel sei es gewesen, so Hergovich, die Auswirkungen der Pandemie auf den europäischen Musikexport zu untersuchen. Keine große Überraschung: Die Pandemie habe einen großen Ausschlag gegeben und die Unterschiede vergrößert. „Die Herausforderungen, einen einheitlichen europäischen Markt zu schaffen, wurden damit größer.“ Neue Online-Methoden, etwa für eine virtuelle Trade Mission nach Kanada in einer Gaming-Plattform-Umgebung, wurden erprobt und ein (von Hollmann lobend erwähntes) Ausbildungsprogramm wurde für exportierende Akteur:innen wie Labels, Managements, Agenturen, Verlegern sowie Export-Organisationen erarbeitet, das wiederum Online- und Live-Elemente bzw. Mentoring beinhalte. „Herausgekommen ist ein übertragbares Programm, das sich jederzeit umsetzen ließe“, so Hergovich. Es bestünde aus „einer Vorbereitung, damit alle einmal auf ein Level kommen, sowie Ausbildung in Gruppen und individuell, sowie einem bleibenden, nachhaltigen Networking-Element.“, Für den Schritt, außereuropäische Märkte zu erschließen, wurde ein Bündel an Maßnahmen entwickelt, EMX Gateway genannt, bestehend aus Marktrecherche, Fact Finding Missions, Prospecting Missions durch Musikexportbüros gefolgt von Trade Missions und Incoming Delegations sowie – ganz wichtig im Sinne der Nachhaltigkeit – Förderprogramme für darauf aufbauende Aktivitäten.

Warum Fact Finding Missions, wo es doch genug Online-Material gibt?

„Es wird dir niemand von Drogenkartellen in Mexiko oder Korruption in Südafrika erzählen“, so Hergovich. Hinzufahren zahle sich daher aus, wenn man wirklich valide Informationen bekommen möchte.“ Dass an diesen Reisen Leute aus den unterschiedlichsten Märkten, auch kleineren und teils strukturschwächeren Ländern wie Rumänien, Bulgarien und Mazedonien teilnahmen, bringe allen was, so Hergovich: Für die Kleinen, weil sie es sich sonst nicht leisten könnten, für die großen Länder, weil selbst ein großer Markt wie der französische aus indischer Sicht überschaubar sei. „Wenn man dort als Europa auftritt, ist das Interesse groß, sich auszutauschen und zu vernetzen.“ Es gehe darum, nachhaltig Brücken zu bauen und Geld zur Verfügung stellen, damit die geschaffenen Möglichkeiten genutzt werden. Als sehr wichtig hat sich auch der innereuropäische Austausch der Teilnehmer:innen erwiesen. In einem einheitlichen europäischen Markt werden auch für die besser entwickelten Märkte persönliche Kontakte in derzeit noch weniger entwickelten Regionen bedeutend sein.

Auch ein Ressource Center wurde aufgebaut, „in dem derzeit ca. fünfzehn Market Reports enthalten sind“, was Hergovich als „durchaus ausbaufähig“ bezeichnet, wenn man entsprechende Mittel bekomme.

So etwas wie Konkurrenz oder Neid habe es zwischen den teilnehmenden Nationen nicht gegeben. Im Gegenteil: Es sei erstaunlich gewesen, wie gut die Kooperation zwischen den europäischen Ländern funktionierte. „Es gibt keinen Neid, wir unterstützen uns gegenseitig bzw. hilft man gemeinsam Staaten, die noch kein Export-Office haben, bei der Gründung.“ Der weltweite Markt sei so groß, dass für alle Platz ist.“

Hergovich abschließend: „Wir brauchen nachhaltige strategische Maßnahmen, finanzielle Sicherheit und eine starke Organisation, damit man langfristig arbeiten kann. Wenn man immer nur ins nächste Jahr schauen kann, wird man langfristig nichts aufbauen können.“ Und eine gute, starke Marke brauche es auch.

Gemeinsame, Ministerien-übergreifende Kulturstrategie

Wir würden uns in Österreich, vor allem wenn es um die Musik und ihre Vermarktung im Ausland geht, ja oft als „kleines Land“ bezeichnen, führte Moderator Hannes Tschürtz danach aus. Deshalb treffe es sich gut, dass Ave Sophia Maria Tölpt, Direktorin von Music Estonia, im Anschluss das estnische Modell vorstellte und damit das Modell eines Landes, das in etwa die Größe von Oberösterreich und nur 1,3 Mio. Einwohner aufweist. Auch sei die estnische Sprache bei weitem nicht so verbreitet wie die deutsche.

Ave Tölpt kann dennoch Erfolge vorweisen. Man habe den Ort, also seine Brückenfunktion zwischen östlichen und westlichen Ländern, als Nische erkannt, so die Direktorin. Erfolgsgeschichten gibt es viele. Heraus ragt vielleicht die des estnischen Rappers Tommy Cash, der international viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zu den Zahlen: Die Einnahmen aus dem musikalischen Kerngeschäft betrügen in Estland 108 Mio. Euro, kombiniert mit anderen Sektoren seien es 184,8 Mio. Euro.

Die Mission von Music Estonia sei es, die professionelle Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Musikindustrie zu fördern, für eine gute Vernetzung zu sorgen und den Erfolg estnischer Musikfirmen zu begleiten.

Erstaunlich ist, dass es in Estland eine „Culture 2030 Strategy“ gibt – eine gemeinsame Kulturstrategie des Kulturministeriums, die auch ein spezielles, der Musik gewidmetes Kapitel beinhaltet. Darüber hinaus gibt es die „Tallinn City of Music Strategy 2022–2025“ und eine Innovationsstrategie (2021–2035), die eine Kooperation mit dem Bildungs- und Wirtschaftsministerium darstellt. Es wird also, um der Querschnittsmaterie Musik gerecht zu werden, Ministerien übergreifend an gemeinsamen Strategien gearbeitet.

In Zukunft setze man darauf, so Tölpt, die Kooperation zwischen den baltischen Staaten auszubauen. Es gehe darum, bestehende Programme weiterzuführen und Märkte außerhalb Europas durch Trade Missions zu erschließen, in sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu investieren und die Datenlage zu verbessern. Für all das brauche es langfristige finanzielle Zuwendung seitens der Regierung. Als größte Erfolgsfaktoren bezeichnet Tölpt das größte estnische Showcase-Festival Tallin Music Week (seit 2009) und die Gründung von Music Estonia (2014).

Die Wertschöpfung

„Musikwirtschaft hat einen gewaltigen Wert“, führte Hannes Tschürtz als Überleitung zum nächsten Vortrag aus. Was wir bisher allerdings nur im Bauchgefühl hätten, sei nun durch die Ergebnisse der von AKM, dem Fachverband der Musik und Film (FAMA) innerhalb der WKO und der IFPI Austria (Verband der österreichischen Musikwirtschaft) gemeinsam in Auftrag gegebenen Studie „Wertschöpfung der Musikwirtschaft in Österreich“ auch verschriftlicht. Es sei „unfassbar beeindruckend, was und wie es gemacht wurde“, so Tschürtz.

Anna Kleissner, geschäftsführende Gesellschafterin der Econmove GmbH mit Sitz in Kärnten und Mitgründerin und Institutsleiterin des Instituts für Österreichs Wirtschaft mit Sitz in Wien, ist Hauptautorin dieser Studie. Sie hat sich ihr Leben lang mit Wirtschaftsforschung beschäftigt. In ihrem Vortrag, mit dem sie die Ergebnisse der Studie vorstellte, warf sie einen gesamtökonomischen Blick auf die Wertschöpfung. Statistik sei nicht unbedingt kompatibel mit der Logik der Musikwirtschaft, meinte Kleissner einleitend. Auf den ersten Blick sei Musik immer nur ein Teilbereich. Hier sieht sie Parallelen zum Tourismus, der auch viel mehr sei als nur das bloße Beherbergungswesen. Wie der Tourismus so sei auch die Musikwirtschaft eine Querschnittsmaterie. Es gebe viele verschiedene Bereiche, die allesamt einen Bezug zur Musikwirtschaft haben, von der Entstehung des Werkes hin zur Zugänglichmachung, damit es wirtschaftliche Effekte generieren kann, was so unterschiedliche Gruppen wie Kreative, Managements, Labels, Verlage und Verwertungsgesellschaften sowie Verwertungsformen à la Streaming, Radio, TV, Konzerte und Festivals umfasse. Es sei „ein bunter Blumenstrauß an verschieden Wirtschaftssektoren“, die man also berücksichtigen müsse. „Und es gibt viele Bereiche, die nicht existent wären, würde es keine Musik geben“, so Kleissner, den Musiktourismus etwa. „Um die 3 % aller Übernachtungen nämlich würden dem Besuch einer Musikveranstaltung dienen – in einem Tourismusland wie Österreich keine Kleinigkeit.“ Man dürfe auch die Elektronik bzw. Unterhaltungselektronik, Veranstaltungsequipment und zahlreiche Vereine (von Blasmusik bis zu Fanclubs) nicht vergessen, und auch die Musikausbildung sei ein wichtiger Faktor. „56 % aller in Österreich Musik Studierenden stammen aus dem Ausland“, so Kleissner. Die Musikausbildung sei daher ein Exportschlager.

Fachlich war es notwendig, eine eigene Methode zu entwickeln, damit es über die Wertschöpfungsnetzwerke hinweg zu keinen Doppelzählungen kommt, das so genannte „Satellitenkonto“.

Musikförderung kommt 36-fach zurück

Zu den Fakten: Ungefähr 7.000 Personen würden den Kern der Musikwirtschaft ausmachen, 95.000 seien es insgesamt und 14.000 Jobs in der vorgelagerten Wertschöpfungskette. Das sind 2 % aller Beschäftigten in Österreich, woraus sich ein Beschäftigungs-Multiplikator von 1,24 ergebe, was nicht viel, in einer beschäftigungsintensiven Branche wie dieser aber normal sei. Das bedeutet, dass jeder Job, der geschaffen wird, schafft 0,24 andere. Insgesamt aber, über die ganze Wertschöpfungskette bzw. -netzwerke hinweg betrachtet, schaffe die Musikwirtschaft deutlich mehr Arbeitsplätze als der Hochbau, sie sei mit einem Anteil von 56,6 % überwiegend weiblich, während der Anteil der Selbständigen 17,7 % betrage und damit knapp über dem Durschnitt liege. Die meisten Beschäftigten seien zwischen 25 und 50, „und die Musikwirtschaft schafft Jobs auf allen Ausbildungsstufen“, so Kleissner. Insgesamt würden 95.000 Jobs generiert, 4,8 Milliarden Euro Wertschöpfung direkt ausgelöst und damit über 2,8 % der Wirtschaftsleistung und 7,5 Mrd. insgesamt. Die Brutto-Wertschöpfung liege damit genau auf der Höhe der Gastronomie oder Beherbergung und damit auf Augenhöhe mit den großen Wirtschaftssektoren. „Ein Euro, den ich in die Musikwirtschaft investiere, generiert 57 Cent in musikfernen Branchen“, so Kleissner. Umgekehrt bedeute das: „Nehme ich der Musikwirtschaft einen Euro weg, kostet das noch einmal 57 Cent in der restlichen Wirtschaft.“ An fiskalischem Effekt generiere die Musikwirtschaft im Kern 4,4 Milliarden Euro, fasste Kleissner zusammen. „Was ursprünglich an Förderung investiert wird, kommt also 36-fach zurück“, so Kleissner. „Wenn ich 1 Euro investiere, kommen 36 Euro zurück.“ Das habe sie noch in keinem anderen Bereich gesehen, nicht einmal im Sport. Man sei daher gut beraten, in die Musikwirtschaft zu investieren.

Best-Practice-Beispiel Waves Vienna bzw. OSKA

In einem weiteren Teil der Veranstaltung ging es darum, Perspektiven aus der Praxis zu vermitteln, vor allem ein Best-Practice-Beispiel. Am Podium beteiligten Daniela Neumayer, seit 2015 Produktionsleiterin und seit 2023 auch Prokuristin des Jazzfestival Saalfelden, die Sängerin und Komponistin OSKA, die im Artist-Management tätige Annemarie Reisinger-Treiber, die etwa OSKA betreut, und Thomas Heher, Leiter des von ihm 2011 konzipierten und initiierten Waves Vienna Festival & Conference, Co-Projektleiter des Austrian Music Export und kaufmännischer Leiter der Vienna Club Commission.

Für Daniela Neumayer liege der Fokus ihrer Arbeit auf dem Generieren neuen Publikums, sagte sie, um der Festivalstruktur eine Zukunft zu geben, da das reine Jazz-Publikum altere.

Es gehe darum, eine größere Bandbreite zu erreichen. „Der Tourismusverband ist der offizielle Veranstalter des Festivals“, erzählte sie, das sei einzigartig, denn man stünde so auf sicheren finanziellen Beinen, was allerdings nicht heiße, dass man keine zusätzlichen Förderungen benötige. Die Zahlen von Saalfelden können sich für ein innovatives und experimentelles Festival sehen lassen: Über 30.000 Besucher:innen für eine kleine Stadt mit 17.000 Einwohner:innen, einen großen österreichischen Musiker:innen-Anteil und Bezahlung nach Fair-Pay-Kriterien (also alle Akteur:innen bekommen fair bezahlt).

Thomas Heher gab Auskunft darüber, weshalb es das Vienna Waves als Showcase-Festival gibt, das

über einen Festivalteil verfügt, der sich auf „New Talents“ konzentriert, wie auch über einen Konferenzteil, der unterschiedlichste Panels, Keynotes und Masterclasses umfasst. „Die beiden Bereiche bedingen sich gegenseitig“, so Heher. „Manager:innen, Veranstalter:innen, Export-Profis, Labels, Verlage kommen – insgesamt über 800 Teihnehmer:innen, die Hälfte davon international, sind auch am Abend bei den Konzerten anwesend. Die Bands spielen daher nicht nur vor Wiener Publikum, sondern auch vor diversen Spezialist:innen, die sich tagsüber weiterbilden und vernetzen.“

Der Gründungsgedanke sei gewesen, eine Plattform für die heimische Musikszene zu schaffen, um sich zu präsentieren und Wien auf der internationalen Bühne der Showcase-Festivals zu verankern.

Die geographischen Gegebenheiten bezeichnete Heher als Vorteil, denn östliche Musik sei, als man mit Vienna Waves startete, auf westlichen Märkten unterrepräsentiert gewesen. “Es ging darum, der Branche die Möglichkeit zu geben sich zu präsentieren und sich auszutauschen” Der in etwa gleichzeitig gegründete Music Export habe von Anfang an versucht, Fokusse zu schaffen, bei denen einzelne Länder eingeladen und (aus Gründen nachhaltiger Wirkung) im Anschluss weiterbearbeitet wurden.

OSKA gelang 2020 der große Wurf. Die Waldviertlerin unterschrieb ihren ersten Plattenvertrag bei dem kanadischen Label Nettwerk, gewann wenig später den „XA Music Export Award“ beim Waves Vienna. Jenes Festival bezeichnet sie selbst als Startschuss für ihre mittlerweile internationale Karriere: „Das hat damals wahnsinnig viele Türen und Tore geöffnet, etwa zum Reeperbahn Festival und zum Eurosonic“, wo sie auch den renommierten „Music Moves Europe Award“ gewann.

OSKA spielte 2022 über hundert Konzerte in ganz Europa, inklusive Auftritte im Vorprogramm von Künstlern wie Milow, Stu Larsen, HAEVN, Matt Simons oder Tom Odell.

Waves Vienna hat mein Leben verändert, ein Domino-Effekt trat ein, der mich noch heute überrascht“, so die Künstlerin. Im August wird sie für die britischen Superstars Coldplay alle vier ausverkauften Shows am 21., 22., 24. und 25. August 2024 im Wiener Ernst-Happel-Stadion eröffnen.

Wünsche an die Politik

In einem letzten, von Kathrin Kneißel moderierten Teil, der aus partizipativen Workshops bestand, ging es darum, „elegante nächste Schritte“ der Stakeholder an die Politik oder Wünsche an die Branche selbst zu erarbeiten. Drei Bereiche sollten dabei ins Visier genommen werden: Die Rolle der Branche für den internationalen Erfolg, die Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand und das Publikum der Zukunft.

Aus der intensiven Zusammenarbeit resultierten folgende Vorschläge:

  • ein eigenes Musikprogramm auf europäischer Ebene
  • gemeinsames Planen und Vorgehen in Richtung einer gemeinsame Musikstrategie
  • gesamtheitliche Musikstrategie für Labelförderung und Austausch von Kulturinitiativen
  • höhere Planungssicherheit durch mehrjährige Förderzusagen, um internationales Potenzial voll ausschöpfen zu können
  • Musik soll als Teil einer Ministerien-übergreifenden Musikstrategie begriffen werden
  • stärkere Verankerung von Musik in der Gesellschaft und der öffentlichen Wahrnehmung
  • Musikunterricht in allen Schulstufen
  • mehr Risikokapital innerhalb der Branche für strukturellen Aufbau
  • Die Studie zur Wertschöpfung muss breit kommuniziert und nach außen getragen werden, damit sie u.a. auch in den Gebietskörperschaften zur Kenntnis genommen wird.
  • Es braucht eine eigene Koordinierungsstelle für Wirtschafts- und Kulturförderung.
  • Mehr Bewusstsein für die Wertigkeit von Musik muss geschaffen werden.
  • u.U. ein eigenes Ministerium für Kunst bzw. Musik einführen
  • Verstärkte Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sektoren
  • Ausbau internationaler Förderungen, Ausdehnung der Mobilitätsförderungen auf die Professionals
  • das Einbeziehen von Küsntler:innen in den Unterricht, um Neugierde zu entfachen
  • Dem Lehrkräftemangel muss entgegengewirkt werden.
  • Verdopplung der universitären Ausbildungspositionen
  • Niederschwelliger Zugang zu Kultur, damit sich alle Bevölkerungsschichten Kultur leisten können
  • In jeder der neun Bildungsdirektionen sollte es eine Stelle für kulturelle Bildung geben.
  • Die Themen Ausbildung und Bildung müssen auf allen Ebenen forciert werden.