Musik in eine andere Richtung hieven – Spielfelder des „ensemble plus“

Das “ensemble plus” ist derzeit in Vorarlberg eines der wenigen Ensembles, die  konsequent Kompositionsaufträge vergeben und Uraufführungen spielen. Das Neue und der Werkstattcharakter, der den künstlerischen Schaffensprozess deutlich macht, geben den Konzerten eine individuelle Atmosphäre. Unterstrichen wird diese durch das Ambiente im Kleinen Haus des Kornmarkttheaters. In den vergangenen Jahren musizierte das „ensemble plus“ bei den Bregenzer Festspielen ebenso wie im Rahmen des „Bregenzer Frühlings“. Ein eigenes Projekt ging im Kornmarkt über die Bühne, wo die Performance „Haut – die Tiefe in der Oberfläche“ mit einem Kubus von Julia Hanke und der Musik von Gerald Futscher die Aufmerksamkeit erregte. Darüber hinaus machte das Ensemble im Rahmen von Nestroys „Talisman“ die Theatermusik.

Konzerte hier und anderswo
Vor kurzem wurde ein Konzert mit Musik von Vorarlberger Komponisten gegeben. Das Programm stellte Andreas Ticozzi, Gründer und Leiter des Ensembles, für eine Konzertreise nach Wels zusammen, die im Jänner erfolgreich stattgefunden hat. Neben Werken von Gerold Amann, Peter Engl und Gerald Futscher komponierten auch Georg Furxer und Lucas Dietrich für diesen Anlass Werke, die nun auch in Vorarlberg zu hören sein werden. „Das Konzert in Wels war wichtig für uns, wir hatten eine gute Gesamtperformance und sind sehr gut angekommen. Der Organisator Helmut Schmidinger und das Publikum haben positiv reagiert, der Kornspeicher war ein idealer Ort“, resümiert der Ensembleleiter.

Im April führte eine Tournee nach Spanien. „Wir haben während unserer Reise nach Galizien vier Konzerte bei Festivals gespielt. Der Publikumszuspruch war gut. Diese Reise ist im Anschluss an die letztjährige Tournee in die Ukraine zustande gekommen“, erzählt Andreas Ticozzi und betont wie wichtig es für alle Beteiligten ist, die Musik auch über die Bundesländergrenzen hinaus zu tragen und bekannt zu machen.

Hackbrett in ungewöhnlichem Gewand
Weiters auf dem Konzertkalender steht ein Programm, das die besondere Vorliebe des Ensembles für außergewöhnliche Instrumentenkombinationen aufzeigt. Ein ansprechendes Programm gab es bereits mit dem Zitherspieler Harald Oberlechner. Nun gibt sich das „Ensemble plus“ ein Stelldichein mit dem Hackbrett. Elisabeth Seitz konnte für das Konzert engagiert werden. Sie unterrichtet an der Musikuniversität in Linz Hackbrett. Ihr besonderes Interesse gilt sowohl alter als auch zeitgenössischer Originalmusik für ihr Instrument. Gespannt darf man die Uraufführung des neuen Werkes erwarten, das der deutsche Komponist Knut Müller für diesen Anlass komponiert.

Die Zusammenarbeit mit Künstlern, die Instrumente spielen, die meistens in Beziehung zur Volksmusiktradition stehen, resultiert jedoch nicht aus dem Interesse, Volksmusik mit zeitgenössischer Musik in Verbindung zu bringen. „Ich sehe das nicht in Bezug auf die Volksmusik, sondern das Instrument und den Klang. Es wird in der zeitgenössischen Musik nun speziell eingesetzt. Ich möchte das Instrument anders darstellen“, erklärt Andreas Ticozzi. Diesen Gedanken hebt der Ensembleleiter auch auf eine andere Ebene, wenn er einen Leitgedanken seines Tuns betont. „Ich möchte grundsätzlich sehr vieles aus einer anderen Perspektive darstellen. Auch in unserem Konzertbetrieb will ich immer etwas in eine andere Richtung hieven. Ich möchte Lebendigkeit und Echos erzeugen.“

Künstlerfreundschaften

Künstlerfreundschaften werden im „ensemble plus“ hoch gehalten. Deswegen ist der in München lebende Komponist und Pianist Rudi Spring regelmäßiger Gast im Rahmen der Kammermusikreihe des Ensembles. „Er ist eine außerordentliche Künstlerpersönlichkeit. Die Zusammenarbeit mit ihm gibt uns immer neue Inspiration und wir lernen viel“, fasst Andreas Ticozzi zusammen.

Einige Konzerte finden in Form von Matineen statt. Darin könnte auch eine Chance liegen, ein neues Publikum anzusprechen. Allerdings wurde eher aus der Not eine Tugend gemacht, weil es für das Ensemble sehr schwer ist, überhaupt Konzerttermine auf der Probebühne des Kornmarktheaters zu buchen.

Aus dem Alltag ausbrechen
Auf Bühnen, die im öffentlichen Bewusstsein weit weniger präsent sind, gastiert das „ensemble plus“ mit etwa fünfzig Konzerten pro Jahr. Im Rahmen der Reihe „Musik am Nachmittag“  spielen die MusikerInnen in Sozialzentren und Altersheimen im ganzen Land. Unterstützt werden sie dabei seit Jahren von der „Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation in München“, auch das Land Vorarlberg unterstützt diese Initiative. Gemeinsam mit dem beliebten und allseits bekannten Schauspieler Kurt Felix ist das Ensemble ein willkommener Anlass, um aus dem Alltag auszubrechen. Auch für die Musiker selbst ist diese Initiative sehr wichtig und Andreas Ticozzi zieht Parallelen zum Engagement für die zeitgenössische Musik. „Musik am Nachmittag hat sich sehr viel weiter entwickelt. Wir gehen zwei Mal im Jahr in jedes Heim in Vorarlberg. Es gibt Parallelen zwischen der zeitgenössischen und der sozialen Schiene. Es hat immer damit etwas zu tun, dass man in dem Moment, wo man musiziert mit dem größtmöglichen Wunsch etwas zu geben, auf die Leute zu geht. Es ist keine Routine, es ist immer eine Herzenssache.“

„Lange Nacht“ im ORF
Für das Frühjahr 2011 plant das „ensemble plus“ in Kooperation mit dem ORF Landesstudio Vorarlberg ein Großprojekt. Zum ersten Mal findet eine „Lange Nacht der zeitgenössischen Musik“ aus Vorarlberg statt, das Konzert wird live in Ö1 übertragen. Hierzu sind selbstverständlich auch Kompositionsaufträge, unter anderem an Dominik Neunteufel und Peter Engl, vergeben worden. Auch die Musikperformance „Haut“ wird dort nochmals zu erleben sein.
Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Nr. 6/2010, Juli-August, S. 34/35.

Factbox:
„ensemble plus“ Kammermusik im Theater am Kornmarkt, Kleines Haus, Bregenz

Samstag, 3. Juli 2010, 19:30 Uhr, Vorarlberger Komponisten im Porträt.
Werke von G. Amann; G. Futscher; G. Furxer; L. Dietrich; P. Engl

Sonntag, 21. November 2010, 11 Uhr, Bläserquintett und Hackbrett. „Ventus musicus“ und Elisabeth Seitz. Werke von M. Huber (UA) und K. Müller (UA)

Sonntag, 12.12.2010, 11 Uhr, Zu Gast – Rudi Spring.
Werke von A. Zemlinsky; H. Eisler; F. Schmidt; R. Spring