Der Komponist Marcus Nigsch hat vor kurzem seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Vorarlberg verlegt. Sein neues Tonstudio bietet ihm dafür einen idealen kreativen Rückzugsort und Spielraum für seine vielen kompositorischen Vorhaben. Über mangelnde Aufträge kann sich Marcus Nigsch wahrlich nicht beklagen. Besonders die Filmbranche schätzt seine kompositorischen Qualitäten. Derzeit schreibt er die Soundtracks fünf Filme.
Am 1. Oktober 2018 erhielt Marcus Nigsch den Kompositionspreis des Landes Vorarlberg. Zu diesem Anlass brachte Aaron Pilsan auch das Klavierstück „Bis Ich Ruhe In Dir“ zur Uraufführung. Für zahlreiche heimische MusikerInnen und Ensembles hat Marcus Nigsch schon komponiert. Viel Anerkennung fand beispielsweise sein Konzert „Leptir“ für Akkordeon und Orchester, das im Auftrag des Symphonieorchesters Vorarlberg entstanden ist und von Goran Kovacevic interpretiert wurde. Überdies schrieb Marcus Nigsch für Monica Tarcsays Quinteto del arco nuevo die „Imágenes vivas“ für Bandoneon und Streichquintett. Auch mit den „Schurken“ gibt es eine enge Zusammenarbeit. So beinhaltet deren neues Programm „Paris, Paris“ – es wird in der kommenden Saison der Bregenzer Festspiele erstmals präsentiert – fünf Werke des Feldkircher Komponisten. Weiters stand ein neues Streichtrio auf dem Programm des letztjährigen Philisophicums Lech.
Im Herbst 2018 war Marcus Nigsch auch in das Theaterprojekt „Am Zug“ von Brigitte Walk eingebunden. Zu den Performances in den Bahnhöfen von Feldkirch, Nendeln und Buchs schrieb er die Musik.
Emotionale Musik schreiben
Marcus Nigsch ist ein Meister der musikalisch-psychologischen Zeitgestaltung. Dies wird auch im Gespräch rasch klar, wenn er von seinem kompositorischen Zugang erzählt. Das Dramaturgische reize ihn an der Filmmusik und die Möglichkeit, für jedes einzelne Projekt eine eigene Tonsprache zu entwickeln. Besonders das emotionale Schreiben sei ihm wichtig und der Zuschauer solle eigene Erfahrungen machen können, die schließlich viel mehr wert seien als jene, die er aufs Auge gedrückt bekomme. Im Rahmen seiner kompositorischen Arbeiten spielt er sehr bewusst mit der Wahrnehmungspsychologie, denn vor Visuellem und der Sprache ist die Musik näher bei der emotionalen Empfindung. „Mich interessieren nicht so sehr Klangexperimente, sondern viel mehr fasziniert mich die emotionale Musik, ohne dass sie in erster Linie funktional ist. Ich möchte etwas zum Schwingen bringen. Mir ist es wichtig, mit dem Handwerk, das ich gelernt habe, meine Aussage zu inszenieren, so dass für die Zuhörenden eine Art Kopfkino entsteht“, präzisiert der Komponist und ergänzt, dass er sich damit in der nächsten Zeit noch intensiv beschäftigen werde, auch für großes Orchester.
Aus Vielem das Wesentliche heraus lesen
Auf seinem Weg sind ihm die vielfältigen Aufgabenstellungen, die das Schaffen von Filmmusik mit sich bringt, eine kreative Herausforderung. „Von Regisseuren erhalte ich oft E-Mails, in denen so viele Informationen und Wünsche formuliert sind, dass ich zuerst den Eindruck habe, sie seien unmöglich zu erfüllen. Zu jedem Satz hat ja auch jeder eine andere Vorstellung. Zwischen jedem Wort ist sehr viel Platz, da kann man so viele Sachen hineinlesen. Aber genau aus derartigen Aufgabenstellungen etwas zu schaffen, ist sehr reizvoll. Wenn ich dem Regisseur dann meine Musik zusende und er sagt, genau das habe ich gemeint, ist das ein wunderbares Gefühl“, so Marcus Nigsch.
Aufträge für fünf Filme füllen derzeit den dicht gedrängten Zeitplan. Interessantes erzählt Marcus Nigsch über seine Vorgangsweise und wie er die Musik für einen Film für sich selbst und in enger Übereinstimmung mit dem Regisseur anlegt. „Meine Komposition beginne ich meistens schon bevor gedreht wird, deshalb sehe ich vorher sehr selten Bilder“, erzählt Marcus Nigsch. „Aber ich kenne die Geschichte und stelle dem Regisseur sehr viele Fragen. Daraus füge ich ein Figurenbild zusammen und überlege das Instrumentarium. Beim Filmschnitt sehe ich zum ersten Mal, ob meine Musik überhaupt funktioniert. Die Bilder im Kopf sind wichtig und es ist etwas vom Schönsten, wenn ich die ersten Skizzen für einen Film mache, weil alles möglich ist. Das ist fern ab von irgendwelchen harmonischen Betten, denn alles ist überlegt und erhält erst dann eine Mehrdimensionalität, wenn die Figuren mit der Emotion zu leben beginnen.“
Liebend gerne für Dokumentarfilme
Sein Selbstverständnis als Filmmusikkomponist sieht er keineswegs in einer dienenden Rolle, denn ein Film stellt ein Gesamtkunstwerk dar. Für Werner Bootes in den Kinos gezeigten Film „The green lie“ komponierte Marcus Nigsch die Musik. Die nächsten Projekte sind ebenfalls Dokumentarfilme, unter anderem arbeitet er mit der Regisseurin Beate Thalberg zusammen. Auch die Musik für einen neuen Film über den Meeresforscher Hans Hass wird Marcus Nigsch komponieren.
Ob er Kammermusik, ein Klavierstück, ein Konzert oder Musik zu einem Film komponiere, bedeute ihm stets gleich viel, betont Marcus Nigsch. Er ist ein konsequenter Arbeiter, der fixe Arbeitszeiten schätzt und sich liebend gerne in seinem Studio einfindet, um sich ganz in seine Aufgaben zu vertiefen. „Man muss akzeptieren, dass es Zeiten gibt, in denen man mehr oder auch weniger inspiriert ist. Aber nur dann zu arbeiten, wenn man inspiriert ist, ist falsch. Dann ist man nie parat für eine gute Idee. Den Kopf und das Handwerk muss man gut in Schuss halten“, lautet die Devise des Künstlers.
Der Weg zielt zur Oper
Ein (Fern-)Ziel von Marcus Nigsch ist die Komposition einer Oper. Wohl durchdacht will er dieses große Vorhaben angehen. Immer wieder laden ihn Schriftsteller und Librettisten zur Zusammenarbeit ein. Noch ist alles offen, aber Literatur für ein mögliches Sujets findet sich bereits im Regal.
Silvia Thurner
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2018 erschienen.
Links:
Marcus Nigsch Website
Marcus Nigsch (Musikdokumentation Vorarlberg)