Musik als Abenteuer: Chris Janka im Interview

Blueblut nennt der Wiener Gitarrist Chris Janka sein jüngstes Bandprojekt, in dem der 40-Jährige gemeinsam mit Pamelia Kurstin am Theremin und Drummer Mark Holub Musikterrains kategorisch entgrenzt. Am 21. Juni veröffentlichten Blueblut ihr Album „Hurts So Gut“, einen abenteuerlichen Trip durch barrierefreie Klanglandschaften. Mit dem Musiker sprach Martin Macho. Backbeat in Kooperation mit mica – music austria.

Töne hängen wie fadenscheinige Windspiele über dir, drängen sich dir irgendwie auf, irgendwie nicht, schieben sich selbst beiseite, um einem neuen klingenden Gast Einlass zu gewähren, der dich für sich irgendwie einnimmt, irgendwie nicht, es erwacht Musik, die dich form- und ziellos irgendwie streift, irgendwie nicht…

Das Trio-Projekt Blueblut hält sich in der Terra incognita der Musiklandschaft auf, am jenseitigen Ufer, mit Sicherheitsabstand, dort wo Konventionen und Praktiken aus der weiten Ferne beobachtet, und mit einem Nasenrümpfen quittiert werden – im freundlichsten Falle. Und wenn auch manch hohlköpfiger Puritaner den Anschlag auf die guten Sitten ausmachen will – Chris Janka, Pamelia Kurstin und Mark Holub sind Elitemusiker, die gar nicht daran denken, ihre Hände in Unschuld zu waschen. Sie führen die ihrigen vielmehr zum Hirn, wenden sich kopfschüttelnd ab und gehen mit einem kaum merklichen Schulterheben ihren eigenen Weg.

Blueblut legten „Hurts So Gut“ als musikalischen Abenteuerroman an. Der Hörer durchmisst gefahrenbange einen Handlungsstrang, weiß vor dem Umblättern oft nicht einmal ansatzweise, was auf der nächsten Seite geschehen wird. Musik wird zum unübersichtlichen Gelände. Improvisierte Kompositionen formten die Landschaft, in der wir nun sacht einen Fuß vor den anderen setzen.

“Das ist sicher keine Berieselungsmusik.”

Vieles auf „Hurts So Gut“ klingt improvisiert und zufällig. Wie viel kompositorische Arbeit steckte hinter diesem Album?
Chris Janka: Das meiste entstand tatsächlich aus Improvisationen heraus. Etwa die Hälfte des Albums basiert auf Kompositionen, wobei diese dann immer auch improvisiert sind. Das heißt, es ist nichts wirklich fix. Das ist ja das Tolle an der Band: Ich hab so gute Mitmusiker, da kann man das machen. Es gibt nur eine Idee, die man dann spielt. Dadurch bleibt nichts gleich.

Beim Hören fällt es schwer, formale und inhaltliche Bezüge herzustellen. Ist der Inhalt bei Blueblut völlig nebensächlich?
Chris Janka:
Es gibt immer Zusammenhänge. Zum Beispiel klingt „Bondàge“ ziemlich James Bond-mäßig. Oder „Noasmr“: ASMR ist die Abkürzung für „Autonomous Sensory Meridian Response“, ein Phänomen, bei dem Menschen sich durch irgendetwas sensorisch stimulieren lassen, und das einfach als angenehm empfinden. Die Nummer ist um die zehn Minuten lang, und in dieser ganzen Zeit wechseln musikalisch unglaublich viele Sachen. Das ist sicher keine Berieselungsmusik. Also, es haben schon alle Nummern ihre Bezüge zu den Titeln.

Woran ist es dir generell in deiner Musik gelegen?
Chris Janka: Ich mag es immer gern, wenn ich in einer Musik ein gewisses Abenteuer spüre. Das heißt, es muss für mich immer etwas dabei sein, das ich noch nicht kenne. Die Musik muss überraschend, spannend bleiben, und das unabhängig vom Stil. Ich höre mir ja alles Mögliche an. Wichtig ist mir auch die Authentizität.

Woher kommen deine Einflüsse?
Chris Janka: Alles ist ein Einfluss irgendwie. Konkrete Vorbilder habe ich da keine.

Sind Begriffe wie Irritation oder Provokation Themen, die dich motivieren?
Chris Janka: Ja, auf jeden Fall. Irritationen und Provokationen sind positive Anstöße, die die Leute zum Nachdenken, oder zumindest zum Hinschauen anregen.

“Du musst schon radikal genug sein, sofern du keine Unterhaltungsmusik machst.”

Ist die Radikalität in deiner Musik auch ein persönlicher Wesenszug?
Chris Janka: Auf jeden Fall. Es spiegelt sich durchaus in der Lebensweise wider (lacht). Wir sind Musiker, die noch dazu davon leben, da musst du schon radikal genug sein, sofern du keine Unterhaltungsmusik machst. Pamelia Kurstin ist ja die bekannteste Thereminspielerin (Theremin: elektronisches Instrument, das berührungsfrei, nur durch Änderung der der Handposition, über ein elektromagnetisches Feld gespielt wird, Anm.) weltweit, Mark Holub ist als Schlagzeuger auch nicht gerade schlecht ausgelastet.

Die Kombination Gitarre, Schlagzeug und Theremin ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Chris Janka: Pamelia Kurstin habe ich über Gustavo Costa, einen Schlagzeuger mit dem ich öfter zusammenspiele, kennen gelernt. Der hat mir von Pamelia erzählt und mir gesagt, dass sie in Wien lebt, sogar nur fünf Häuserblocks von meinem Studio entfernt! Dann bin ich da einfach hingegangen und wir haben uns sofort gut verstanden. Zunächst haben wir für etwa ein halbes Jahr im Studio und als Duo zusammengespielt, bis Mark nach Wien gezogen, und schließlich bei uns eingestiegen ist.

Du bist gelernter Maschinenbautechniker. Welchen Stellenwert hat die Technik in deiner Musik?
Chris Janka: Keinen sehr hohen, muss ich sagen. Abgesehen vielleicht von einigen analogen Effekten, geht es mir immer um die Musik an sich.

Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Tonstudio als Instrument zu?
Chris Janka: Schon eine relativ große. Einen gewissen Schliff kann man den Liedern im Studio immer geben. Das Studio macht, dass es auf der CD gut klingt, wobei wir bei Blueblut die Sachen live auch genauso wiedergeben können

Wie darf man sich Blueblut als Live-Act vorstellen?
Chris Janka: Sehr spannend, es kommt immer gut an. Wir musizieren gerne live, haben immer unseren Spaß auf der Bühne, weil es auch für uns immer wieder ein Abenteuer ist.

Martin Macho
Live:
Blueblut European Tour
27.10. bis 08.11.2014

Fotos © Markus Gradwohl

 

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