MusicaFemina. Aus dem Schatten ans Licht

Eine künstlerisch-wissenschaftliche Ausstellung von Irene Suchy und Clarisse Maylunas von 4. Juli bis 2. September 2018. Wussten Sie, dass „Happy Birthday“, aus der Feder von zwei Frauen, Mildred und Patty Hill, stammt? Was wären die Filme „Chocolat“ oder „The Human Stain“ ohne die Musik von Rachel Portman? Und: Endlich wurde Yoko Ono als Ko-Komponistin von „Imagine“ offiziell anerkannt.

Von 4. Juli bis 2. September ist der Sommer in der Schönbrunner Pflanzenorangerie dem Musikschaffen von Frauen gewidmet. MusicaFemina ist in Österreich die erste künstlerisch- wissenschaftliche interaktive und inszenierte Themenausstellung zum Musikschaffen von Frauen, konzipiert in künstlerischen Raum- und Klanginstallationen und basierend auf der aktuellen weitreichenden musikologischen Forschung zur Frauenmusikgeschichte.

2018, im Jahr der Zeitgeschichte, ist es eine Aufforderung, das Schaffen der Komponistinnen darzustellen. Zum 100-Jährigen Jubiläum des Jahres 1918, der Erlangung des Frauenwahlrechts und der Feier des Friedens, erreicht auch durch die großen pazifistischen Bemühungen der Frauen, ist Schönbrunn ein guter Ort, Licht auf das Musikschaffen der Frauen zu werfen. Nicht nur das 100-jährige Bestehen des Frauenwahlrechts, das Ende des Großen Krieges, sondern auch die Wiederkehr des 70. Jahrestags der Deklaration der Menschenrechte ist der politische Rahmen der Ausstellung.

MusicaFemina umrahmt

  • das Republiksjubiläum und die Errichtung des Frauenwahlrechts
  • den Jahrestag des „Anschlusses“ und seine Folgen für Komponistinnen
  • die EU-Ratspräsidentschaft
  • die Deklaration der Menschenrechte.

Eine besondere Ehre ist die Kooperation mit Donne in Musica und dem UN High Commissioner für Human Rights.

Schönbrunn als Gastgeber ist ein zentraler Orte der österreichischen und europäischen Geschichte, es ist nicht nur ein Musikort des Wettstreits von Mozart mit Salieri, sondern das Zentrum der mäzenatischen Bemühungen rund um die Herrscherin Maria Theresia: Maria Theresia Paradis, Marinna Martinez und auch Marie Antoniette komponierten!

Eine Klangkomposition von Ulla Rauter vermisst die Fassade des Schlosses und setzt dies kompositorisch um.

Zur Gestaltung

Neben der vertikalen Linie einer historischen Darstellung in inszenierten Bereichen und einer Porträtgalerie steht die horizontale Umsetzung in thematisch strukturierten Klangskulpturen. Das Publikum ist gefordert, in den Positionen des Knieens, des Liegens, des Hineintretens in die Klangskulpturen und des Auftritts auf die Bühne MusicaFemina zu genießen. Alle Text-Kommentare, zu hören wie zu lesen, sind zweisprachig englisch und deutsch.

Die Musen – das künstlerische Zentrum der MusicaFemina
Der Raum stellt einen künstlerischen Höhepunkt der Ausstellung dar. Björk hat einmal von Frauen gesprochen, die in den Käfigen der männlichen Energie eingesperrt sind. Die im Raum hängenden überlebensgroßen Skulpturen sind aus beweglichen Stahlbändern gefertigt, sie laden zum Eintritt ein. Es ist die Gläubige, die Gelehrte, die Femme Fatale und die Femme Fragile, die Kämpferin und die Verstummte, die ihr Genre erzählen.

Dirigentinnenbaum
die Zeitreise beginnt beim Betreten der Pflanzenorangerie mit einem Baum, dessen Geäst die Skulpturen der Dirigentinnenhände trägt und somit gleich zu Beginn die umfangreiche und bis heute weit verzweigte Schaffenskraft der Vertreterinnen ihrer Kunst symbolisiert: Susanna Mälkki, Simone Young, Agnes Grossmann, Oksana Lyniv, Sylvia Caduff uvm.

Porträtgalerie
Ein 100m langer Gang präsentiert eine Notenzeile mit Repräsentantinnen: aus allen Kontinenten aus vielen Ländern der Erde, von Francesca Caccini bis Anna Magdalena Bach, von Modesta Sanginés Uriarte bis May Aufderheide.

Der klerikale Raum, das höfische Komponieren und der Salon
Knieend werden Sie eingeladen, die erste historische Station zu besuchen; das klösterliche Umfeld des Mittelalters und der Renaissance, wo etwa Hildegard von Bingen oder Margarita Cozzolani und Isabella Leonarda sich mit ihren Kompositionen einschrieben. In der Kulisse des Barocktheaters werden Sie auf die Bühne eingeladen, als sich Frauen bei Hofe ihrer Kunst widmen konnten: Francesca Caccini, Amalia von Preußen Sachsen Weimar, Wilhelmine von Bayreuth und Helene Liebman. Im 19. Jhdt. hielten Komponistinnen Einzug in die großbürgerlichen Salons, als ihnen öffentliche Aufführungen noch weitgehend versagt geblieben waren. Liegend auf Chaiselongues begegnet dem Publikum Fanny Hensel, Clara Schumann, Dora Pejacevic Louise Adolpha Le Beau oder Amanda Röntgen-Maier.

Der Raum der zertretenen Noten gedenkt der verfemten Künstlerinnen, also derer, denen es untersagt war, während der Zeit des NS-Regimes ihre Kunst auszuüben, jener, die in Exilländern Karriere machten, und derer, die vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden. In diesem abgedunkelten Raum stehen Silhouetten, Skulpturen in Umrissen, in deren Rücken das Publikum informiert wird. Dazu gehören u.a. junge Vertriebene, die ihre Chance nützten, wie Ruth Schonthal oder Ursula Mamlok, die ermordete Pädagogin Ilse Weber oder die Musikoligin Elsa Bienenfeld, die Mäzenin Lilly Lieser und, last but not least, die prominente Verlegerin Yella Hertzka.

Neue Medien und Filmmusik
Spätestens im Rahmen von Filmmusikkompositionen haben Frauen das Feld erobert. Hollywood erfreut sich ihrer ebenso wie die heimische Filmszene, und daher gibt dieser Raum, in seiner Gestaltung einem Kinosaal nachempfunden, durch umfangreiche Beispiele weiblichen Musikschaffens eindrucksvolle Einblicke und wird für manche Überraschung sorgen: Rachel Portmanoder Tricky Women.

Im Raum der Zeitgenossinnen lädt eine Vielzahl an Stationen zum Verweilen und Hören ein, sie lassen erahnen, wie umfangreich sich das Schaffen der Gegenwart darstellt. Eine Leistungsschau und ein repräsentativer Überblick des Komponierens der Frauen: das Orgelforum und der steirische Tonkünstlerbund, die Wiener Symphoniker und das Klangforum, phonofemme und Heroines of Sound, die mdw und die KUG, die Maria Anna Mozart Gesellschaft und die Stiegenhausmusik, das mica und wien modern, Wolfgang Seierl, der ÖKB oder fraufeld. Dieser Raum bietet mit einer Bühne und einem Flügel bis zu 200 Personen Gelegenheit, daran teilzunehmen.

Die Kuratorinnen

Irene Suchy, Dr. phil. Mag artium, hat Studien der Musikwissenschaft und Germanistik, der Musikpädagogik und Instrumentalpädagogik in Wien und Tokyo absolviert. Sie ist Ö1-Redakteurin mit musikologischen wie politischen Themen in Ö1, Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten, u.a. an der KUG und an der KFU Graz, mit einem Schwerpunkt auf feministischer Musikologie und Musikwissenschaft und Radio. Sie ist Ausstellungsmacherin u.a. für das Literaturhaus Wien „Staatsoperetten Kunstverstörungen“, das Wiener Künstlerhaus „Schmuck im Salon“, Dramaturgin und Literatin. Sie hat Publikationen zur neueren Musikgeschichte – über Paul Wittgenstein (2006), Otto M. Zykan (2008) und Friedrich Gulda (2010), zur Geschichte der abendländischen Musik in Japan, zu NS- Verfolgten und zur NS-Musikexilgeschichte, zu feministischer Musikologie sowie zur Zeitgeschichte – Strasshof an der Nordbahn (2012) – in den letzten Jahren herausgebracht. 2013 erschien in der Edition Ausblick “Henzes Utopie. Jugend. Musik. Fest. Deutschlandsberg 1984 – 2003”, in der Bibliothek der Provinz 2013, „Litanei gottloser Gebete“ und 2015 „Schmäh als ästhetische Strategie der Wiener Avantgarden“. Im Juni erscheint Im Hollitzer Verlag ZYKAN WEISE POESIE und ZYKAN STAAT KUNST. Im August hat „Staatsoperette – die Austrotragödie“ in der Neubearbeitung ihres Librettos gemeinsam mit Michael Mautner bei den Bregenzer Festspielen Premiere. Irene Suchy wurde u.a. 2010 mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet, 2011 mit dem Bank Austria Kunstpreis für Kulturjournalismus, 2013 mit dem Karl Renner Preis, 2015 mit dem Radiopreis für Erwachsenenbildung.

Clarisse Maylunas hat nach Studien an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Lois Egg und Erich Wonder internationale Erfahrung in Musiktheater–Ausstattung und Ausstellungsarchitektur gewonnen. Sie schuf Kostüme und Bühnenbilder für Produktionen für Ballett, zeitgenössischen Tanz, Schauspiel, Oper und Musicals u.a. an der Wiener Staatsoper, am Grazer Opernhaus, in New York, Amsterdam, München, Frankfurt und Berlin wie Paris. Sie arbeitete zusammen mit Karl Welunschek, Elena Tschernischowa, Hans Hoffer, Hans Eschberg, Liz King, Elio Gervasi oder Ismael Ivo. Sie kreierte Ausstattungen für zahlreiche Opern-Uraufführungen nach Kompositionen von O. M. Zykan, H.K. Gruber, Giorgio Battistelli, Kurt Schwertsik, Christian Muthspiel, Dieter Kaufmann, Gerd Kühr oder Claude Michel Schoenberg. Ihre Ausstellungsgestaltungen beinhalten eine Serie von Ausstellungen über D ́Annunzio in Rom, in Aquila und Viterbo und zuletzt „Schmuck im Salon“ im Wiener Künstlerhaus. Zur Zeit hält sie einen Lehrauftrag für Kostüm an der mdw Wien – Max Reinhardt Seminar.

Links:
MusicaFemina
Global Women in Music for Human Rights