Murat Üstün ist in Vorarlberg ein anerkannter und weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzter Komponist und Pädagoge. Deshalb erhält er den mit den 7.000 Euro dotierten Musikpreis 2014 des Landes Vorarlberg. Vor kurzem hat Murat Üstün ein Notenheft mit türkischen Liedern publiziert und im Rahmen des Bodenseefestivals ist ihm ein Porträtkonzert im Landeskonservatorium gewidmet. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt der in Klaus lebende Komponist, was es für ihn bedeutet, ein Wanderer zwischen Welten zu sein. Weiters berichtet er über aktuelle Arbeiten und Vorhaben für die kommende Zeit.
Im Rahmen des diesjährigen Bodenseefestivals ist dir ein Porträtkonzert unter dem Leitgedanken „Wanderer zwischen Welten“ gewidmet. Fühlst du dich als Wanderer zwischen Welten und was bedeutet das für dich?
Murat Üstün: Ich war ein Wanderer, weil ich einige Jahre mit dem Zirkus Hagenbeck viel herumgekommen bin. Für mich war es immer eine Bereicherung, andere Kulturen kennen zu lernen. Ohne eigene Identität kann man sich jedoch mit anderen Kulturen schlecht beschäftigen. Bis zu meinem neunzehnten Lebensjahr habe ich in der Türkei gelebt, ich habe dort studiert, dort leben meine Verwandten und viele meiner Freunde. Natürlich bin ich von der türkischen Kultur beeinflusst worden und ich schöpfe daraus. Aber ich habe meine eigene Identität entwickelt und schätze es nun, dass ich mich als Wanderer zwischen den Kulturen hin und her bewegen kann.
Viel Zuspruch
Ein Ensemble des Landeskonservatoriums führt dein Blechbläserquintett „Seidenstraße“ auf. Das ist wohl dein meist gespieltes Werk. Weiters wird dein neuestes Stück „Die Yunus Emre Suite“ zu hören sein. Welche Überlegungen leiten dich als Komponisten?
Murat Üstün: Zuerst hatte ich Zweifel, das Werk „Seidenstraße“ herauszugeben, weil ich dachte, es ist kitschige türkische Musik und weit entfernt von zeitgenösssischer Musik. Weil in weiterer Folge aber Musik wie die „Seidenstraße“ oft verlangt worden ist und dadurch, dass ich mich nicht unbedingt als Vertreter der neuen Musik sehe und auch hobbymäßig komponiere, habe ich nun auch ein Selbstverständnis als Komponist gefunden. Bei vielen Werken konnte ich mich in meinen Möglichkeiten austoben und sie haben ganz unterschiedliche Charaktere. Aber ich bin mir bewusst, dass vieles von dem, was ich mache, in gewissem Sinn eine Nachahmung ist. Ein großes Ziel von mir ist es, mit neuen, total verrückten Idee zu arbeiten.
Die „Yunus Emre Suite“ habe ich im Auftrag des Saxophonisten Fabian Pablo Müller komponiert. Yunus Emre ist ein türkischer Dichter aus dem 13. Jahrhundert. Seine Gedichte werden heute noch sehr gerne gelesen, weil man seine Texte mit dem aktuellen Leben in Verbindung bringen kann. Ich wollte ihn mit diesem Stück ehren.
Wenn du für ein Porträtkonzert auch Werke anderer Komponisten empfehlen müsstest, welche würdest du wählen?
Murat Üstün: Das ist eine schwierige Frage. Das Porträtkonzert steht in einem Bezug zur türkischen Musik. Aus diesem Umfeld und im Hinblick auf die Volksmusik würden Kompositionen von Paul Hindemith, Béla Bartók und György Ligeti gut passen.
Türkische Musik für den Musikunterricht
Im Musikverlag Doblinger ist das Notenheft „Türkische Lieder“ erschienen. Welche Ausgangsgedanken haben dich dazu bewegt, arrangierte Volkslieder in einer Sammlung heraus zu geben?
Murat Üstün: Immer wieder haben Musikschullehrerinnen nachgefragt, ob ich türkische Stücke für ihre Musikschüler hätte. Deshalb habe ich einige Stücke für den Musikunterricht gemacht und sie sind stets gut angenommen worden und die Schüler haben sie gerne gespielt. Schön, dass sie nun einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Welche Vorhaben hast du für die nächste Zeit?
Bis jetzt habe ich eher auf die Schnelle für meine Schüler und auch andere Musikstudenten komponiert. In der nächsten Zeit möchte ich mich gezielter darauf konzentrierten, Werke für Musikstudenten zu schaffen, die sie zum Beispiel auch bei Wettbewerben aufführen können.
Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Mai 2014 erschienen.