Momentaufnahmen im neutralen Raum – Andreas Trenkwalder im Porträt

Dieses Porträt von Jonathan B. Hofmann entstand im Zuge der Lehrveranstaltung „Ästhetischer Diskurs, Reflexion, Kritik: Schreiben und Sprechen über Neue Musik“ von Monika Voithofer im Wintersemester 2022/23 am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien und wird als Teil einer Kooperation mit mica – music austria hier im Magazin veröffentlicht. Für diese Aufgabenstellung konnten die Studierenden frei eine aufstrebende Persönlichkeit aus dem Bereich der neuen Musik wählen.

Während viele in ihrer musikalischen Ausbildung ein sehr klares Ziel verfolgen, zum Beispiel Konzertinstrumentalist:in oder Dirigent:in zu werden, ging es Andreas Trenkwalder (* 1986 in Zirl) schon immer darum, sich ständig neue Ziele zu suchen, statt in einem festgelegten Weg zu verharren. Nachdem er als Kind begonnen hatte, Hackbrett zu spielen, führte sein Weg weiter zur Geige und Bratsche hin zum Studium für Instrumentalpädagogik für Violine, Viola und Jazz bei Mirjam Tschopp und Christos Kanettis am Tiroler Landeskonservatorium und am Mozarteum. Im Laufe dieser Zeit entwickelt er allmählich Interesse dafür, wie Musik im Kern funktioniert. Es war nicht mehr genug, Stücke einfach nur nachzuspielen, es ging ihm insbesondere auch darum, zu verstehen, worauf es beim Entstehungsprozess eines Werkes ankommt.

Also entschied sich Trenkwalder für ein Kompositionsstudium in Innsbruck bei Franz Baur, ebenfalls am Tiroler Landeskonservatorium. Doch auch hier sollte die Reise noch nicht enden: Im Zuge eines Kompositionsworkshops begann Trenkwalder, sich näher mit den Klängen synthetischer Klangerzeuger zu beschäftigen. Dies führte in weiterer Folge dazu, dass er 2014 Computermusik bei Marko Ciciliani und Gerhard Eckel an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz zu studieren begann.

Die Faszination sowohl für die zeitgenössische klassische Musik als auch für experimentelle elektronische Musik spiegelt sich gleichermaßen in Trenkwalders Werken wider.

Der rege Austausch mit Gleichgesinnten ist hierbei der beste Treibstoff für Trenkwalders Ideenmaschinerie. Ohne umfangreiche Kommunikation über Musik, ihre Ursprünge und Weiterentwicklungen, über Konzerte und Ausstellungen mit Menschen aus dem direkten Umfeld kann für ihn kein nährreicher Boden für Kompositionen entstehen. Die Interaktion sowohl beim Musizieren, als auch beim Rezipieren ist für ihn die größte Inspirationsquelle.

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Ein zeitloses Konstrukt der Ambivalenz und Ungewissheit

Um die Musik Trenkwalders zu verstehen, braucht es keinerlei Vorwissen, er möchte niemanden ausgrenzen. Musik, wie er sie schreibt, ist für den Moment geschaffen, in dem sie erklingt, und für den Raum, in dem sie erklingt. So wie ein Klang verschwindet, entsteht ein neuer und überschreibt die Erinnerung völlig. Sicher gibt es Stücke, die in ihrer Form gewissen Mustern folgen und theoretisch wie praktisch auch nochmals gespielt werden können, ohne komplett anders zu klingen. Jedoch ist der Kerngedanke, dass ein Stück so, wie es zum Zeitpunkt der Performance erklingt, nie wieder zu hören sein wird. Nicht in der exakten Form zumindest. Die Musik Trenkwalders ist somit immer ein zeitloses Konstrukt der Ambivalenz und Ungewissheit. Sie schafft ein Bewusstsein für den Klang im Hier und Jetzt. Was zählt, ist die bewusste Auseinandersetzung mit dem, was uns in dieser Sekunde präsentiert wird. Auch der Raum ist hierbei nicht auszuklammern.

Am liebsten sind ihm Räume, die so wenig Konnotationen wie möglich hervorrufen. Möglichst neutral, roh und leer, in denen man sich frei bewegen kann.

Das Publikum sollte möglichst nicht in eine gewisse Erwartungshaltung gebracht werden, was natürlich so nicht möglich ist. Dennoch wäre es von Vorteil, wenn der Raum nicht das Verhalten des Zuhörenden determiniert. So ist ein Konzertsaal wahrscheinlich der ungeeignetste Ort für eine Aufführung, sagt Trenkwalder, da man hier (meistens) einem bestimmten Muster, einem Skript folgt. Menschen in Konzerthäusern wissen immer genau, wann sie zu klatschen haben und wann nicht. Mit dieser Erwartungshaltung des Publikums sollte laut Trenkwalder generell mehr gebrochen werden. Mit dieser Thematik will er sich in zukünftigen Projekten ausführlicher befassen.

Andreas Trenkwalder
Andreas Trenkwalder

Fragile und mystische Klangflächen weben sich zwischen Geräusch und Harmonie, zwischen klarer rhythmischer Struktur und fragilen Tonfolgen.

Aber wie klingt nun eigentlich die Musik? Lässt sich denn der Stil und die Ästhetik von Andreas Trenkwalders in wenigen Worten beschreiben? Er selbst tut sich damit jedenfalls sehr schwer, denn welchen Sinn hat es überhaupt, ein so breites Spektrum an gebotenen Klangwelten in ein so kleines Korsett zu pressen? Schließlich geht es ihm bei seinen Stücken auch immer ums Experimentieren, ums Erforschen. Darum, neue Methoden für sich zu entwickeln, neue Wege der Klangerzeugung zu entdecken und vor allem: das Alte hinter sich zu lassen, sich nicht mehr mit Vergangenem zu beschäftigen. Daher war es für Trenkwalder bis dato auch nicht von Interesse, Tonträger für die Öffentlichkeit zu produzieren. Für ihn erfordert Musik als (Massen-)Medium eine völlig andere Herangehensweise der Produktion und Komposition, als er es bisher praktizierte. Seine Werke sind bislang nur in dem Moment zu erleben, in dem sie auch aufgeführt werden. Aufnahmen von etwaigen Aufführungen gibt es, sie haben für Trenkwalder jedoch eher einen dokumentarischen Charakter und lassen sich nicht mit der Erfahrung vor Ort gleichsetzen.

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Der Klang selbst in seiner Objektivität kann jedoch durchaus gehört und erlebt werden, wenn man sich Aufnahmen von Aufführungen auf seinem YouTube-Kanal anhört. Stücke wie „fake glitch #1“ (2021) oder „together alone I–IV“ (2018) verstehen es wunderbar, verschiedene Dimensionen zu verbinden. Analoge mit Digitalen, Klangliche mit Visuellen. Dabei werden gewohnte und ungewohnte Klänge und Geräusche in Kontrast oder gegenseitige Ergänzung zueinander gebracht. Die Einbindung der elektronischen Elemente in ein Instrumentarium geschieht auf sehr elegante Weise. Indem zum Beispiel bei „together alone“ Wii-Remotes verwendet werden, um die Klänge der Instrumente neu zu definieren, sie mittels Elektronik zu verfremden und durch die Bewegung der Controller fast schon lebendig werden zu lassen.

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Fragile und mystische Klangflächen weben sich zwischen Geräusch und Harmonie, zwischen klarer rhythmischer Struktur und fragilen Tonfolgen. Die Ambivalenz des Klangs geht hierbei immer Hand in Hand mit einer sehr gezielten, einfachen Methode, jene zu erzeugen. Wie zum Beispiel in „Study I for Reaccordeon“(2017), wo Klänge eines Akkordeons mittels Computeralgorithmus verfremdet werden. Das Programm selbst ist simpel gehalten, jedoch sind die Klänge die dabei entstehen können, extrem vielfältig. Eine solche Vorgehensweise ist bezeichnend für Trenkwalders Kompositionen.

Spaß am Klang erleben und zu teilen

Neben seiner Tätigkeit als Komponist ist Andreas Trenkwalder zudem auch Instrumentalist in einigen Ensembles tätig, darunter mit Wirkwerk auch in einem für Neue Musik in Tirol. Außerdem ist er Mitbegründer der Konzertreihe Noiz // Elektrorauschen. Zusammen mit Valerie Fritz und Josef Haller veranstaltet er Konzerte in Innsbruck rund um das Thema elektronische Musik. Seien es Klanginstallationen, Konzerte für Neue Musik, Techno-Raves oder Live-Improvisationen. Bei Noiz geht es darum, Zielgruppen zusammenzubringen und Räume für neue Eindrücke zu öffnen; sich über das Erlebte auszutauschen, in Kontakt zu treten, Inspiration zu finden und vor allem: Spaß am Klang zu erleben und zu teilen.

Jonathan B. Hofmann

Links:
Andreas Trenkwalder (YouTube)
Andreas Trenkwalder (music austria Datenbank)
Andreas Trenkwalder (edition consonanza)
Noiz // Elektrorauschen