Zu Zeiten der Klassik war das Konzertprogramm überwiegend mit zeitgenössischen Werken gefüllt, so dass das Publikum selbstverständlich stets in Kontakt mit dem aktuellen Musikschaffen kam. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand man wieder Interesse an Werken des Barock und so kombinierte man das damals Komponierte mit früherem Schaffen. Nach und nach jedoch schrumpfte der Anteil junger Kompositionen, bis nach dem Zweiten Weltkrieg überwiegend auf die bereits vergangene Tradition gesetzt wurde – ein Umstand, der sich zwar inzwischen wieder etwas zum Besseren gewendet hat; dennoch finden Kompositionen des letzten Jahrhunderts kaum größere Aufmerksamkeit. Und oft geraten sie nach der Uraufführung rasch wieder in Vergessenheit. Ein maßgeblicher Grund dafür mag darin liegen, dass man kaum in Kontakt mit Neuer Musik kommt, wenn man ihn nicht aus eigenem Antrieb heraus sucht.
Denn sowohl in den Medien wie auch in der Schule oder im Instrumentalunterricht wird man nicht genügend damit in Berührung gemacht, um die zunächst ungewohnten Klänge in die angelernten tonalen Hörgewohnheiten zu integrieren. Doch bergen Kompositionen jüngeren Datums spannende Herangehensweise, außergewöhnliche Klangwelten und bieten zudem die Gelegenheit, mit den KomponistInnen in Kontakt zu treten. Um vor allem die jüngere Generation mit Neuer Musik in Berührung zu bringen, hat Axel Petri-Preis die Serie “Module zur zeitgenössischen Musik” zu einzelnen Werken zeitgenössischer Musik gestartet, mit der er LehrerInnen Materialien an die Hand gibt, um ihren jungen, offenohrigen SchülerInnen den Zugang zur Neuen Musik schmackhaft zu machen.
Im Zentrum der jüngsten Ausgabe steht „Polygon“ für Klavier und Orchester von Johannes Maria Staud, anhand dessen die SchülerInnen der AHS-Oberstufe einerseits mit der Klangsprache des jungen österreichischen und bereits international renommierten Komponisten vertraut gemacht werden und zugleich anhand der Begriffe „Tradition“, „Kanon“ oder „Klavierkonzert“ die Bezüge zu vergangenen Zeiten erfahren können. Denn wenngleich auf das erste Hören nur wenige Anknüpfungspunkte an die Tradition zu vernehmen sind, lassen sich diese durch historische Verbindungen rasch verdeutlichen. Und das gelingt dem engagierten Musikvermittler durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden, bei denen die SchülerInnen in einem hohen Maß selbst in Aktion treten können, wenn sie etwa dazu aufgefordert werden, eine Radiosendung zu einem der Orchesterinstrumente zu konzipieren, eine Partitur, bei der einzelne Teile ausgeschnitten sind, wieder in ihre richtige Form zu bringen oder die Zentraltöne des Werkes ausfindig zu machen. Anhand dieser Beispiele lässt sich erkennen, dass sich die Lehrbehelfe an SchülerInnen unterschiedlicher Schulstufen richten, wobei einzelne Übungen auch an das Alter angepasst werden können. Dass dabei auch mit den Noten gearbeitet wird, darf dabei nicht abschrecken, sondern soll die Neugier an der intensiven Auseinandersetzung wecken und für ein weiterführendes Verständnis der Musik sorgen.
Neben den rein musikalischen Kenntnissen fordert das Material aber auch zur fächerübergreifenden Behandlung des Werkes auf, denn dadurch, dass sich Staud in besagtem Werk auf die bildende Kunst von Walter de Maria beruft, regt dies auch dazu an, die in Geschichte und Gegenwart häufig zu findenden Einflüssen zwischen den Kunstformen gemeinsam zu erforschen. So bringt Petri-Preis eine große Bandbreite an unterschiedlichen pädagogischen Herangehensweisen, die sich durch die konkreten Angaben inklusive Lösungsmaterial auch von Lehrenden, die in der Neuen Musik wenig bewandert sind, ohne großen Aufwand umzusetzen lassen; sie ermöglichen aber auch eine Adaptierung, um optimal auf die Möglichkeiten der Lehrenden und die Bedürfnisse der SchülerInnen eingehen zu können. Ein gelungene Sache, die hoffentlich großen Anklang findet. (dw)