„Mit Worten und Melodien ein Bild malen“ – LUKA SULZER (SAINT CHAMELEON) im mica-Interview

Die Band SAINT CHAMELEON stammt aus Graz und hat eben ihr Debütalbum „Mockingbird“ (MOD Music) veröffentlicht. Der Bandleader und Songschreiber LUKA SULZER sprach mit Jürgen Plank darüber, warum ihn TOM WAITS inspiriert, wieso eines seiner Lieder „Zulfikarpasic“ heißt und warum er ein Faible für lateinamerikanische Musik hat.

Seit wann gibt es die Band Saint Chameleon?

Luka Sulzer: Die Band gibt es seit November 2013, das erste Konzert haben wir im Jänner 2014 gespielt. Davor gab es kleinere Schulbands, kein ernsthaftes Projekt.

Haben Sie noch einen Namen in Erinnerung?

Luka Sulzer: Die Schulband hat „Made in China Copyright“ geheißen. Ich weiß gar nicht, ob man dazu irgendetwas findet.

Kommen wir zum Debütalbum. Das zweite Stück darauf heißt „Zulfikarpasic“ – was bedeutet das denn?

Luka Sulzer: „Zulfikarpasic“ ist natürlich ein fürchterlicher Titel für ein Lied, aber es ist geplant, dass das die zweite Single wird. Bojan Zulfikarpašić ist ein bosnisch-serbischer Musiker, ich bin zufällig über ein Stück von ihm gestolpert, das mich inspiriert und auf einen Roadtrip in meinem Kopf geschickt hat. So ist das Stück entstanden. Unser Bassist Kajetan [Kamenjasevic; Anm.] kommt aus Bosnien und hat mich ein bisschen mehr in die Musik der Region eingeführt.

„Ich nehme Impulse für Lieder von überallher auf.“

Wie kommt es zu dem Moment, in dem Sie ein Lied schreiben?

Luka Sulzer: Das ist unterschiedlich. Ich nehme Impulse für Lieder von überallher auf. Meistens ist es so, dass ich versuche, mir einen Reim auf das zu machen, was in meinem Leben passiert. Das kann politisches Geschehen in meinem Umfeld in Österreich sein oder auf der ganzen Welt. Oder auch persönliche Erlebnisse. Dann setze ich mich hin und es ist oft so, dass eine Phrase auftaucht, um die herum Assoziationen für mich entstehen, die auch für andere Menschen etwas bedeuten könnten.

Beim Anhören des Albums habe ich öfter Querverweise in Richtung Varieté oder Zirkus herausgehört. Gehen Sie gerne in den Zirkus? Oder sind Sie als Kind gerne in den Zirkus gegangen?

Luka Sulzer: Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Musik von Tom Waits gehört, der ein bisschen in diese Richtung geht. Er ist zum Beispiel auch von Bert Brecht beeinflusst. Auch bei Theatermusik habe ich all das schon gehört. Ich versuche, die Themen in eine interessante Geschichte zu verpacken und quasi mit Worten und Melodien ein Bild zu malen. Daraus entsteht dann vielleicht ein manchmal obskures Konstrukt.

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Was ist für Sie das Besondere an der Musik von Tom Waits?

Luka Sulzer: Mir kommt vor, dass er gar nichts versteckt. Er hat Lust, irgendetwas zu tun, und macht das dann einfach. Er macht das aber irrsinnig clever. Ich kann mir nicht alles ständig anhören, aber ich bewundere alles, was er macht. Tom Waits schreckt eigentlich vor nichts zurück. Er schafft es, von einem schreienden und stampfenden Rhythmus in eine wunderschöne Ballade überzugehen. Ich finde, er ist ein vielfältiger und einfühlsamer Musiker, obwohl seine Musik oft so roh und brutal klingt.

Auf dem Album „Mockingbird“ gibt es auch ein Stück, das sich auf Mexiko bezieht, auf „Santa Muerte“. Wie kam es dazu?

Luka Sulzer: Den Santa-Muerte-Kult gibt es vor allem in Mexiko, aber auch in Kuba. Ich habe keine lateinamerikanischen Wurzeln, aber meine Mutter hat sehr viel lateinamerikanische Musik gehört und dadurch habe ich mich für diese Musik schon früh interessiert. Ich habe etwas einiges über die Musikszene dort gelesen und so bin ich auf Santa Muerte gekommen. Das hat mich sehr fasziniert: dieser Kult rund um eine weibliche Figur, die von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird, aber dort eine so hohe Präsenz hat, dass es einen ganzen Tag gibt, an dem die Leute Umzüge machen. An diesem Tag ist alles bunt. Das ist eigentlich ein lebensfrohes Fest und Santa Muerte ist für mich ein extrem interessanter Charakter, der zwischen zwei Welten steht.

„Die Lieder habe ich im Laufe der Jahre geschrieben und mir ist es auch aufgefallen, dass es einige religiöse Querverweise gibt.“

Zwischen welchen Welten?

Luka Sulzer: Santa Muerte beschützt einerseits zwielichtige Gestalten, Kriminelle und Prostituierte und andererseits ist sie die Beschützerin von Frauen, die häusliche Gewalt erleben. Eigentlich ist sie eine Heilige für die Außenseiterinnen und Außenseiter: Darum spinnt sich dieser Song.

Noch ein religiöser Verweis ist das Stück „Jesus in a Jeep“. „Devil’s Nest“ gibt es auch, ist das eine zufällige Häufung?

Luka Sulzer: Die Lieder habe ich im Laufe der Jahre geschrieben und mir ist es auch aufgefallen, dass es einige religiöse Querverweise gibt. Ich würde sagen, dass es eine zufällige Häufung ist, aber wenn man ein Lied schreibt, passiert das nicht zufällig. Irgendetwas beschäftigt einen natürlich und das macht man nicht einfach nur so.

Bild Saint Chameleon
Saint Chameleon (c) Hanna Fasching

Sind Sie religiös?

Luka Sulzer: Ich bin christlich geprägt, aber vor zwei Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten. Jetzt haben wir so einen „Kampf der Kulturen“ und da wird dieses scheinheilige „Christlichsein“ so herausgekehrt.

Außerdem ist auch schon im Bandnamen das Heilige drinnen: Saint Chameleon.

Luka Sulzer: Ja, es wird damit gespielt. Unser Logo ist letztlich auch darauf aufgebaut. Da geht es um Veränderung, das heilige Chamäleon, das sich verändert. Das Logo ist mehr oder weniger das Dreieck mit der Dreifaltigkeit und auch da wird ein Bezug in eine religiöse Richtung hergestellt.

„Die erste Produktion ist vielleicht wirklich die schwierigste Produktion.“ 

Sie sind der Songschreiber und Bandleader, wie halten Sie denn die anderen Bandmitglieder bei der Stange?

Luka Sulzer: Das ist eine gute Frage. Ich versuche, den Arbeitsprozess möglichst offen zu halten. Ich schreibe den Song und bringe ihn zur Probe mit und dann machen wir miteinander das Arrangement. Da muss man natürlich immer wieder Kompromisse machen. Wir haben in der Besetzung auch ein paar Änderungen gehabt. Jetzt sind wir schon wieder an weiteren Songs dran, das hört ja nie auf. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir uns sehr gut aufeinander einstellen können. Die erste Produktion ist vielleicht wirklich die schwierigste Produktion. Da muss man sich erst kennenlernen und aufeinander einstellen, jetzt läuft es aber ganz gut und alles greift ineinander. 

Wir haben vorhin über Lateinamerika gesprochen, warum ist „Jesus in a Jeep“ ein Tango?

Luka Sulzer: Das Stück ist sehr stark von unserem Posaunisten [Emiliano Sampaio; Anm.] ausgegangen, der aus Brasilien kommt und auch Komponist ist. Er hat gesagt, dass er bei diesem Stück einen Tango hört. Er hat am Schluss auch eine Fuge aufgesetzt, die darin vorkommt, und so ist daraus ein Tango geworden. Generell finde ich, dass Lateinamerika sehr viele musikalische Möglichkeiten bietet, die Welt der Sounds und Rhythmen ist dort riesig.

Waren Sie schon einmal in der Region bzw. möchten Sie dorthin?

Luka Sulzer: Ich möchte unbedingt dorthin. Ich lebe zwar in Österreich, kriege aber sehr viel mit von dem, was es auf der Welt gibt. Und manchmal bleibe ich hier irgendwie stecken. Deswegen denke ich mir auch gerne Geschichten und Musik aus. Das ist so der Soundtrack zu einem Leben, wie ich es gerne hätte.

Das Debütalbum ist geschafft, wie geht es nun für Saint Chameleon weiter?

Luka Sulzer: Jetzt kommt noch die Single zu „Zulfikarpasic“ und dann gibt es ein Musikvideo. Wir wollen auf jeden Fall Konzerte spielen und noch einige Livevideos produzieren. 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jürgen Plank

 

Saint Chameleon live
06.05. Street Food Market, Kapfenberg
01.06. LiveStage, Innsbruck
02.06. Altstadtfest Kaiviertel, Salzburg
15.06. Woferlstall, Bad Mitterndorf
28.06. Aera, Wien
30.06. TBA, Graz

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