Mit einer “Großen Bäckereiattacke” im Jugendstiltheater beginnt heute das Netzzeit Festival “Out of Control”

In österreichischer Erstaufführung ist heute die Premiere einer von Michael Scheidl erfolgreich eingefädelten Koproduktion von netzzeit, Luzerner Theater, Opera Genesis Foundation London zu erleben. Die Oper “Die große Bäckereiattacke”, basierend auf Kurzgeschichten von Haruki Murakami, beruht auf einem von netzzeit ausgeschriebenen Librettowettbewerb, an dem sich erstaunlich viele Autorinnen und Autoren beteiligten. Gewonnen hat ihn Yohanan Kaldi, die deutsche Übersetzung kommt von Reinhard Palm. Die Komponistin stand von vorneherein fest: Misato Mochizuki. Es spielt das Klangforum Wien.

 
Das Libretto basiert  auf den Kurzgeschichten “Der Bäckereiüberfall” und “Der zweite Bäckereiüberfall”. Beim offenen Wettbewerb operalibretto winkten Preisgelder und Uraufführungen an renommierten Häusern. Einsendeschluss war der 23. Mai 2007. Vorgestellt wurde das Projekt schon 2006 von Michael Scheidl (netzzeit), Dominique Mentha (Luzerner Theater, vormals Volksoper Wien) und Gerhard Ruiss (IG Autoren): In einer Burger King-Filiale in der Wiener Innenstadt: denn die Murakami-Erzählungen handeln vom Zusammenhang zwischen Mangel an Nahrung und Mangel an Phantasie. Gelingt es den Protagonisten beim ersten Mal zwar, eine Bäckerei zu überfallen, so gibt der Inhaber des Ladens das Brot freiwillig unter der Bedingung heraus, dass die Möchtegern-Diebe beim Essen freiwillig Wagnermusik hören. Beim zweiten Mal aber hat keine Bäckerei mehr offen, daher muss ein Fast-Food-Restaurant herhalten.Wiederbelebung eines wichtigen Genres

??Bei zeitgenössischen Opern ist ein gutes Libretto entscheidend für den Erfolg, das wissen Theaterpraktiker genauso wie Komponisten oder die Zuhörer, die oftmals leidvolle Erfahrungen mit schlechten Libretti gesammelt haben. “Wenn eine neue Oper mit noch so guter Musik auch diesem Grund nicht gleich gelingt, ist sie weg vom Fenster” sagte Mentha damals bei der Pressekonferenz am Tag 1 des Wettbewerbs. Und: Die früher hochgeschätzte Kunst, gute Opernbücher zu schreiben, unkte Gerhard Ruiss, sei heute abhanden gekommen. Die Ausschreibung “operalibretto” – die Komponistin war fix, die renommierte japanische Komponistin Misato Mochizuki, – wurde auch vom mica- music austria  und vom Literaturhaus kräftig verbreitet.

 
Es gab überraschend viel Beteiligung, das Ergebnis war – trotz Ruiss’ Skepsis –   überwältigend: insgesamt 127 Manuskripte langten ein. Michael Scheidl, die Fachassistentin Ilse Schneider und die Angehörigen der weiteren Jury aus Dramaturgen und prominenten Fachleuten (darunter David Pountney, Johannes Kalitzke und Franz Koglmann) wälzten eine Menge von Libretti, bis der Sieger feststand. Die Jury hat nach eifrigem Vorlesen und Aussondern aller Einsendungen durch den netzzeit-Intendanten drei erstgereihte Libretti ausgelobt. Diese stammen von Carsten Brandau (Hamburg), Beate Haeckl (Berlin) und dem Sieger Yohanan Kaldi, einem 1940 in Ungarn geborenen und seit 1968 in Israel lebenden Autor.

netzzeit international erfolgreich?

Das netzzeit-Team konnte trotz magerer Förderung vonseiten des Bundes zumindest bis 2007 (wegen Erfolges?) in den vergangenen Jahren immer wieder auch international reüssieren. Etwa bei der Münchener Biennale, hierzulande 2008/09 besonders auch mit Ernst Kreneks “Kehraus um Stephan” bei den Bregenzer Festspielen und in der Volksoper Wien. Das gemeinsam mit dem Klangforum Wien entwickelte “Symposion – Ein Rausch in acht Abteilungen” wurde  in einer Neuversion Ende August 2006 zum Finale der Salzburger Festspiele auf der Halleiner Perner Insel gezeigt, auch bei der Biennale Venezia sowie in Budapest (Budapest Autumn Festival) und Amsterdam (Holland).

 
Das neue Werk hatte unter der musikalischen Leitung von Johannes Kalitzke und in der Inszenierung von Michael Scheidl (Bühne und Kostüm. Nora Scheidl) am 24.1. 2009 in Luzern die “Welturaufführung”, es spielte das Luzerner Symphonieorchester unter Kalitze und es gab 5 Minuten lang anhaltenden Schlussapplaus. Die Kritiken der Schweizer Medien waren durchwegs hochgestimmt, die “Süddeutsche Zeitung ” schrieb: “Tatsächlich steckt in dem Text, von Reinhard Palm ins Deutsche übertragen, Tempo und Witz; die Absurditäten Murakamis werden drastisch zugespitzt und theatralisch in Form gebracht. Gerade richtig für die Erstlingsoper einer Komponistin, die mit den Stilen spielt: Sie persifliert Wagner, schiebt mühelos Rapgesang und Jazzschlagzeug ein und treibt so die Handlung an (Thomas Meyer).” Die Produktion wird nun in Wien als Auftakt des netzzeit-Festivals “Out of Control” aufgeführt.

“Wann gibt es in Wien endlich ein Festival für Neues Musiktheater? Wieso gibt es in München die Biennale und in der selbsternannten Hauptstadt der Musik in Europa nichts dergleichen?” – Diese Frage versuchte netzzeit immer wieder den Politikern zu stellen. “Es ist höchste Zeit, dass es einen kulturpolitischen Auftrag für ein  solches Festival gibt”, sagte Michael Scheidl schon bei der damaligen Pressekonferenz.

 
Für “Out of Control” 2009 ist neben der neuen Oper von Misato Mochizuki für 6. und 7. März im Tanzquartier Wien eine Großproduktion mit 20 Akteuren auf der Bühne geplant: pitié mit der Musik des Komponisten Fabrizio Cassol nach Bachs “Matthäuspassion” und mit dem Konzept und der Regie des belgischen Starchoreografen Alain Platel. Und in Hesslindia, wieder im Jugendstiltheater am 25., 17. und 28. März, sieht man, wie Hermann, ein Verehrer von Hermann Hesse, sich im Schnelldurchlauf mit Hilfe der Spiritualität aus einer Lebenskrise zu befreien sucht. In Bombay beobachtet der sich bester Gesundheit erfreuende fiktive echte Hermann Hesse, wie Hermann in einem Billighotel deliriert, weil er sich einen Darmvirus zuzog (Libretto: Bernhard Glocksin, Musik: Rafael Reina). Das ist ein Gastspiel des Theaters Rampe / Stuttgart in der Inszenierung von Petra Weimer. Und die Ausstattung? – Nora Scheidl.  Zusätzlich zu den drei Produktionen bei 2009 Out of Control empfiehlt netzzeit den Besuch der Oper “The Last Supper” (Premiere?Samstag, 4. April) von Sir Harrison Birtwistle, eine Produktion von Neue Oper Wien in Koproduktion mit OsterKlang Wien’09 – ein Festival des Theater an der Wien.

Für Sao Paulo/Brasilien und die Münchener Biennale 2010 entwickelte netzzeit eine  multimediale “Amazonas-Oper” (hr und Website Netzzeit).

2009 OUT OF CONTROL –  Festival für neues Musiktheater
Der große Bäckereiüberfall

Premiere: Donnerstag, 26. Februar 2009, 20.00 Uhr, Weitere Vorstellungen am 27. und 28. Februar 2009
Jugendstiltheater, Baumgartner Höhe 1140 Wien??Komposition Misato Mochizuki?Klangforum Wien – Musikalische Leitung: Johannes Kalitzke?Chor des Luzerner Theaters – Leitung: Lev Vernik?Regie: Michael Scheidl – Ausstattung: Nora Scheidl – Dramaturgie: Caroline Weber?Koproduktion von netzzeit, Luzerner Theater, OperaGenesis Foundation, London ?mit Mitteln aus dem Wiener Mozartgroschen;

Anfahrt zum Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe, Haltestelle Psychiatrisches Zentrum: ?mit dem Bus 47A ab U4-Unter St. Veit oder mit dem Bus 48A vom Zentrum ab Dr. Karl Renner Ring oder ab U3-Ottakring.

netzzeit wird gefördert von der Kulturabteilung der Stadt Wien