Nach mehr als zehn Jahren veröffentlicht SAEDI ihr zweites Solo-Album „Token“. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählt die Sängerin und Komponistin, welche wichtige Rolle Musik in ihrem Leben immer gespielt hat, spricht über buddhistische Lehren, ihren Produzenten Alexander Nefzger, ihre vielfältigen Aktivitäten der letzten Jahre und die musikalische Rückkehr zu ihren Jazz-Wurzeln. Das Release-Konzert findet am 19. Oktober 2022 im Wiener Club DAS WERK statt.
Im Jahr 2011 ist dein Solo-Debütalbum erschienen, seitdem warst du unter anderem mit DelaDap unterwegs. Wieso hat es so lange bis zu deinem zweiten Album gedauert?
Saedi: Ich war nicht nur mit DelaDap unterwegs, sondern auch mit Budapest Bár, das ist eine ungarische Gypsy-Jazz-Band. Ich habe auch im Hintergrund gearbeitet und es ist Leben passiert, das hinein gefuhrwerkt hat. Aber ich habe immer weitergearbeitet und halt mehr für andere geschrieben. Mit diesem Album haben wir im Jahr 2017 begonnen, vor allem wegen Covid hat das dann länger gedauert. Es wäre eh schon früher herausgekommen. Aber ich habe mich nicht unter Druck setzen lassen, es war eben so, wie es war.
Zum Albumtitel: ein „Token“ ist ein elektronischer Schlüssel, etwa um sich in einem Netzwerk zu identifizieren, der Begriff verweist auch in Richtung Blockchain.
Saedi: Der Titel hat mit Blockchain überhaupt nichts zu tun. Ich fand es sehr lustig, dass dieses Wort in den letzten Jahren immer mehr aufgetaucht ist. Ich habe bei einem Token immer als erstes an den Chip fürs Einkaufswagerl gedacht, das ist auch ein Token. Das ist ein vielfältiges Wort: das ist ein Zeichen, ein Symbol, ein Mitbringsel, ein Geschenk. Als ich das Lied „It’s all good“ geschrieben habe, habe ich nach einem Wort gesucht, das diese Sinnhaftigkeit wiederbringt. Dass der Traum etwas für dich hat und etwas hinterlässt, eben ein Zeichen, ein Symbol. Da war dann „Token“ der passende Titel für ein Album.
Die Zeile „It’s all good“ kam wie ein Mantra durch und das scheint ein Schlüssel-Song des Albums zu sein.
Saedi: Dieses Lied handelt von der Psycho-Hygiene, die ein Mensch betreiben muss, um in dieser Welt mit sich selbst und mit anderen zurechtzukommen. Ich mache sehr viel Yoga und meditiere, das fließt in meine Arbeit ein. Ich bin als Person einfach daran interessiert, wer man wirklich ist und wie man gesund durch dieses Leben stapft und schreitet. „It’s all good“ ist da mit einem weinenden Auge zu hören, denn das passt gut in die jetzige Zeit, in der es so verrückt ist, dass man aufgeben möchte. Man verliert vielleicht die Hoffnung. Aber ich weiß aus den buddhistischen Lehren: deine einzige Aufgabe ist es, Tag für Tag zu bestreiten und selbst wenn Dramatisches passiert; solange es nicht vorbei ist, ist es okay.
Im Buddhismus geht es stets um das Mitgefühl, das einen selbst glücklich macht. Glück kommt immer von innen und wird nicht durch äußere Umstände wie Besitz befördert.
Saedi: Genau. Ein Teil dieses Liedes sagt ja: wenn du dich deinen Wunden und deinem Inneren nicht widmest, trägst du das weiter, perpetuierst du das und trägst es nach außen. Denn das, was innen ist, wird nach außen gespiegelt und reflektiert deine Sicht auf die Welt. Eine positive Haltung, so schwer das ist, ist einfach das Gesündeste, was mensch machen kann. Weil du für dich eine gewisse Energie generierst.
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Nicht nur für dich.
Saedi: Eben, man ist ja keine singuläre Entität, die hier herumwandert, sondern man strahlt etwas aus, genau.
Welche Themen handelst du für dich noch mit dem Album ab?
Saedi: Auf dem Album geht es viel um Selbstfindung. Herauszufinden: wer ist man? Wie ist man? Da geht es auch darum, sich selbst auf eine gesunde Art nahe zu kommen.
Ich habe dein Album als ein reifes Werk gehört. Wie ordnest du es selbst ein?
Saedi: Ja, deswegen hat es wahrscheinlich auch etwas länger gedauert, bis ich wieder mit etwas herausgekommen bin. Weil ich nach einiger Zeit wusste, dass ich zurück zu den Wurzeln möchte. Das heißt nicht, dass ich die elektronische Musik ad acta lege, aber ich habe gewusst, dass die neuen Stücke sehr songlastig sind und in diesem Fall auch dieses Kleid benötigen. Und weil ich älter geworden bin, habe ich mir gedacht: es wird Zeit, dass sich diese Reife auch in der Musik spiegeln darf. Da ich vom Jazz komme, habe ich mir gedacht: machen wir das Album mit real instruments. Abgesehen von ein paar perkussiven Elementen und ein paar Streichern sind das einfach die Musiker:innen, die diesen Sound kreieren.
Welchen Einfluss hatte dein Produzent Alexander Nefzger?
Saedi: Einen großen Einfluss. Alex ist ein Soundästhet. Er ist ein Poet, was die Ästhetik des Sounds betrifft. Ihm war wichtig, dass er nicht das auf die Musik draufsetzt, was er jetzt machen will, sondern dass er das herausholt, was der Song will. Wir waren bei jedem Lied akribisch auf der Suche danach, was es braucht. In Bezug auf den Rhythmus, die Aufmachung, das Tempo. Da haben wir einander extrem gut ergänzt, ich habe mich sehr gut aufgehoben und verstanden gefühlt. Er hat dieses Erwachsene auf den Punkt gebracht, das war eines seiner Worte: dass das erwachsene Songs sind und wir ein erwachsenes Album machen. Dass das so wahrgenommen wird, ist also ein Plus.
Ein starkes Lied ist für mich „Dark night of the soul“, das ich als Song des Aufbruchs gedeutet habe.
Saedi: Ja, der ist ein bisschen geheimnisumwoben, da geht es um etwas sehr Persönliches und Intimes, das ich erlebt habe. Aber auch der Song bedeutet: egal durch welche Schwierigkeiten du gehst, gehe mit einem positiven Mindset und dem Dranbleiben an dir, mit dem Glauben an dich und mit der Welle des Lebens. Der meiste Schmerz unseres Lebens kommt daher, dass wir zu viel Widerstand aufbauen. Das hat zuerst etwas mit Akzeptanz zu tun und wenn du akzeptierst, was ist, kann der Widerstand weichen. Wenn du dir nicht ständig deine Wunschversion herholst, hast du keine Barrieren zwischen dir und dem Leben. In dem Song geht es darum, dass man seinen Weg geht. Am Ende des Tunnels kommt einfach ein Licht und für mich war das in meiner persönlichen Situation sehr wichtig, dass ich mich traue, diesen Schritt in die Dunkelheit zu machen, wissend, dass ich da am Ende des Tunnels wieder herauskomme.
„Musik ist wirklich etwas, was mein Leben verändert hat, mitunter auch gerettet hat“
Inwiefern würdest du Musik für dich als Ventil sehen, wie nutzt du Musik für dich?
Saedi: Musik ist wirklich etwas, was mein Leben verändert hat, mitunter auch gerettet hat. Das kann man jetzt zwar so nicht sagen, aber ich war eine Person, die sich sonst vielleicht aufgegeben hätte. Mit der Musik habe ich meinen Platz gefunden. Mit Musik kann ich meinen Gefühlen und meinem Sein einen Sinn geben und mich ausdrücken. Ich bin in diese Jazz-Schule hineingekommen und habe gemerkt, dass das einfach mein Ding ist. Als Zwanzigjährige, wenn man noch nicht weiß, was man sein will, habe ich einen Vertrauensvorschuss genommen und meines Erachtens nach auf das richtige Pferd gesetzt: mir wird nie fad, es gibt immer etwas zu lernen. Die Art und Weise, wie man seine Seele ausdrücken kann, ist einfach befriedigend und ein Privileg, das toll ist. Das ist Musik für mich.
In den letzten Jahren hast du auch viel für andere geschrieben. Wie unterscheidet sich diese Arbeit für andere im Gegensatz zu deinem eigenen Projekt?
Saedi: Ich habe kein Problem damit, nicht im Vordergrund zu stehen. Mir ist das egal. Weil es eben um die Musik geht, ist es gleichermaßen aufregend und es geht immer um die Sache selbst. Egal ob ich für mich oder ob ich für jemand anderen schreibe. Es ist sehr interessant für jemand anderen zu schreiben, weil du dich auf eine andere Person ein wenig einlassen musst. Was will die sagen? Wohin will die? Dass ich da auch eine Rolle und eine Arbeit haben kann, war für mich nicht nur ein neues Highlight, sondern auch eine tolle Herausforderung und es macht Spaß. Je älter man wird, desto mehr merkt man, dass man nicht immer über sich selbst reden muss. Man kann auch sehr gut über andere reden. Ich habe in diesem Sinne viel gemacht: von Arrangements für Klassiksänger:innen bis hin zu Texten für eine Gothic-Emo-Lady aus Kroatien. Es ist total vielfältig und es wird einem nie fad, es ist immer bereichernd.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Saedi live
19.10.2022: Albumpräsentation
Das Werk
Spittelauer Lände 12, Stadtbahnbögen 331/333
1090 Wien
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