AGUSTÍN CASTILLA-ÁVILA setzt mikrotonale Systeme vor allem auf der Gitarre ein, indem er ein Instrument etwa mit sechs gleichen Saiten im Sechsteltonabstand bespannt. Zum 50. Mal hält er am 15. März 2016 seinen Vortrag „The future of microtonal guitar“. Gertraud Steinkogler-Wurzinger sprach mit ihm über die Faszination der ekmelischen Musik.
Sie halten am 15. März 2016 zum 50. Mal Ihren Vortrag „Mikrotonalität auf der Gitarre“. Warum machen Sie das in Wien?
Agustín Castilla-Ávila: Im März 2007 hatte ich hier mein erstes Projekt mit der Internationalen Gesellschaft für Ekmelische Musik. Mit vielen schönen mikrotonalen Erfahrungen komme ich jetzt zurück nach Wien.
„Die Intervalle im Sechsteltonabstand haben mir als Tonmaterial am besten gefallen.“
Wie sind Sie auf die Mikrotonalität gekommen?
Agustín Castilla-Ávila: Während meines Gitarrenstudiums in Sevilla habe ich das Buch „The Contemporary Guitar“ von John Schneider gelesen und so zum ersten Mal von mikrotonalen Gitarren erfahren. Von da an wollte ich unbedingt Mikrotöne spielen, aber mein praktisches Problem war, dass ich mir keine mikrotonalen Gitarren leisten konnte und ich auch keine Zeit für das Erlernen der Spieltechnik dieser Instrumente hatte, die mit besonderen Bünden ausgestattet sind. Außerdem gab es ohnehin wenig Repertoire für bestimmte mikrotonale Gitarren. Ein Problem für mich war auch, dass bei diesem System auch die offenen Saiten temperiert waren. Ich wollte mit der Scordatura jedoch die Mikrotöne auf der normalen Gitarre mit normaler Technik darstellen können, weil es viel praktischer ist. Die Intervalle im Sechsteltonabstand haben mir als Tonmaterial am besten gefallen. Deswegen verwende ich ein System mit 36 Divisionen. Ich finde es lustig, dass meine mikrotonalen Ideen inzwischen in der zweiten Edition von „The Contemporary Guitar“ stehen.
Wie verwenden Sie Ihr System?
Agustín Castilla-Ávila: Als Komponist verwende ich diese Gitarre als Brücke zwischen Volksmusik und zeitgenössischer Musik. Oft hat mich Musik aus anderen Kulturen stark inspiriert. Auch wegen ihrer Farbigkeit setze ich Mikrotöne oft in meiner Musik ein.
Wie ist die Scordatura beim Stück „Tres Momentos Microtonales“?
Agustín Castilla-Ávila: Ich verwende sechs G-Saiten. Die erste Saite ist auf G gestimmt, die zweite auf G minus 1/6, die dritte auf G minus 1/3, die vierte auf Fis, die fünfte auf Fis minus 1/6 und die sechste auf Fis G minus 1/3.
Arbeiten Sie immer so?
Agustín Castilla-Ávila: Nein, manchmal verwende ich andere gleiche Saiten oder ich stimme die normalen Saiten. Je nachdem, was ich im Stück plane. Manchmal sind es bis zu 72 Divisionen. Die mikrotonalen „Bitones“ [Töne zwischen linker Hand und oberem Steg; Anm.] auf der Gitarre kommen oft in meinen Kompositionen vor.
„[…] das Instrument hat eine unglaubliche Resonanz.“
Schreiben Sie auch Mikrotöne für andere Instrumente?
Agustín Castilla-Ávila: Ja. Meistens in 24 Divisionen. Ich bin sicher, dass ich in den nächsten Jahren auch mit anderen Systemen komponieren werde. Das System auf der Gitarre finde ich sehr effektiv, das Instrument hat eine unglaubliche Resonanz.
Welche mikrotonalen Erfahrungen bringen Sie nach Wien?
Agustín Castilla-Ávila: Seit ich vor neun Jahren Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Ekmelische Musik wurde, komponiere ich mikrotonal. Neben Solos, Duos, Sextetten und mehreren Kammermusikstücken für Gitarre habe ich dieses Instrument auch in drei meiner Kammeropern eingesetzt. Diesen Vortrag habe ich in 20 Ländern auf Universitäten und bei Kongressen präsentiert. John Schneider und Franck Jedrzejewski haben über mein System geschrieben. Joseph Mirandilla, Giacomo Fiore, Yvonne Zehner oder das Athenaeum Gitarrentrio haben sie auf CD aufgenommen. Dieses Jahr wird die Bergmann Edition in Dänemark mehrere meiner mikrotonalen Stücke publizieren. Mikrotöne machen richtig Spaß.
Sie sind Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft für Ekmelische Musik. Wie verstehen Sie Ihre Funktion?
Agustín Castilla-Ávila: Ich verstehe mich als der Botschafter unserer mikrotonalen Gesellschaft. Die Gesellschaft wurde 1981 von Franz Richter Herf und Rolf Maedel gegründet. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen versuche ich, neue Impulse zu setzten. Wir wollen uns in der Tradition der Begründer weiter aktiv und prominent auf internationaler Ebene bewegen. Im Juli 2015 fand unser letztes Symposium mit dem Titel „Small is Beautiful“ statt. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr daran anknüpfen können.
Welche Pläne verfolgen Sie im Bereich der Mikrotonalität?
Agustín Castilla-Ávila: Ich schreibe gerade eine neue Cross-over-Kammeroper mit Pablo und Destruktion. Die Besetzung des Ensembles besteht aus vielen E-Gitarren, bei denen ich mein mikrotonales System sehr gut einsetzen kann. Die Mikrotöne sind nur ein Teil meiner Arbeit, aber es macht immer Spaß, ich finde immer neue Wege.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Gertraud Steinkogler-Wurzinger
Zur Person:
Agustín Castilla-Ávila wirkt als Musiker und Komponist in Europa, Asien und den USA. Seine Musik wurde von D. Russell-Davies, J. Kalitzke, T. Ceccherini, A. Soriano, H. Lintu, H. Schellenberger u. a. dirigiert. Er hat Werke für verschiedenste Besetzungen und Formen komponiert (von Solo- bis hin zu Orchesterwerken, Choreografien, Theaterstücken und fünf Kammeropern). Seine Werke wurden beim Musikverlag Doblinger und beim Joachim Trekl Musikverlag publiziert. Bei der Internationalen Gesellschaft für Ekmelische Musik erscheint demnächst eine neue CD in memoriam Franz Richter Herf, des Gründers der Gesellschaft. 2013 erhielt Castilla-Ácila das Jahresstipendium für Musik des Landes Salzburg.
Vortrag:
The future of microtonal guitar
Datum: Dienstag, 15. März 2016, 19:00 Uhr
Ort: mica – music austria, Stiftgasse 29, 1070 Wien
Link:
Agustín Castilla-Ávila