„Es sind die Vision, das Potenzial, das große Ganze und die langfristige Perspektive, die uns antreiben“ – MICHAEL MARTINEK (Fabrique Records) im mica-Interview

Es sollte ein Label der etwas anderen Art sein. MICHAEL MARTINEK und CHRISTIAN RÖSNER wollten mit „Fabrique Records“ ihre ganz eigenen Wege gehen. Für alle Stile abseits des Mainstreams offen und mit einem ausgeprägten Hang fürs Avantgardistische und Experimentelle. Eine Strategie, die sich bezahlt gemacht hat. „Fabrique Records“ feiert dieser Tage sein 15-jähriges Bestehen. MICHAEL MARTINEK sprach mit Michael Ternai über die Anfänge des Labels, dessen musikalisch offene Ausrichtung und die eigentliche wahre Leidenschaft, die ihn antreibt.

Welche Idee stand hinter der Gründung von „Fabrique Records“ 2002? Was war der Plan?

Michael Martinek: Nun, ein großer Plan steckte am Anfang eigentlich nicht dahinter. Es war eher so, dass ein Schritt immer zum nächsten geführt hat. Ich bin jemand, der, wenn er irgendwo ein Potenzial spürt oder erkennt, auch gleich den Drang entwickelt, etwas zu tun. Und in dem bin ich Christian sehr ähnlich. Als wir bemerkten, dass sich in unserem näheren Umkreis sehr viele unglaublich interessante und talentierte Künstlerinnen und Künstler bewegten, war uns schnell klar, dass wir da etwas auf die Beine stellen müssen. Wir haben uns eigentlich, ohne wirklich groß Gedanken zu machen, mit jugendlichem Enthusiasmus und Idealismus in die ganze Sache hineingestürzt. Das vielleicht Einzige, das feststand, war, dass wir auf keinen Fall beliebig oder irgendjemand anderem ähnlich sein wollten.

Unser Ziel war es, das Individuelle, die Eigenheit einer jeden Künstlerin bzw. eines jeden Künstlers herauszuholen. Und wir hatten am Anfang auch gleich Riesenglück mit Acts wie Mauracher und Kava. Die brachten uns doch viel Öffentlichkeit. Hinzu kam, dass uns auch FM4 gleich von Beginn an unterstützt hat. Irgendwie ist um „Fabrique Records“ recht schnell ein kleiner Hype entstanden. Wir freuten uns natürlich riesig darüber, waren aber auch wirklich überrascht.

„[…] wir wollten nie irgendwelche Kompromisse eingehen.“

Liest man sich durch die Namen der Acts bei „Fabrique Records“, erkennt man schnell, dass für Sie beide der musikalische Stil einer Künstlerin oder eines Künstlers nicht der entscheidende Faktor ist. Bei Ihnen tummeln sich Leute aus den verschiedensten musikalischen Richtungen.

Michael Martinek: Ich glaube, das liegt daran, dass Christian und ich ziemlich breit interessiert sind. Wir kommen beide aus sehr experimentellen Bereichen und hören – ganz unabhängig voneinander – verschiedenste Stile. Der Punkt, an dem wir uns treffen, ist, dass wir beide bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich Sachen abseits des Mainstreams mögen. Und in dem, was wir vorhatten und taten, wollten wir uns auf keinen Fall eingrenzen. Das hat zum Teil auch dazu geführt, dass wir für jeden unserer Artists einen eigenen Vertrieb suchen mussten. Aber wir wollten nie irgendwelche Kompromisse eingehen. Und das ziehen wir bis heute durch. Mit allem Für und Wider.

In der Zeit, in der Sie gestartet sind, sah es in der österreichischen Musikszene nicht gerade rosig aus. Der große Elektronik-Hype war am Verebben, Labels verschwanden von der Bildfläche und auch die Medien richteten ihre Blicke mehr aus das Internationale denn auf das Heimische. Nicht gerade die besten Rahmenbedingungen, um selbst mit einem Label an den Start zu gehen.

Michael Martinek: Darüber haben wir eigentlich nicht viel nachgedacht. Klar war zu bemerken, dass der Hype am Abebben war, dass die Labels immer weniger geworden sind. Es gab zwar immer noch eine Handvoll an Labels, wie etwa „G-Stone“, „Klein Records“ und „Cheap Records“, die durchaus erfolgreich waren, die anderen aber hatten es deutlich schwerer. So gesehen, kann man schon sagen, dass die Ausgangsbedingungen vielleicht nicht optimal waren. Aber wir hatten soundso nie vor, es diesen Labels nachzumachen. Wir wollten andere, unsere eigenen Wege gehen, experimentieren und unser eigenes kleines Biotop schaffen.

Martinek & Rösner (c) Patricia Weisskirchner

„Fabrique Records“ ist ein Label, das eher auf eher weniger Artists setzt, dafür aber immer die Qualität im Auge behält. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Michael Martinek: Ganz so stimmt das nicht. Im Laufe der Jahre hatten wir insgesamt sogar wahnsinnig viele Acts unter Vertrag. Es war mehr ein ständiges Kommen und Gehen. Und einige Artists, die bei uns waren, haben mit anderen Projekten später woanders auch ihren großen Durchbruch gefeiert. Andere Acts dagegen sind mittlerweile einfach nicht mehr aktiv. Aktuell arbeiten wir mit sechs, sieben Artists zusammen, die alle in sehr unterschiedlichen Genres unterwegs sind. Wir finden es einfach spannend, Brücken zwischen den verschiedenen Welten zu schlagen und damit auch unterschiedliches Publikum anzusprechen.

„Mich persönlich interessieren die Menschen hinter der Kunst, ihre Persönlichkeiten.“

Und wie bekommt man so viel Unterschiedliches unter ein Dach?

Michael Martinek: Wer sagt, dass man sich als Label unbedingt auf eine ganz bestimmte Richtung festlegen muss? Mich persönlich interessieren die Menschen hinter der Kunst, ihre Persönlichkeiten. Hinter Leuten wie Boz Boorer und Christopher Chaplin – dich ich schon lange vor unserer Zusammenarbeit kennengelernt habe und Kunst ich unglaublich schätze – verbergen sich unheimlich faszinierende Geschichten. Die persönliche Ebene ist also mitentscheidend. Nicht so sehr das Genre, aus dem die Leute kommen.

Das Betreiben eines Labels an sich ist jetzt auch nicht unsere große Leidenschaft. Unsere Leidenschaft ist, mit den Künstlerinnen und Künstlern gemeinsam den Weg zu gehen. Es sind die Vision, das Potenzial, das große Ganze und die langfristige Perspektive, die uns antreiben.

Welche Kriterien entscheiden über eine Zusammenarbeit mit einer Künstlerin bzw. mit einem Künstler? Wie suchen Sie sich die Artists aus?

Michael Martinek: Im Grunde genommen entscheidet das Gesamtpaket. Sehen wir genügend Potenzial und Qualität in einem Act? Gibt es die Möglichkeit für eine längere Zusammenarbeit? Bietet die Künstlerin bzw. der Künstler etwas für uns Neues? Und natürlich geht es auch um die persönliche Ebene. Will man mit der- oder demjenigen auch einmal gerne auf einen Kaffee gehen? Manchmal kann es auch passieren, dass man einfach zufällig über einen interessanten Act stolpert, den man vorher nicht auf dem Radar gehabt hat.

Gibt es im Rückblick irgendwelche Dinge, die Sie verpasst haben? Gelegenheiten, mit interessanten Künstlerinnen und Künstlern zusammenzuarbeiten, die Sie nicht ergriffen haben?

Michael Martinek: Ich muss sagen, dass unser Bauchgefühl eigentlich immer richtig entschieden hat. Wir hatten eigentlich immer das Glück, mit ganz tollen Leuten zusammenzuarbeiten. Was manchmal vorkam, war, dass wir in ein langfristig angelegtes Projekt sehr viel Energie investiert haben, letztlich es mancher Künstlerin bzw. manchen Künstler aber an Biss gefehlt hat, das Ding wirklich bis zum Schluss durchzuziehen. Das war immer ein wenig schade und auch enttäuschend. Aber, wie gesagt, das waren eher wenige Ausnahmen.

Wo sehen Sie „Fabrique Records“ in zehn Jahren? Was erträumen Sie sich?

Michael Martinek: Was ich mit erträume, ist, dass es uns gelingt, drei, vier unserer Artists weltweit in ihren jeweiligen Genres erfolgreich zu positionieren, ihnen zu einem guten Standing zu verhelfen. Mit dem einen oder anderen Act sind wir da mittlerweile auf einem guten Weg. Vor allem im experimentellen Bereich klappt das ganz gut.

Was in zehn Jahren sein wird, traue ich mich nicht zu sagen. Die Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle ändern sich ja laufend. Aber ich denke, dass wir diesbezüglich ein ganz gutes Gespür haben. Wir haben intuitiv ja gleich zu Beginn auch einen Verlag gegründet, da wir davon überzeugt waren, dass man als kleines Musikunternehmen in einem sich ständig verändernden Marktumfeld nur überleben und erfolgreich sein kann, wenn man Partnern aus der Markenindustrie, Kunst oder auch Filmwirtschaft alles aus einer Hand anbieten kann. Unbürokratische Lizensierungen und künstlerisch hochwertigen „Content“. Einige schöne Kooperationen haben unserem Bauchgefühl rechtgegeben. Sonst gilt es eben, sich den Entwicklungen immer anzupassen. Aber es sollte nicht so weit gehen, dass wir unsere Überzeugungen über Bord werfen müssen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

 

Fabrique Records Labelnight

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