mica-Serie "Urheberrecht": Statements vom World Copyright Summit 2011

Seit 2007 veranstaltet die CISAC (International Confederation of Societies of Authors and Composers) nun schon den World Copyright Summit (WCS). Dieser gilt als eine der international bedeutendsten Events für Diskussionen rund um die Zukunft von Urheberrechten und der Kulturwirtschaft. Vergangenen Juni kamen in Brüssel einmal mehr Urheber aller Sparten mit Vertretern der Kreativwirtschaft zusammen, um, diesmal unter dem Motto “Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft: kreieren – vernetzen – respektieren“ aktuelle Fragen, Entwicklungen und Herausforderungen zu diskutieren. Im Rahmen der mica-music austira Urheberrechtsserie sollen die Positionen vier bedeutender Persönlichkeiten, welche beim World Copyright Summit, dargestellt werden. Und zwar jene von Robin Gibb (Singer/Songwriter und Präsident des CISAC), Michel Barnier (EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen), Neelie Kroes (zuständig für die digitale Agenda der EU-Kommission) und Michel Lambot (Mitbegründer/Co-Präsident von PIAS / Co-Präsident von Impala)

Robin Gibb

Der Slogan des Gipfels lautet: “Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft”. In welcher Form reflektiert dieser die Anliegen der Urheber?
Robin Gibb: Urheber schaffen Kunst, dass ist das, was sie antreibt. Ob Maler, Komponist, Autor, Fotograf oder Filmemacher, es sind unsere künstlerischen und kreativen Unternehmungen, die uns am Laufen halten. Ich bin ein Songwriter mit einer Fülle von Songs, die ich entweder auf eigene Faust oder mit meinen Brüdern geschrieben habe. Aber manchmal müssen wir unsere Tätigkeit auch als ein Geschäft betrachten. Niemand kann bestreiten, dass das neue digitale Ökosystem eine Menge Druck für die Kreativwirtschaft bedeutet. Und das hat einen direkten Einfluss auf die Urheber. Daher eignet es sich als Thema sehr, für den dritten World Copyright Summit die Auswirkungen zu erforschen, welche diese digitale Welle auf uns hat und wie wir – und damit meine ich alle Beteiligten – auf diese Herausforderungen reagieren können.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen für Musikschaffende in diesem neuen digitalen Öko-System?
Robin Gibb: Wie ich schon sagte, unsere gesamte Grundlage liegt in der Schöpfung von Kunst und in der Zugänglichmachung unsere Werke für die Öffentlichkeit. Also würde ich sagen, unsere größte Herausforderung ist es, entlohnt zu werden. Das ist ganz natürliches Streben. Allzu oft gibt es Leute, die es für normal empfinden, unsere Arbeiten zu nehmen und mit diesen Werken Geschäfte aufzubauen. Uns aber für unsere Leistungen zu entlohnen, scheint immer deren letztes Anliegen zu sein. Ich würde auch meinen, dass es an uns, den Urheber,  liegt neben unseren Gesellschaften, Lösungen zu finden und anzubieten, welche den Menschen mit soliden Geschäftsmodellen den Zugang zu unseren Kreationen vereinfacht, vorausgesetzt wir werden dafür entsprechend entschädigt.

Was für eine Rolle spielen kollektive Management-Organisationen in diesem neuen Öko-System?
Robin Gibb: Es wäre leicht zynisch zu werden und zu sagen: “Was kümmert mich das?”. In Wahrheit steht aber für viele Urheber das Überleben und die Stärkung des kollektiven Management-Systems im digitalen Zeitalter an erster Stelle. Für viele von uns, den Urhebern, den Organisationen, ist dieses globale Netzwerk der Verwertungsgesellschaften ein grundlegender Bestandteil der Existenz. Ich glaube an die Individualität, wenn es um die kreativen Aspekte unseres Handels geht – ich denke, jeder Urheber würde diese Ansicht bestätigen – aber ich weiß auch, dass Stärke in Zahlen kommt, wenn Urheber für die Nutzung ihrer Werke bezahlt werden wollen. Es entsteht durch diese digitale Revolution eine immer komplexere Welt, und da wir mit sehr starken Organisationen zu tun haben, die unsere Kreationen verwenden, gibt es gerade kein besseres System, dass unsere Rechte mehr respektiert, als das kollektive Management-System. Und da wir schon dabei sind, möchte ich den Mythos aufklären, dass sich unsere Gesellschaften von den Urhebern entfremdet haben. Das ist Unsinn, und ich möchte dazu einladen auf dem Summit mit den großartigen anwesenden Urhebern zu sprechen und sie nach ihrer Meinung zu fragen.  Ich bin mir sicher da findet sich eine überwiegende Einstimmigkeit zu diesem Thema. Wir können immer mit Gesellschaften diskutieren, wie man das System verbessern und effizienter gestalten kann – und glauben Sie mir, wir haben diese Diskussionen- Es handelt sich um ein System, welches seine Berechtigung hat und uns bestens bedient und unsere  Interessen schützt.

Michel Barnier

Michel Barnier ist der europäische Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen. Als solcher ist er zuständig für Fragen im Zusammenhang mit Urheberrechten und geistigem Eigentum.

Dieser Welt-Gipfel möchte ein strategisches Thema ansprechen: die wesentliche Rolle des geistigen Eigentums im Allgemeinen und der Urheberrechte im globalen Wettbewerb um Innovation und Wachstum.

Ich bin überzeugt davon, ohne geistiges Eigentum gäbe es keine Innovation, und ohne Innovation gäbe es kein starkes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Um was es hier geht ist, Europas Vorteil auf dem Weltmarkt für Innovation und Wachstum. Gleichzeitig hängt die Zukunft der kulturellen Vielfalt in Europa und der Welt davon ab.

Wir müssen dringend handeln, um den derzeitigen Rechtsrahmen von geistigem Eigentum zu erneuern. Tatsächlich sind wir mit neuen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem digitalen Zeitalter und der technologischen Innovation, konfrontiert.

Diese Herausforderungen sind vielfältig:

– Mangelhafte Transaktionen: es ist sehr schwierig, zum Beispiel mit den gegenwärtigen Rahmenbedingungen musikalische Rechte im Internet auf einer multi-territorialen Basis auszuüben;

– Unzureichende Anreize: zum Beispiel sind die Kosten für die Anmeldung eines Patents in Europa zehnmal höher als in den Vereinigten Staaten;

– Unvollständige und fragmentierte Verbreitung von Informationen und der Zugang zu europäischen kulturellen Gütern (zum Beispiel variiert die Verfügbarkeit von Musik-Diensten erheblich von einem Land zum anderen);

– Unzureichender Kampf gegen Fälschung und Piraterie: mit einem 920% Anstieg der Beschlagnahmungen von gefälschten Waren vom Zoll zwischen 1999 und 2009.

Das Ziel der neuen Gesetzgebung rund um geistiges Eigentum in Europa, an welcher wir arbeiten, ist es, genau auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren, so dass Europa weiterhin den Weg in Bezug auf Innovation und damit Wachstum führen kann. Diese Regelung muss als Regierungsinstrument betrachtet werden.

Dieses Regierungsinstrument versucht eine optimale Balance zwischen zwei Hauptzielen zu finden. Nämlich einerseits den Urhebern und Erfindern gerechte Entlohnung zu bieten um Innovation und kulturelle Vielfalt zu fördern und zu belohnen, und auf der anderen Seite die größtmögliche Verbreitung von Inhalten zu erleichtern.

Mein Ziel ist es die bestehenden Rechtsvorschriften zu erneuern, um sie als Durchführungsvorschriften zu etablieren. Die erneuerten Rahmenbedingungen müssen ermutigend sein. Es muss ein Anreiz für alle Beteiligte sein: Urheber zu motivieren, zu innovieren und neue Ideen und Werte zu kreieren; Anwender motivieren und  innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln; Verbraucher motivieren nach qualitativ hochwertigen Inhalten und Produkten zu verlangen.

Michel Lambot

Michel Lambot ist Mitbegründer der in Brüssel ansässigen unabhängigen Musikunternehmen PIAS und ist Co-Präsident von Impala, die europäische Organisation, die unabhängige Unternehmen vertritt.

Glauben Sie, dass die Kreativwirtschaft lebensfähige Ökosysteme in der digitalen Wirtschaft entwickeln kann?
Michel Lambot: In der Tat, der beste Beweis dafür ist, dass wir keine Pläne zur Schließung von PIAS haben – im Gegenteil. Doch, um in dem neuen Ökosystem zu überleben, gibt es eine Reihe von Bedingungen, die erfüllt werden müssen:

a) Eine grundlegende Änderung des Geschäftsmodells – die wichtigste Veränderung liegt in der Fähigkeit die Mentalität der Kollaborateure zu ändern. Zuvor haben sie mit Plattenläden, Radiostationen, Fernsehsender und der Presse (‘Vermittler’) kommuniziert, um sich davon zu überzeugen, dass sie unsere Künstler an die Endnutzer vermitteln sollen. Nun müssen sie das Gleiche tun, aber sie müssen die Endnutzer direkt ansprechen und obendrein müssen sie sicherstellen, dass die Nachrichten von “Vermittlern” und ihre eigene Botschaften an die Endnutzer stimmig sind und sich nicht widersprechen.

b) Geld ist die Essenz, um in dem Übergang zur digitalen Wirtschaft erfolgreich zu sein. Zur Zeit müssen wir sowohl die Kosten der digitalen Wirtschaft wie auch das physische Pendant unterstützen.

c) Die letzte Bedingung ist politisch: als Content-Provider kontrollieren wir nicht die Kabel, die die Welten miteinander verbinden. Die Politiker müssen die Situation verstehen, ihre Verantwortung akzeptieren und die Probleme angehen, um das Netz zu regulieren. Sie müssen auch Verantwortung für gleiche Wettbewerbsbedingungen übernehmen. Der Marktzugang ist weit diskriminierender im digitalen Bereich, als in der physischen Welt.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen, denen sich Musikunternehmen in den neuen digitalen Öko-System stellen müssen?
Michel Lambot: Es gibt durchaus ein paar Herausforderungen:

a) Der Kampf gegen GRATIS.

b) Strukturelle Veränderungen, um Einnahmen für Musikproduktionen zu erlangen, indem man alle Möglichkeiten von Einnahmequellen und Kanäle in der Karriere des Künstlers in Betracht zieht, und nicht allein  den Verkauf  ihrer Aufnahmen.

c) Ein neues Marketingkonzept einschließlich virales Marketing.

d) Das Geschäftsmodell, welches sich an einem Pauschalbetrag für jede verkaufte CD orientiert, in ein “Penny Business” verändern.

e) Flexibler sein in Hinblick auf Akzeptanz von strukturellen Veränderungen des Modells vom 20. Jahrhunderts zum Schutz des Urheberrechts.

f) Ständig Mitarbeiter schulen und coachen im Sinne von neuen Regeln, die neue Welt.

Welche Rolle werden kollektive Management-Organisationen in der digitalen Wirtschaft spielen?
Michel Lambot: Eine wesentliche, wenn wiederum ihre Geschäftsmodelle an die neue Wirtschaft angepasst werden. Wir haben mit Tech-Unternehmen zu tun, die nicht unbedingt große Lust auf Kultur haben. Sie sind nicht in diesem Geschäft, weil sie gerne eine Buchhandlung führen, oder ein Theater oder ein Radio verwalten. Stattdessen sehen sie uns nur als “Content Provider”. Sie wollen sich nicht mit Hunderten von Unternehmen befassen, um sicherzustellen, dass sie den letzten koreanischen Art-Movie oder die nächste aufstrebende schottische Band haben. Es kümmert sie nicht: sie wollen ein einfaches Leben, und sind nur bereit mit einer begrenzten Anzahl von Menschen zu sprechen. Wegen ihrer Unlust auf Kultur, und weil sie Content-Lieferanten nur als Zulieferer in der Wertschöpfungskette sehen, so wie sie Chips Anbieter in der Wertschöpfungskette sehen, können sie nicht verstehen, warum sie einem kleinen Verlag die gleichen Gebühren zahlen sollen wie einem großen Verlag. Im Hinblick auf diese beiden Aspekte, bietet die kollektive Lizenzierung das perfekte Heilmittel: eine einzige Quelle von Verhandlungen für eine große Zahl von Verlagen und großer Unternehmen, die erlauben, dass unabhängige Urheberbesitzer gerecht zu vergüten. Aber die kollektive Lizenzierung kann dem Geschäft ernsthaft schaden, wenn es als Monopol organisiert wird und die einzige Quelle der Online-Lizenzierung wird, wie es in der alten Wirtschaft der Fall ist. Das wäre einfach unmöglich und kontraproduktiv.

Neelie Kroes

Neelie Kroes ist die EU-Kommissarin für Digitale Agenda, und hat den World Copyright Summit am Dienstag am 7. Juni 2011 eröffnet. Sie gab uns ihre Standpunkte zu den Themen, die auf dem Gipfel diskutiert wurden.

Ich habe eine lange Geschichte mit der CISAC, und ich denke es ist wichtig unseren Dialog offen zu halten und deshalb freue ich mich am diesjährigen World Copyright Summit teilzunehmen.

Ich möchte meine Zeit auf dem Gipfel nutzen, um den Fokus auf unsere gemeinsame Interessen an der Erhaltung der Musik und die Bereitstellung für das digitale Zeitalter zu legen. Wir haben einen tollen Posten im Binnenmarkt – ich nenne es gerne unser Kronjuwel – und ich möchte der Musikindustrie helfen, jeden Erwerbsweg zu finden und davon zu schöpfen.

In vielerlei Hinsicht ist es eine Schande, dass während meiner Zeit als Wettbewerbskommissar, wir eine Verbotsentscheidung gegen Verwertungsgesellschaften erlassen mussten, da ich weiß, dass  auf beiden Seiten jede Menge guter Wille da ist, um das Copyright-System fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Wie ich zu den vielen Partnern sage, die mithelfen, die digitale Agenda umzusetzen: Es lohnt sich pragmatisch zu sein und wir können mehr erreichen, wenn wir zusammenarbeiten. So hoffe ich, diesen Geist in meinen Gesprächen einflößen zu können. Nur weil wir nicht immer einer Meinung sind,  ist das kein Grund um zu nicht zu versuchen, dass wir unsere Gemeinsamkeiten maximieren.

Manchmal denken die Leute von mir, ich wäre sehr marktorientiert. Aber es gibt noch eine andere wichtige Seite an mir – die umfasst Kunst und Kultur als die Essenz des Lebens. Meine Botschaft an die Teilnehmer des Gipfels ist, dass die Kultur uns in einer Weise bereichert, die fast unmöglich mit einem Preis festzusetzen ist. Und aus diesem Grund möchte ich sicherstellen, dass alle Künstler die Möglichkeit haben, neue Ideen und Techniken zu erforschen, und über die aktuellen Grenzen hinausschieben um immer mehr interessante und neue Kreationen zu entwickeln.

Deshalb habe ich über den Abriss des “kulturellen Berliner Mauer” unseres Copyright-Systems im vergangenen Jahr gesprochen, weil ich es hasse wenn unnötige Hindernisse in den Weg der Kreativität gestellt werden.

Aber klar, ich bin keine Künstlerin, und deshalb möchte ich von den Künstlern und ihren Vertretern hören, wie wir uns gemeinsam um das Loswerden dieser Hindernisse bemühen können. Und ich möchte, dass Künstler wissen, dass ich sie in meinen Job unterstützen will,  bereit zu werden für das, was auch immer die Zukunft bringen mag.

Wenn ich diese Philosophie mit einem Ziel zusammenlegen muss, dann wäre das die Kreativität zu helfen, indem man die Künstler hilft. Da praktisch jeder Trend aufzeigt, dass die Welt digital wird, möchte ich sicherstellen, dass alle Künstler auf die Reise mitgenommen werden. Und ich hoffe, die kreativen Gemeinschaften in Europa werden diese Möglichkeiten auch willkommen heißen. ICT ist nicht etwas, das der kreativen Welt passiert – es ist etwas, das man biegen und formen und verbessern kann, wenn man möchte. Die Digitale Agenda für Europa bietet eine Chance sich dieser Bewegung anzuschließen. Ob wir nun Kunst selbst herstellen oder nur betrachten oder benutzen, wir alle haben ein Interesse daran, wie unsere Kultur mit der digitalen Welt interagiert.

Texte zur Verfügung gestellt vom WCS.