mica-Porträt: TROST RECORDS

Vom mit Cassetten bestückten Bauchladen zum international vernetzten Speziallabel für VinylliebhaberInnen. Seit nun über 20 Jahren veröffentlicht TROST Records heimische und internationale Musik jenseits der klingenden und singenden Hauptstrassen.

Begonnen hat alles 1991/92 als das Label TROST Records als eines der ersten österreichischen Independent-Labels von Alexander de Goederen und Andreas Höllering gegründet wurde. Damit sollte der aktuellen lokalen Musik, die die Label-Begründer auch als Fans gerne hörten, ein öffentliches Forum geboten wie auch gezeigt werden, dass es jenseits der klassischen Austropop-Szene jede Menge neuer musikalischer Inhalte und Ausdrucksformen gibt, die dem heimischen Mainstream dann auch bewusst  entgegengesetzt wurden. Wenig später stieß der Student Konstantin Drobil dazu, der damals schon nebenbei im Wiener Flex als Konzertveranstalter, Bardienst und Autor des Fanzines “Flex’s Digest” tätig war.

“Obwohl ich musikalisch eigentlich ganz woanders herkam als die beiden TROST-Menschen”, erinnert sich Drobil, “so gefiel mir doch deren Herangehensweise und wie sie die damals in Punk- und Hardcore-Kreisen sehr verbreitete “Do It Yourself”-Attitude und die damit verbundenen Arbeitsweisen eben nicht mit Hardcore und Punk, sondern mit Avantgarde und Pop zu verbinden versuchten.

Der ursprüngliche TROST-Tonträger war dabei, ganz im Sinne der damals weltweit florierenden “Cassette-Culture” die Kassette. Nicht zuletzt deren relativ billige Produktion ermöglichte so ein großes Spektrum an allem möglichen Stilrichtungen. Das reichte von avantgardistischen Klangexperimenten über Sixties-Pop bis hin zu Punk (u.a. mit Acts wie Scrooge, Snakkerdu Densk, Heiland Solo, Play The Tracks Of). Wobei die freundschaftlichen Kontakte zwischen Label und MusikerInnen ein weiteres wichtiges Kriterium waren und sind.

Verkauft wurden die Kassetten zuerst mittels Handverkauf bei Konzerten in Wiener Clubs (Flex, Bach, Chelsea). Durch die große Nachfrage beim Publikum und auch den Bands, begann TROST bald auch Vinyl und später CD-Formate zu veröffentlichen. Ebenso konnte der mobile TROST-Laden (eine Art Bauchlanden bestehend aus ein paar Kisten voll gepackt mit Platten, CDs, Kassetten, Fanzines, etc.) im Laufe der 1990er Jahre auch immer öfters auch bei Konzerten außerhalb von Wien angetroffen werden. Mittlerweile gehört der TROST-Stand zum fixen Inventar u.a. des “Donaufestivals” wie des “Unlimited” in Wels.

Um auch abseits kommerzieller Verkaufsstrategien optimale Bedingungen für die TROST-Bands bieten zu können (dazu gehörten damals u.a. Kurort, Play The Tracks Of, Deadzibel, Snakkerdu Densk, später auch Bulbul, die gleich mit einer in Eisen verpackten CD vor allem im Ausland verstärkt Resonanz erzeugten, sowie Valina, Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune, Holly May, Porn To Hula), wurde das Label schließlich 1996 auf eine neue Basis gestellt, indem ein Vertrieb für alternative Musik gegründet wurde. Drobil dazu: “Da fiel dann die Entscheidung, quasi das Hobby zum Beruf zu machen. Nur von einem Label allein kann man ja nicht leben. Daher war die Gründung eines Musikvertriebs nur der nächste logische Schritt.”

In Folge wurde Drobils Wohnung an jeweils drei Tagen pro Woche (Mittwoch bis Freitag) zu einem “öffentlichen Wohnzimmer” umfunktioniert, wo Musikinteressierte “vorbeikommen, neue Musik hören, Kaffee trinken und eben auch Platten kaufen konnten”. Wobei die gute Idee mit der Zeit jedoch auch ungeahnte Auswüchse angenommen hat. “Als die Wohnung plötzlich überall von der Küche bis zum Bett den ganzen Tag lag mit Leuten voll war”, so Drobil, “keimte schließlich die Idee auf, einen eigenen Laden auf zu machen.”

2001 eröffnete dann das „Substance“ im 7. Wiener Gemeindebezirk. Ein damals nicht gerade risikofreies Unterfangen. “Zwar wünschten mir natürlich alle Bekannten und Freunde aus der Musikszene nur das Beste, aber so wirklich glaubte niemand daran, dass ein Plattenladen in Zeiten der von überall her proklamierten Musikkrise auf lange Zeit auch funktionieren könne.” In Folge kam es zu einem Relaunch und einer Erweiterung der Trost-Homepage, bei der auch die Gestaltung und das Betreiben der Sub-Seiten der Label-Bands professionalisiert wurde.

Ab 2004 forcierten sich auch die internationalen Mailorder-Aktivitäten und Trost startete mit dem weltweiten Export von Releases befreundeter österreichischer Labels. Allen Krisenmeldungen und Prophezeiungen zum Trotz musste das “Substanz” 2005 sogar weitere Räumlichkeiten im Hinterhof des Ladens anmieten, da es ohne “richtigem Büro mit mehreren Arbeitsplätzen für uns und unsere MitarbeiterInnen (derzeit arbeiten neben Drobil vier Leute für TROST, Anm. ) nicht mehr möglich war, die mittlerweile angefallene Arbeit  professionell zu erledigen”, wie Drobil mit Verweis auf den “verstärkten Aufbau eines Vertriebsnetzes ins Ausland” anmerkt.

Seit 2008 fungiert zudem Ordis als digitaler sowie Cargo (Deutschland) als europaweiter Vertrieb, zwei Jahre später kam es zur Ausweitung der Zusammenarbeit mit spezialisierten Download-Plattformen wie Boomkat, Warp und Fina. Weiters beteiligte sich Trost an der Gründung des von der Wiener Musikerin Christina Nemec initiierten Labels Comfortzone (u.a. Crazy Bitch In A Cave, chra, Cherry Sunkist, Kumbsi Queers, Mika Vainio, Station Rose, Lydia Lunch & Philippe Petit).

Im Herbst 2011 erfolgte dann die Neugründung des Labels “Cien Fuegos”. Hier werden alte Schätze der Musikgeschichte in hochwertiger Weise wieder veröffentlicht. D.h., Remastering der Original-Aufnahmen, 180g Vinyl, originalgetreues Artwork, dickes Kartoncover. Quasi ein Muss für alle Vinylfans! Inhaltlich fährt das Label dabei auf zwei Schienen. Die internationale widmet sich Klassikern aus den Bereichen Jazz, Avantgarde, Improvisation. So wurden im Oktober 2011 mit „Balls“ (1970), „Tschüs“ (1975) und „Ein halber Hund kann nicht pinkeln“ (1977) gleich drei rare Alben der deutschen Freejazz-Legende Peter Brötzmann wieder zugänglich gemacht. Gerade diese Releases erfuhren einen enormen internationalen Widerhall und und öffneten viele neue Türen. Mittlerweile kümmern sich Vertriebe in den USA, England, Frankreich und Japan (die ihrerseits Trost- und Comfortzone-Veröffentlichungen in ihr Programm aufnahmen) um die weltweite Distribution von “Cien Fuegos”-Tonträgern. Dementsprechend schnell sollten Fans zugreifen, da die Erstauflagen mitunter relativ zügig auch schon wieder vergriffen sind.

Die andere Schiene steht hingegen ganz im Zeichen längst verloren geglaubter LPs österreichischer New Wave-, Avantgarde- und Punk-Acts. Zu den hier aktuell geplanten Wiederveröffentlichungen für 2012 (alle selbstverständlich auch in Form von 180g Vinyl) zählen u.a. die ursprünglich 1982 erschienenen LPs “1000 Takte Tanz” von Chuzpe, “Schwarze Energie” vom Hotel Morphila Orchester (mit Peter Weibel als Sänger), “1000 Seen” von Dämmerattacke sowie “A Doll Spits Cubes” aus 1981 von The Vogue (mit Gary Danner/Sation Rose und Ronnie Urini).

Von Peter Brötzmann wird es zudem im Frühjahr die LP “Schwarzwaldfahrt” von 1977 und die Single (!) “Einheitsfrontlied” geben, im Herbst folgt dann eine große CD-Box über das von Brötzmann 2011 kuratierte “Unlimited Festival” in Wels. Aktuell besteht der TROST-Rooster aus den Bands Pilots (A), The Nighty Night (Ex-Paper Chase, USA), SONORE (Brötzmann, Vandermark, Gustafsson), FULL BLAST (Brötzmann, Wertmüller, etc.), Aber das Leben lebt (A), Porn To Hula (A), Morbidelli Brothers (A). (nedi)