mica-Jahresrückblick

2010 ist in der heimischen Musikszene so einiges passiert. Einmal mehr zahlreiche neue und hoffnungsvolle Namen auf der Bildfläche erschienen, von denen man durchaus annehmen kann, dass sie sich langfristig etablieren. Darüber hinaus gab es aber auch eine Menge Diskussionsstoff, denkt man an die im Herbst eingeführte Urheberrechtsabgabe auf Festplatten. Das Team des mica-music austria selbst blickt auf ein sehr erfolgreiches und sehr abwechslungsreiches Jahr 2010 zurück. Der Versuch eines kurzen Jahresrückblicks ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür ist einfach erfreulicherweise viel zu viel passiert.

Eines hat das bald vergangene Jahr erfreulicherweise gezeigt. Es herrscht wieder großes Interesse an Musik in und aus Österreich. Und das in allen Genres. Man betrachte nur die ausgezeichneten Besucherzahlen der verschiedenen Festivals und Veranstaltungen. So durfte unter anderem der neue künstlerische Leiter von Wien Modern, Matthias Lošek eine höchst positive Bilanz ziehen. Nicht nur, das einmal mehr eine ungemein hochklassiges und an Höhepunkten sehr reiches Programm präsentiert werden konnte, auch erreichte das Festival für Musik der Gegenwart mit 13000 BesucherInnen einen Spitzenwert.

Ein echtes Lebenszeichen gab die heimische Singer/Songwriter Szene im Frühjahr von sich. Mit über 40.000 Besuchern an vier Tagen geriet das Popfest Wien zum veritablen Erfolg. Das von Robert Rotifer kuratierte Festival wartete mit einem Programm auf, das es in dieser Form bis dato nicht gegeben hat. Erfreulich, dass es im kommenden Jahr seine Fortsetzung findet. Reges Interesse herrschte auch an den im Rahmen des Festivals von mica-music austria in kooperation mit AMAN und dem VTMÖ veranstalteten Popfest Sessions, wo in prominenter Runde die Situation der heimischen Poplandschaft näher analysiert wurde.

Ebenfalls erwähnt werden sollten die großen Erfolge der unzähligen anderen Festivals und Konzertreihen, wie jene des Komponistenforums Mittersill, des Poolbarfestivals im Dornbirner Spielboden, des Elevate Festivals in Graz, des Impulsfestivals in Graz, des Jazzfests Wien, des Musikprotokolls in Graz, der Salzburger und Bregenzer Festspiele sowie die der Wienerlied- und Weltmusikfestivals Wean Hean, Wien im Rosenstolz und KlezMore uvm. Überall das gleiche Bild, volle Konzertsäle und begeisterte Musikliebhaber.

Besonders erfreulich ist zudem, dass heuer auch international heimische KünstlerInnen auf sich aufmerksam machen und beachtliche Erfolge feiern konnten. So etwa wurde der jungen österreichischen Songwriterin Soap&Skin im Jänner der internationale “European Border Breakers Award” (EBBA) verliehen. Damit nicht genug, darf auch 2011 eine heimische Künstlerin diesen  begehrten Preis entgegennehmen. Und zwar die gebürtige Welserin Saint Lu. Die Ehre zu einem anderen international bedeutenden Festival eingeladen zu werden, wurde im Frühjahr unter anderem der Alternativ-Combo Kreisky zu Teil, die beim Europavox in Frankreich die Musikfans zu begeistern wussten.

Aber natürlich nicht nur VertreterInnen des Pop erfreuten sich an hochkarätigen internationalen Einladungen, wie die zahlreichen (Ur-)Aufführungen im Ausland von Werken heimischer KomponistInnen eindrucksvoll zeigen. So etwa wurden drei Uraufführungen von Werken von Johannes Maria Staud im Rahmen des Festival d’Automne von niemand Geringerem als Pierre Boulez zum Erklingen gebracht. Wahre Begeisterungsstürme beim Publikum  lösten die bei den Donaueschinger Musiktagen sowie beim Festival „Moving Sounds“ in New York aufgeführten Werke von den österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas und Bernhard Lang aus. Nicht weniger Aufsehen erregte der vor wenigen Wochen mit dem “Silbernen Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich” geehrte Friedrich Cerha, dem bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik mit einem Schwerpunkt bedacht wurde. In der Neuen Musik über eine Auszeichnung freuen durften sich unter anderem Richard Dünser (Ernst Krenek Preis) und Thomas Wally (outstanding artist award).

Auch in Fernost machten österreichische KünstlerInnen Werbung in eigener Sache. Die Bands und Ensembles, die im Rahmen der Expo Shanghai ein Gastspiel gaben und die rotweißrote Flagge höchst erfolgreich hochhielten, waren Mnozil Brass, Bauchklang, das Koehne Quartett, Ausseer Bradlmusi, Penta Musica, Netnakisum, Christof Dienz, Akkosax, Birds of Vienna und die Neuen Wiener Concert Schrammeln. Darüber hinaus wurde auf Empfehlung des mica-music austria Alexander Wagendristel vom Expo Office Austria beauftragt, als Komponist für den Pavillon Österreichs in Shanghai Kompositionen zu schaffen. Diese wurden von der Musikerin Electric Indigo im elektronischen Bereich künstlerisch weitergesponnen  und von einer kammermusikalischen Besetzung von insgesamt 12 MusikerInnen (Violine, Cello, Klarinette, DJ) abwechselnd gespielt. Die BesucherInnen zeigten sich begeistert.

Erneut einen großen Berwerberansturm erlebte 2010 auch wieder der Ö3 Soundcheck, an dem  in diesem Jahr über 800 junge Bands und MusikerInnen teilnahmen. Als Sieger ging Norbert Schneider hervor, der mit  seiner Interpretation des Reggae-Klassikers „Take It Easy“ sowohl die Jury wie auch die HörerInnen von Ö3 begeistern konnte.

Aber nicht nur positive Meldungen waren 2010 zu vernehmen. Traurig ist, dass Matthias Rüegg nach mehreren erfolgreichen Dekaden den Beschluss fasste, sein international angesehenes Vienna Art Orchstra aufgrund fehlender Unterstützung zu Grabe zu tragen. Damit verliert Österreich nicht nur eines seiner musikalisch bedeutendsten Exportgüter, sondern auch eine echte Institution.

Aufregung herrschte über die von den Verwertungsgesellschaften Austro Mechana, Literar-Mechana, LSG, VAM, VBK, VDFS und VGR eingeführte Urheberrechtsabgabe auf Festplatten, auf die der Computerkonzern HP stellvertretend für Importeure und Händler mit einer Klage antwortete. Ob es im dritten Anlauf – nach den Versuchen 2005 und 2009 – gelingt, die Abgabe zu etablieren, lässt sich heute noch nicht sagen. Bis ein Urteil gefällt ist – vermutlich erst vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) -, dauert es mit Sicherheit noch einige Zeit.

Das mica selbst kann alles in allem auf ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Jahr 2010 zurückblicken, konnten doch hoch interessante neue Projekte auf den Weg gebracht werden. So eröffnete man im April eine Außenstelle in Salzburg, die von den Musikschaffenden genutzt wird. Sehr gut besucht waren die Diskussionsrunden der mica-focus Reihe, sowie der heuer erstmals veranstaltete lese-takt, zu dem Größen wie unter anderem Austrofred, Rainer Krispel, Birgit Denk, Louie Austen und Tex Rubinowitz begrüßt werden durften. Ebenfalls im mica-music austria eröffnet wurden die von departure und The Gap in Zusammenarbeit mit mica – music austria veranstalteten „Neue Töne Music Talks“, welche zur Vorbereitung des Fördercalls „Focus Musik“ von departure dienen. (mt)

 

 

 

Foto 2: Nika Ostermann
Foto Saint Lu: Vanessa Maas