Dass sich der moderne und innovative Jazz nicht notwendigerweise immer in der übermäßigen Komplexität und Verkopftheit verlieren muss, um ein interessanter und fordernder zu sein, genau das versucht Wolfgang Seligo in seinen verschiedenen Projekten immer wieder unter Beweis zu stellen. Ein schönes Beispiel dafür ist auch seine in diesem Frühjahr erschienene CD „Jazz Trio“. Der Wiener Pianist im Interview mit Michael Ternai.
Wie bist du eigentlich zu einem Musiker geworden. Wo liegen die Anfänge deiner Liebe zur Musik?
Wolfgang Seligo: Bei mir ist es eigentlich ganz normal verlaufen. Ich habe als Kind begonnen, Klavier zu spielen, wobei ich wie jedes andere Kind auch nie wirklich üben wollte (lacht). Auch habe ich anfangs nicht wirklich vorgehabt, irgendwas mit Musik zu machen. Mit dreizehn, vierzehn habe ich dann hobbymäßig in diversen Bands gespielt. Mich so richtig zum Üben hingesetzt habe ich mich erst relativ spät mit siebzehn oder achtzehn Jahren. Natürlich habe ich davor schon auch Unterricht genommen, nur habe ich dort vorwiegend Klassik gespielt.
Du hast also in der Klassik deine ersten richtigen Schritte getätigt.
Wolfgang Seligo: Was aber klar ist. Am Klavier beginnt man halt mit den klassischen Sachen. Ich unterrichte ja auch selber und beginne mit meinen SchülerInnen mit klassischen Stücken. Als ich ein Kind war, wären vermutlich auch nicht wirklich viele Lehrer da gewesen, die Jazz für Kinder unterrichtet hätten. Und außerdem habe ich zum damaligen Zeitpunkt ja auch nicht genau gewusst, welchen musikalischen Weg ich einmal einschlagen will.
Wie gesagt, irgendwann habe ich mich wirklich hingesetzt und zum Üben begonnen. In Folge ging es dann ans Konservatorium, wo ich angefangen habe, Musik zu studieren. Ich muss aber dazu sagen, dass ich das Studium dann abgebrochen und erst viel, viel später abgeschlossen habe. Da war ich eigentlich schon als Musiker aktiv unterwegs.
Dass ich das Studium erst so spät beendet habe, liegt vielleicht auch darin begründet, dass ich mich ursprünglich eigentlich immer mehr mit dem Komponieren beschäftigt habe, als wirklich mit dem Klavier spielen. Das hat sich in den letzten Jahren natürlich ein wenig gewandelt, besonders dann, als ich mich intensiver meinen eigenen Solosachen gewidmet habe. Da musste ich spieltechnisch natürlich wieder einiges aufholen, um meine Vorstellungen auch wirklich umsetzen zu können. Anfangs habe ich mir ja Vorlagen geschrieben, die ich eigentlich nicht spielen konnte. Ich habe meine eigenen Kompositionen wochenlang quasi üben müssen und so bin ich technisch dann auch wieder besser geworden.
Davor habe ich ja gelegentlich einige Werbesachen komponiert und auch im Bereich der Medienmusik gewirkt. Auch habe ich mit einem Freund eine Zeit lang ein Tonstudio betrieben, was leider zur Folge gehabt hat, dass durch die Arbeit an diesem, ich eben nicht mehr zum Üben gekommen bin. So um 2000 habe ich das Ganze dann aufgegeben und begonnen mich wieder voll auf meine eigenen Sachen zu konzentrieren.
Und die machen dir vermutlich am meisten Spaß.
Wolfgang Seligo: Genau. So nach zwei, drei Jahren, in denen ich an meinen eigenen Sachen gearbeitet habe, habe ich mir dann schon gedacht: „Mist, das hätte ich eigentlich immer schon machen müssen“. Aber es hat halt alles immer seine Vor- und Nachteile. Ich habe während meiner Zeit in der Werbung doch auch einiges gelernt, das mir heute ganz nützlich ist. Jetzt unterrichte ich eben viel mehr als früher. Und so geht sich das finanziell auch irgendwie aus. Reich wird man natürlich nicht, aber trotzdem bereue ich die Entscheidung nicht eine Minute. Weil, das was ich jetzt mache, eigentlich genau das ist, was ich immer machen wollte. Ich bin halt nur ein bisschen später draufgekommen.
Du bist ja nicht unbedingt ein Musiker, der sich in seinem Tun wirklich irgendwie einschränken lässt. Du komponierst deine Sachen selber und hast auch deine eigenen Vorstellungen davon, wie etwas letztlich wirklich klingen soll?
Wolfgang Seligo: Genau. Ich überlege mir schon im Vorhinein, in welche Richtung ich gehen will. Und oft ist es auch so, dass man in diese Richtung hinarbeiten muss. Wenn man zum Beispiel irgendwelche klassischen Sachen mit Jazz verbinden will, geht das ja nicht auf Knopfdruck. Man muss sich mit dem Ganzen auseinandersetzen, die Dinge analysieren, schauen was der Ursprungskomponist eigentlich ausdrücken wollte und all das dann ein eine Form bringen, die für einen selbst Sinn macht. Ich muss jetzt nicht wie ein Musikwissenschaftler analysieren, aber ich muss doch herausfinden, welche Strukturen ich für meine Musik extrahieren und mit meinen Stil in Verbindung setzen kann.
Oder jetzt weg von der Klassik. Bei eigenen Stücken ist dieses Hinarbeiten in eine bestimmte Richtung noch viel mehr ausgeprägt. Das sitze ich für ein drei Minuten Stück schon auch einmal mehrere Wochen und arbeite sehr detailliert aus. Auf der anderen Seite gibt es Stücke, die in drei Minuten fertig sind und ich wundere mich selber darüber.
Was man an der Musik deines Trios sehr schön hören kann, ist dass du bewusst auch deinen Mitmusikern viel Raum lässt, dass du dich schon auch zurücknimmst, wenn es notwendig erscheint.
Wolfgang Seligo: Das liegt daran, dass mir vor allem die Komposition sehr wichtig ist. Mir ist zwar auch das selber Spielen sehr wichtig, aber eben nicht so sehr wie die Komposition. Wenn ich jetzt vielleicht Jazzstandards nachspielen würde, was ich gelegentlich auch mache, dann kann es schon sein, dass ich mehr im Vordergrund agiere. Aber bei meinen eigenen Kompositionen ist mir wichtig, dass sie im Gesamten funktionieren. Und wenn mich meine Mitmusiker (Peter Strutzenberger,Heimo Wiederhofer) dabei so gut unterstützen, freue ich mich natürlich sehr darüber. Auch weil ich auch merke, das derjenige sich wirklich zu Hause hinsetzt und sich damit beschäftigt, sich die Harmonien anschaut und die Stücke eben nicht nur standardmäßig interpretiert. Ich bin sehr froh, dass ich Leute gefunden habe, die das Ganze nicht nur einfach Runterspielen wollen.
Auch ist bei dir hörbar, dass du in deinen Stücken vor allem die Musikalität in den Vordergrund stellst und weniger zur Komplexität und Kopflastigkeit neigst.
Wolfgang Seligo: Sagen wir einmal so. Ich habe keine Angst vor einer Melodie. Auf der anderen seite habe ich natürlich auch keine Angst auch mal etwas Schräges zu machen. Ich bin durchaus offen für solche Sachen und die machen mir ja auch sehr viel Spaß. Man muss auch sagen, dass so ein Ansatz ja Sinn macht, will man mit der Musik eine Botschaft transportieren. Wenn ich etwas Kritisches machen möchte, gehört dazu auch eine gewisse Härte.
Bei mir ist es so, dass ich mir immer ein Thema zu etwas ausdenke. Und darüber, ob dieses nun eher melodiös gehalten sein soll, oder atonal, darüber mache ich mir eigentlich selten Gedanken. Wichtig ist mir, dass die Musik zur Grundidee passt. Da denke vermutlich oft sehr konzeptionistisch, programm-musik-mäßig. Das habe ich vielleicht von der Klassik, die ich ja ebenfalls sehr schätze, vor allem die spätromantische Musik und frühe Moderne.
Und da kommen eben manchmal Sachen heraus, mit denen es man niemanden wirklich recht machen kann. Über ein Stück von mir haben einmal die einen gesagt, dieses sei viel zu melodiös und keine Kunst mehr, während die anderen meinten, es sei so schräg und einfach nicht anhörbar. Aber im Grunde genommen ist mir das, was manche sagen, ziemlich egal. Ich mache meine Sachen aus dem Bauch heraus, ich mache das, wovon ich glaube, dass es gerade in diesem Moment zu mir passt.
Entscheidend bei allem ist die Idee. Bei dem Prokofjew-Stück auf der CD habe ich dessen 5. Symphonie hergenommen und einen Teil in Bezug auf die Harmonien analysiert. Fasziniert hat mich vor allem, dass alles so unglaublich melodiös erklingt, obwohl im Hintergrund die verrücktesten Harmoniewechsel stattfinden. Ich habe mir diesen Ausschnitt dahingehend angeschaut, was wirklich passiert, und versucht die Erkenntnisse in meinem Stück übersetzen. Herausgekommen ist etwas sehr Melodiöses, von dem aber die Jazzmusiker-Kollegen sagen, dass es gar nicht einmal so leicht ist, es so umzusetzen, weil eben die Harmonien sehr unüblich gesetzt sind.
Es ist mir letztlich egal, ob das Stück eine schöne Melodie hat oder nicht. Es geht mir darum, etwas zu machen, das eine Idee dahinter hat. Wenn jemand auf der Bühne etwas extrem Schräges fabriziert und ich das Gefühl habe, da steckt nicht wirklich eine Idee dahinter, dann finde ich das auch nicht sehr interessant. Obwohl, man muss die Idee ja auch nicht immer erkennen.
Du hast ja nicht nur dein Trio und dein Solo-Ding laufen, sondern du bist ja auch mit anderen Projekten am Start. Welche sind dir von denen am meisten ans Herz gewachsen?
Wolfgang Seligo: Naja, aktuell sind im Grunde genommen wirklich nur das Trio und mein Solo-Projekt im Fokus. Es hat davor schon auch verschiedene Quartett-Besetzungen gegeben, mit denen icheinige Programme, auch einmal ein etwas rockigeres, gespielt habe. Diese Projekte hatten dann aber irgendwann ein Ablaufdatum. Ein wirklich schönes Projekt hatte ich gemeinsam mit der Cellistin Rina Kaçinari, mit der ich auch einige Konzerte gespielt habe.
Was hältst du eigentlich von der aktuellen heimischen Jazzszene. Da tut sich im Moment ja wirklich sehr viel.
Wolfgang Seligo: Ich muss eigentlich sagen, dass ich nicht einmal genau weiß, ob ich mit meinen Sachen überhaupt wirklich zu dieser gehöre. Aber klar, ich verfolge schon, was im Moment abgeht. Vielleicht nicht wirklich optimal ist, dass die Auftrittsmöglichkeiten, die Plätze doch rarer geworden sind. Und das betrifft alle Musiker gleichermaßen. Als ich vor 13 Jahren richtig begonnen habe, hat es mehr Clubs gegeben, auch das Birdland hat dann irgendwann geöffnet. Heute gibt es in Wien das Porgy, das Jazzland und den Reigen und mehr Orte fallen mir auf die Schnelle nicht ein, außer einige kleine Lokale wie das Jazzcafe Bird, wo ich vor etwa zwei Wochen gespielt habe. Was wirklich super war. Der Club war richtig voll. Was ich zudem glaube, ist, dass es heute leider nicht mehr das große Publikum gibt, was vielleicht auch daran liegt, dass eben diese viele Orte, an denen in Wien Jazz stattgefunden hat, zusperren haben müssen. Auf der anderen Seite habe ich aber das Gefühl, dass neues Publikum nachkommt.
Was man aber sicher sagen kann ist, dass es vermutlich noch nie zuvor so viele hervorragende Jazz-MusikerInnen wie heute.
Wolfgang Seligo: Es gibt viele neue Jazzmusiker und einige davon sind auch wirklich hervorragend.