mica-Interview THE TRYP

Nach einer längeren Kreativ-Pause meldet sich die Salzburger “Smart Casual Indie Pop”-Band The Tryp mit der CD “Get Your Dresses On” (Guider Records/Hoanzl) und der daraus ausgekoppelten aktuellen Single “Superhero Powers” wieder im Rampenlicht zurück. Das 1999 vom Multi-Instrumentalisten Tom Pi (Guitars, Bass, Keyboards, Programming, Percussion) und der Sängerin Reeva gegründete Duo, dem Der Standard einmal “Pop mit Mehrwert!” attestiert hat, wird dabei seit 2008 vom Drummer Florian ‘Flo’ Bärthlein ergänzt und präsentiert. Didi Neidhart traf das Trio zum mica-Interview.

Eure aktuelle Single hat den Titel “Superhero Powers”. Worum geht es dabei? Brauchen wir wirklich “echte” Superhelden (etwa als PolitikerInnen), oder geht es eher um das, was die Popkultur dafür parat hat. Dementsprechende Ikonen wie Bruce Wayne (Batman), Peter Parker (Spiderman), Clark Kent (Superman) werden im Song ja direkt angesprochen.
REEVA: Es geht schon auch ein bisschen in die Richtung die ein Comic dem Leser vermitteln will. Wer derzeit aufmerksam durch die Welt geht, hat sicher halbwegs mitbekommen dass am 21. Dezember 2012 angeblich ja eine Zeitenwende bevorsteht. So wie es jetzt läuft kann es einfach nicht mehr weitergehen, und die Superhelden, die Superkräfte die in uns / in jedem schlummern, müssen geweckt werden. Wir tun das über unsere Musik und hoffen, möglichst viele damit anzustecken  Die Superhero-Ikonen sind dabei Synonyme, die jeder kennt. Es geht also nicht darum, möglichst toll, reich oder schön zu sein, sondern möglichst „gute“ Sachen zu tun und damit unsere Welt ein Stück schöner und besser zu machen. Jetzt.

TOM PI: Die Idee zum Text kam mir beim Betrachten der täglichen Nachrichten im Fernsehen, wobei sich die schlechten Nachrichten geradezu gegenseitig überboten haben. Die frustrierende Macht- und Hilflosigkeit der Politiker und Regierungen aber auch ganz normaler Personen gegenüber den vielfältigen “modernen” Formen von Terror, Korruption, Mobbing, Gewalt und Brutalität im Alltag erschien mir derart überwältigend,  dass es eigentlich nur noch eine Hoffnung gäbe: Wir brauchen Superhelden die hier mal ordentlich aufräumen! Der Text ist somit mit einem leichten Augenzwinkern aber auch durchaus ernst gemeintem Aufruf zu mehr Zivilcourage zu verstehen. Der bewusst in diesem Song eingesetzte Kinderchor repräsentiert somit auch die Hoffnung, dass die zukünftigen Generationen “heldenreicher” mit unserer Gesellschaft umgehen als die bisherigen / vergangenen.

“Get Your Dresses On” ähnelt dabei durchaus einer kleinen emotionalen wie stilistischen Achterbahnfahrt. Es gibt Tracks für den Dancefloor (“Little”, “Free Me”) und rockiges (“Monkey”, “Love To Be Me”, “Rabbit”). Vor allem fallen jedoch die ruhigeren, fast balladenhaften und verspielten Tracks (“Box Of Sound”, “Am I Not Alone”) sowie die Psychedelic-Anklänge und (“Come To Wonderland”, “The Bird That Doesn’t Fly”) auf. Ist dieser Mix einfach so entstanden, oder gab es da schon im Vorfeld eine Art Konzept?
REEVA: Wie unser Bandname schon sagt, möchten wir unsere HörerInnen auf eine Reise in unsere musikalischen Welten mitnehmen. Und diesmal ging es uns um eine Hinwendung zu mehr Emotionalität. Da gehört nun mal eine gewisse Vielschichtigkeit dazu. Da darf es mal stürmisch, mal ruhig, leise und laut, lustig und ernst, ängstlich und fröhlich zugehen. Das war unser Konzept, unser Vorhaben. Da geht es einerseits um ganz persönliche, andererseits um allgemeine Entwicklungen. Emotionen sind ein wichtiger Bestandteil der Menschheit, und je mehr wir unseren Emotionen vertrauen, desto näher kommen wir unserem wahren Selbst.

TOM PI:
Grundsätzlich betrachten wir während des Songwriting-Prozesses jeden Song als einzelnes Kunstwerk und versuchen diesen als gesamtes für uns “richtig” hinzukriegen. Das Album-Konzept und der Rahmen entsteht dann erst in Form des Auswahlprozesses und bei der finalen Produktion. Wir haben zum Beispiel für dieses Album mit ca. 30 Songideen gestartet, davon 20 konkreter ausgearbeitet und mit Texten versehen, davon 15 Songs komplett fertigproduziert und schließlich und endlich 11 für das Album ausgewählt. Der Mix innerhalb einer gewissen Bandbreite ist allerdings durchaus beabsichtigt. Ich persönlich finde nichts langweiliger als ein Album, bei dem man spätestens nach dem 3. Song weiß wie die restlichen Songs klingen werden. Wichtig ist uns allerdings, dass sich trotz alledem ein gewisser Wiedererkennungswert und Stil durch alle Songs zieht. Der thematische und emotionale rote Faden steckt quasi in unserer DNA und ist wohl auch der Grund warum THE TRYP noch immer oder immer wieder bestens funktioniert.

Wie ist die Produktion und die Finanzierung der CD von statten gegangen?

REEVA: Von den Gesangs- und Tonspur-Aufnahmen – in meinem hauseigenen Studio, im Homeoffice von TomPi und in Seattle – bis zum Coversujet haben wir alles selbst gemacht. Tom Pi ist quasi nicht nur Multiinstrumentalist sondern auch ein Multitalent was grafische Umsetzungen und Mixings betrifft.
Wir arbeiten nun ja doch schon seit 1999 an unserer Form und lernen bei jedem Album dazu. Das gibt uns aber auch die Möglichkeit, uns möglichst treu zu bleiben und unsere Ideen so umzusetzen, dass wir uns darin wiederfinden und uns nicht etwas „von außen“ aufgedrückt wird. Die Fotos haben wir in einem professionellen Studio in Dornbirn machen lassen (der Fotograf war dabei Darko Todorovic, die Stylistin war Julie, sie hat bereits Künstler wie Tokio Hotel gestylt), die CD-Produktion hat Österreichs großes Indie-Label HOANZL gezahlt, mit denen wir einen Vertriebs- und PR-Deal haben.

TOM PI:
Mir war bei dieser Produktion besonders wichtig, dass alles klangtechnisch wie aus einem Guss klingt und dennoch jeder Song seinen eigenen Charakter behält. Die besondere Herausforderung war für mich das “echte” Schlagzeug in den TRYP Sound zu integrieren, ohne plötzlich nach was ganz anderem zu klingen aber dennoch neue / frische Akzente zu setzen.

Was hört ihr denn privat gern und was ist davon – wie auch immer – in die aktuelle CD mit eingeflossen?
REEVA: Ich höre am liebsten Stimmen bei denen ich eine Gänsehaut bekomme, die mich fesseln, die mich auch optisch faszinieren – und bevorzuge da natürlich Frauen. Prinzipiell können diese Stimmen aus allen Sparten kommen, da mach ich wenig Unterschiede. Durch meinen Beruf als Radiomoderatorin werde ich ja fast zwangsweise mit dem aktuellen Kommerz konfrontiert und höre daher von Pop, Rock bis Indie so ziemlich alles. Voices I like: Z.B. Skin von Skunk Anansie, Grace Jones, Pink, Placebo, Gwen Stefani, Rihanna, Alanis Morissette, Bruno Mars, etc.

TOM PI: Ich höre momentan sehr viel Indie & Alternative (White Rabbits, Tindersticks, The Shins, Micah P Hinson, Mark Lanegan Band, Girls, Fink, Feist, Eels, Bon Iver, Beirut, u.v.a.) und zeitgenössischen Jazz (Portico Quartett, Nguyen Le, Lars Danielsson, E.S.T., Anouar Brahem, Ana Fort Trio, Christian Scott, etc.). Aber zu meine all time faves zählen auch Größen wie Peter Gabriel, David Bowie, The Beatles, Pink Floyd, Leonard Cohen und Kate Bush. Einflüsse und Inspirationen fürs Songwriting bekomme ich aus all diesen Musikrichtungen aber auch von Filmen, Konversationen mit interessanten Personen und persönlichen Erlebnissen.

FLO:
Bei mir ist das prinzipiell abhängig von der Tagesverfassung. Mal will ich was komplexeres Jazziges hören (Jeff Ballard Trio), dann etwas Durchgeknalltes, das trotzdem eine gewisse Art von Finesse aufweisen kann (12 Stone Toddler), aber auch Ruhigeres und weniger Verspieltes hör ich ab und an. Ich genieße einfach die musikalische Vielfalt, die uns ja glücklicherweise geboten wird.

Die Vorgängerbands von The Tryp – die psychedelische Gothic-Metal-Band Kaleidoscope Sunrise (bei der Tom Pi als Gitarrist und Songwriter tätig war) sowie die Rockband Cosmic Debris mit Reeva an den Vocals – waren ja stilistisch deutlich anders unterwegs als The Tryp. Was hat euch damals bewogen ein Duo zu gründen und es mit einem elektronischen Mix aus Indie Pop und TripHop zu versuchen?

REEVA: Wir wollten ausprobieren, ob unsere Ideen und Vorstellungen von der Musik, die in unsrem Inneren zu entstehen schien, zusammen passen. Wir waren beide schon immer auch Fans von elektronischer oder elektronisch unterstützter Musik und das Projekt hat sich vor allem auch deshalb so gut umsetzen lassen, weil es sich trotz meines Umzugs nach Graz umsetzen lies (der Proberaum fiel zugunsten des Computers / der Mails, die man sich hin und her schicken konnte, weg). Für mich war es wie eine Art Befreiung und gleichzeitig wie ein neues Leben. Hier war ich Frontfrau, hier konnte ich meine Ideen umsetzen und ganz ich sein und mich ausprobieren.

TOM PI: Es waren die neuen technischen Möglichkeiten, viel Neugierde, Tatendrang und das gemeinsame Interesse an dieser Musikrichtung. Ich hatte damals ehrlich gesagt nicht gedacht dass das mehr als ein einmaliges Projekt werden könnte.

The Tryp waren 2001/2002 ja durchaus auf einem guten Weg nach oben. Ihr seid auf der Hauptbühne des Donauinselfestivals aufgetreten, der Song “Guider” kam in die Heavy Rotation und in den Soundpark von FM4, es gab Supportgigs mit dZihan & Kamien und I am Kloot sowie die Teilnahme an einer FM4-Soundpark-Tour. Danach scheint ihr jedoch etwas aus der öffentlichen Aufmerksamkeit und dem Rampenlicht verschwunden gewesen zu sein. Wie kam das (bzw. was war da los)? Lag das auch am Solovertrag für Reeva den ein Talentscout von Virgin Records eingefädelt hat?
TOM PI: Es lag einerseits an diesem Vertrag, den Reeva aber nie unterschrieben hat. Andererseits lag es daran, dass wir beide irgendwie nicht wussten, wohin wir gehen sollten bzw. wie wir uns weiterentwickeln konnten. Mittlerweile hat jeder von uns Solo-Erfahrungen gesammelt, das ist auch der Band und unsrem Sound zugutegekommen und hat uns eigentlich mehr zusammengeschweißt als wenn es keine Pause gegeben hätte. Oft muss man Dinge loslassen, um sie aus einem neuen Blickwinkel betrachten zu können. Erst dann kommt man drauf, was man am anderen hat.

Wie waren die Erfahrungen mit Virgin Records, dem Solovertrag und dem Talentscout? 2005 gab es The Tryp (nach der 2003er CD “Human Animal” mit der Sängerin Priska Schwarz) dann ja wieder in Originalbesetzung.

TOM PI: Wie oben kurz erwähnt, der Vertrag wurde nie unterschrieben.

REEVA: Ich wollte mich nicht fix an diesen Talentscout binden, ohne was in der Hand zu haben. Ich hatte auch keine Berater an meiner Seite und war mir einfach nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war, einen Drei-Jahres-Vertrag mit mehr oder weniger Abgabe aller meiner Rechte für alle meine Songs, die ich bis dato geschrieben hatte oder noch schreiben würde zu unterzeichnen. Das war es mir nicht wert. Und ich hatte noch kein klares Ziel vor Augen – was will ich eigentlich erreichen, was will ich nicht…. Bei The Tryp war ich damals unglücklich, ich hatte das Gefühl wir entwickeln uns nicht richtig weiter.

TOM PI:
Obwohl ich zu “Human Animal” aus künstlerischer Sicht nach wie vor stehe, hätte das Ding wohl besser unter einem anderen Bandnamen erscheinen sollen. Hochmotiviert von dem Erfolg mit “…in mind…”, jedoch gleichzeitig konfrontiert mit der Enttäuschung das Virgin nur Reeva alleine in Vertrag nehmen wollte, entstand ein Loch das gefüllt werden wollte. In einer sicher auch von Trotz beeinflussten Reaktion hab ich kurzerhand Priska angeheuert und hab halt einfach weitergemacht.

REEVA:
Irgendwann haben wir uns dann allerdings beide wieder Mails geschrieben und uns quasi gestanden, dass wir unsere musikalische Partnerschaft vermissen und wieder aufnehmen möchten.

Eure CD “Magnetic Storm” (2005) wurde ja von der Presse in höchsten Tönen gelobt. Der Standard sprach von “Pop mit Mehrwert!”, im skug wurdet ihr als “eine Speerspitze im Mainstream” bezeichnet. Ihr nennt eure Musik selber als “Smart Casual Indie Pop aus Salzburg” und nennt als Einflüsse Indie Pop, Electronica, Trip Hop. Wie ist da euer Verhältnis zu Indie Pop versus Mainstream? Kann das überhaupt noch so streng getrennt werden, oder haltet ihr euch einfach beide Optionen offen?
REEVA: Nachdem wir keinen augenscheinlichen Mainstream machen, aber auch keinen reinen Indie-Pop mehr, haben wir diesen Begriff ausgewählt, um unsere Art von Musik halbwegs begreifbar zu machen. Es ist immer schwer, wenn man sich in eine Schublade stecken soll, aber nur das hilft dem Noch-Nicht-Hörer eventuell weiter. Wegen dem Trennen: Teilweise kann es ganz streng getrennt werden. Überspitztes Beispiel dazu: Andreas Gabalier oder Unheilig. Das ist Kommerz, den die Masse hört, alle andre schalten da um.
Dann gibt es Bands, die sich zwischendrin ansiedeln, wie zb. Placebo, oder auch The Gossip, etc. Und dann gibt es eben Indie- oder Alternative-Bands, bei denen ein Kommerz-Hörer sofort abdreht. Ich denke wir sind mittlerweile irgendwo zwischendrin gelandet und das ist auch die Aussage von vielen MusikredakteurInnen der österreichischen Radiolandschaft. Das macht es aber im Grunde auch nicht leichter.
Für uns ist es wichtig, weiterhin an unserem Sound zu feilen und uns mit diesem Sound zu entwickeln (und umgekehrt). Wo das bei der nächsten Platte hinführen wird, wissen wir jetzt noch nicht, hoffentlich aber in die Ohren und Herzen vieler Fans

Wieso eigentlich diese lange, fast sechsjährige Pause zwischen “Magnetic Storm” und der aktuellen CD “Get Your Dresses On”?

REEVA: Ganz einfach: Drei Kinder (ich zwei, und Tom Pi eines), unser Perfektionismus und der Plattenvertrag bei HOANZL, durch den sich der Release des brandneuen Albums „Get Your Dresses On“ ordentlich verzögert hat. Außerdem hat Tom Pi zwischendrin eine Solo-CD veröffentlicht.

2008 kam der Salzburger Schlagzeuger Florian Bärthlein fix zur Band. Zuvor habt ihr euch bei Live-Konzerten ja mit Gast-MusikerInnen beholfen. Wie kam es zu diesem Schritt hin zum Trio. Was hat sich dadurch geändert?
REEVA: Wir haben früher oft blockweise an ganzen Wochenenden in Wien geprobt, weil unsere Gastmusiker meist von dort waren. Mit Babys zuhause ist das nicht mehr so einfach, man will es auch gar nicht mehr. Ich wollte vor allem wieder wöchentliche Proben, in denen ich mich austoben konnte. Ich wollte mehr Livefeeling, das haben wir durch unseren Drummer meiner Meinung nach auch erreicht. Von der anfänglichen extremen Electronic wollte ich mich wieder mehr in Richtung Rock bewegen, weil das für mich mehr Emotionalität erlebbar macht. Abgesehen davon kannten wir Flo ja schon seit Kaleidoskope Sunrise-Zeiten, und es war ein wunderbares Wiederfinden auf einer anderen Ebene.

TOM PI: Mir waren vor allem zwei Dinge bei diesem Schritt wichtig: Ein erneuertes Band- und Zusammengehörigkeitsgefühl und neue Impulse im Rhythmus-Bereich. Flo ist in beiderlei Hinsicht eine fantastische Bereicherung für THE TRYP und unseren Sound!

Sieht man sich Fotos der aktuellen CD-Sessions an fällt auf, dass E-Gitarren scheinbar wichtiger (geworden) sind als Synthesizer/Sampler. Würdet ihr das auch so sehen? Oder war die Gitarre bei euch eh nie weg, nur wird sie jetzt halt einfach mehr wahrgenommen?
REEVA: Das hat auch etwas mit mehr Livefeeling zu tun. Wir sind einfach ein Stück rockiger, emotionaler geworden.

TOM PI: Ja, die Gitarre ist sicher bewusst wieder etwas mehr in den Vordergrund gekommen. Sie war zwar nie weg, hat aber in der Vergangenheit aufgrund der vielen Effekte selten nach Gitarre geklungen. Dieses Album ist übrigens auch das erste bei dem bei (fast) allen Songs eine Bassgitarre statt eines Synth-Bass zum Einsatz gekommen ist. Synths, Keys und Beats spielen aber nach wie vor eine wichtige Rolle in unserem Sound – aber eben nicht mehr so dominant.

Reeva, du hast ja eine musikalische Ausbildung am Orff-Schulwerk und an einer Musikhauptschule in Salzburg genossen. Jetzt hat ja Popmusik den Anspruch auch kleine, unfertige, nicht perfekte Stimmen zu Gehör zu bringen (Paradebeispiel dafür ist ja Bob Dylan). Was bringt also so eine Ausbildung? Würdest du sagen sie ist mittlerweile notwenig, wenn in einer gewissen Liga (oder in einer gewissen Stilistik/einem gewissen Genre) etwas gemacht werden will? Oder reicht auch autoditaktischen Training via Singstar?
REEVA: Da muss ich zuallererst etwas berichtigen: Das Orff-Schulwerk habe ich als ganz kleines Kind genossen, zu Zeiten des Kindergartens. Meine Eltern waren generell beide sehr musikalisch. Wir haben zu Hause schon viel gesungen, es wurde Gitarre gespielt und die Musikhauptschule war eine logische Konsequenz. Ich wollte danach auf alle Fälle eine Gesangs-Ausbildung machen, aber viele Leute haben mir von einem Jazz-Studium abgeraten („Mach doch was Gescheites“, „Das bringt kein Geld“, „Da wirst du verbraten“, „Da wird deine stimmliche Eigenständigkeit flöten gehen“, etc.). Nach langer Suche hat meiner Vater dann – da war ich bereits 21, fertige Kindergärtnerin und planlos was meine beruflichen Ziele anging – ein privates Popgesangstudium in Wien gefunden. Es war zwar teuer, hat aber genau den Effekt gebracht, den ich wollte: praktische Übungen, Ausbildung der Stimme, ohne die Grundessenz zu verändern. Und vor allem die Richtung Pop und nicht die Richtung Jazz. Ich lernte Techniken die es mir ermöglichten, meine Stimme besser unter Kontrolle zu haben, besser einzusetzen. Autodidaktik ist schön und gut, aber manche Kniffs und Tricks lässt man sich dann doch lieber von Profis beibringen, wenn man einen gewissen Hang zum Perfektionismus hat. Andererseits, wenn man etwas zu wissenschaftlich betrachtet oder bearbeitet, geht die Seele dahinter verloren. Und die ist es aber, die etwas einzigartig machen kann. Der Weg hin zur Vollendung führt immer über viele Pfade… Nochmal zu deiner Frage zurück ob Autodidaktik reicht – das kommt darauf an, wohin man will, finde ich. Für mich hat es nicht gereicht und ich strebe nach ewiger Verbesserung.

Anfang 2012 habt ihr mit Guider Records ein eigenes Label gegründet. Was waren die Gründe dafür und was versprecht ihr euch davon? Wird es auf diesem Label auch VÖs anderer Acts geben?

TOM PI: Der Grund war schlichtweg die Veröffentlichung unseres neuen Albums. Wir versprechen uns derzeit gar nichts davon, freuen uns aber, wenn das Gegenteil eintrifft.Und ja, es wird auf diesem Label auch andere Veröffentlichungen geben, sobald die Zeit reif ist.

Erhältlich ist “Get Your Dresses On” sowohl als CD wie als Download (Amazon, iTunes, etc.). Wie seht ihr grundsätzlich die Zukunft des Tonträgermarktes. CD-Verkäufe haben sich, zumindest in Deutschland, ja 2011 einigermassen stabilisiert und im digitalen (legalen) Bereich gibt es zweistellig Zuwachsraten.
TOM PI: Konkret ist Österreich im europäischen Vergleich beim digitalen Markt noch etwas weit hinten  (oder positiv formuliert: wir haben noch sehr vielen Anhänger der CD). Daher die Veröffentlichung in beiden Formaten. Ich denke Downloads und Streamings sind  die Zukunft. Bis sich das Ganze in der Masse etabliert, wird es aber noch etwas dauern und müssen die Gerätehersteller und Serviceanbieter auch noch einiges dazu lernen. Ansonsten hoffe ich, dass sich der Musikmarkt generell wieder etwas erholt und auch für Indie-KünstlerInnen wieder realistische Chancen auf Erfolg bestehen.

REEVA:
Das frag ich mich auch die ganze Zeit. Ich frage mich, wie man heutzutage eigentlich noch HörerInnen generieren kann. Ich kann diese Frage somit auch gar nicht „richtig“ beantworten, ich kann nur hoffen dass unsere Musik Anklang findet und sich somit durch virale Verbreitung mehr Menschen dazu hinreißen lassen, entweder online oder im Mediamarkt / Saturn zuzugreifen. Ganz privat glaube ich aber, dass das gesamte Wirtschafts-System so nicht auf Dauer funktionieren wird. Ich bin gespannt was die Zeit bringt!

Angesichts einer schier unüberblickbaren Flut von Veröffentlichungen (sowohl physikalischer wie digitaler Tonträger) stellt sich die Frage, wie kann da ein Band auf sich aufmerksam machen? Was sind eure Promo-Rezepte bzw. Tipps, um sich Gehör zu verschaffen?
REEVA: Sich treu bleiben, Professionalität gewinnen, Vitamin B, Hartnäckigkeit, Hilfe annehmen, Netzwerke nutzen, und nicht zuletzt: Glaube versetzt Berge

Hat sich die Musikzsene zwischen dem Erscheinen von “Magnetic Storm” (2005) und “Get Your Dresses On” für euch geändert?
REEVA: Ja, ich finde sie ist noch schnelllebiger geworden. Das wird von Jahr zu Jahr schlimmer finde ich.

TOM PI: Wobei es gute und schlechte Signale gibt. Einerseits ist es viel einfacher geworden Musik zu veröffentlichen oder öffentlich zugängig zu machen – andererseits sind die “alten” Strukturen der Labels und Vertriebe aber auch Radios und Verwertungsgesellschaften mit den neuen Anforderungen und schnellen Änderungen völlig überfordert. Leider hat die Angebotsvielfalt auch zu einem (weiteren) Sinken des durchschnittlichen Qualitätslevels von Veröffentlichungen geführt und es wird zunehmend schwieriger die Aufmerksamkeit von Radios, Veranstaltern, Labels und anderen Industrievertretern zu bekommen. Insgesamt bekomme ich das Gefühl, dass finanzieller Erfolg im Musikbusiness mehr mit einem Lotto-6er zu tun hat als mit verdientem Erfolg aufgrund künstlerischer Qualität.

Wird es Live-Auftritte oder eine Tour zur CD geben?

TOM PI: Unsere „Get Your Dresses On – Tour“ führt uns am 1.6. nach Wien ins B72 an den Gürtel und am 22. September haben wir die offizielle Präsentation in Salzburg in der ARGEkultur in Nonntal. Weitere Termine in Graz (in Zusammenarbeit mit dem Soundportal) und in Wels / Linz sind in Planung, auch Innsbruck ist ein Thema, allerdings gibt es noch keine fixierten Daten. Auf unserer Facebook-Fansite oder auch auf unserer Website gibt es aber immer die neuesten News und Dates! Passend zum Motto „Get Your Dresses On“ werden wir für die Tour übrigens von S.Oliver ausgestattet.

Gibt es sonst noch Pläne für die Zukunft?

REEVA: Viele weitere Lieder und Alben, weitere Auftritte und weiterhin gemeinsam Musik machen!

Danke für das Interview.

Live Dates:
01.06.2012: B72/Wien
22.09.2012: ARGE Nonntal Salzburg

 

http://www.thetryp.com/