mica-Interview TEXTA

Mit dem Band “TextA-Z – Die TEXTA-Chroniken. Texte 1993-2011” hat die Linzer HipHop-Crew Texta im Wiener Milena-Verlag eine dicke und ebenso vergnügliche Sammlung ihrer Texte inklusive Kommentaren, Randnotizen und persönlichen Bonmots veröffentlich. Für mica unterhielt sich Didi Neidhart mit Harald “Huckey” Renner von Texta.

Wie kam es zur Idee eine Texta-Chronik herauszugeben?
Da sind wir unschuldig. Der Milena-Verlag hat sich gemeldet und wollte unsere Texte in Buchform rausbringen. Wir haben mit der erweiternden Idee die Texte um Kommentare, etc. zu erweitern und natürlich schon auch ein bisschen Stolz zugesagt.

Was versprecht ihr euch von so einem Buch?
Gedacht ist das Buch für Leute die unsere Texte gerne mögen und auch interessiert sind an Informationen darüber und dahinter. Für uns ist es ein schöner Moment des Reflektierens und eine Gesamtbetrachtung des eigenen Werks die so ohne diese Produktion nicht passiert wäre.

Gibt/gab es Vorbilder?
Nicht wirklich. Wir haben uns Jay-Z´s „decoded“ näher angesehen um letztlich draufzukommen, dass es für uns keinen Sinn macht es ähnlich anzugehen. Und also haben wir ganz einfach locker-flockig unter Hochdruck angefangen zu arbeiten… Wie das halt immer so ist…

Im Buch schreibt ihr davon auch den einen oder anderen “Denkanstoß für alle Willigen” bereitstellen zu wollen, die es euch gleich tun wollen. Ist „TextA-Z“ also auch eine Art Lehrbuch (kann es auch so verstanden werden)?
Nein, kein Lehrbuch. Nichts dergleichen. Gemeint sind nicht „die Willigen die es uns gleich tun wollen“ sondern eben „die Willigen, die bereit sind nach zu vollziehen“. Also, Menschen die wissen wollen was, wie, warum geschehen ist, um sich ein Bild machen zu können über die Inhalte die wir seit schon fast 20 Jahren verbreiten und um die Texte besser begreifen zu können.

Wie stellt sich im Rückblick der “steinige Weg von der Poplyrik” über die “Holprigkeit der ersten Texte” bis zum jetzigen Stand dar? Hat das Buch auch bei euch zu neuen Erkenntnissen beigetragen?
Ja, natürlich: beim Reflektieren über die eigenen Texte kommen so manche Erkenntnisse zu Tage, die man vielleicht auch erst jetzt so sehen kann. Da ist das Unterbewusste, weil es „einfach aus dem Bauch heraus“ und „nach Gefühl“ nicht gibt. Irgendwo ist immer ein Bezugspunkt. Und das Bewusste, weil man auf Denkfehler kommt, aber auch auf Aussagen die durchaus, in aller Unvorhersehbarkeit, richtig getroffen wurden. Ohne die so genannte „Poplyrik“ wär wohl auch nichts gegangen. Alles, was konsumiert wird, bzw. was man sich an Wissen aneignet, kommt in der eigenen Arbeit auch zum Vorschein. Das ist normal und auch gar nicht falsch oder schlecht so.
Als einen Grund für das Buch nennt ihr das Aufzeigen von “Brückenschlägen, Zitaten, Ver-, Hin- und Querverweisen innerhalb und über (pop-)kulturelle Zusammenhänge” in euren Texten. Dazu führt ihr auch das alte Fehlfarben-Zitat “In Wahrheit zählt die Kunst des Zitats; In Wahrheit zählt der richtige Moment.” als quasi Leitmotiv an. Wie verhält sich das (speziell bei HipHop) mit aktuellen Copyright/Urheberrechtsdebatten?
Einerseits könnte man ja, wie z.B. bei der asiatischen Shanzhai-Kultur, dekonstruktivistisch betrachtet das Urheberrecht komplett negieren, weil man auch der Ansicht sein kann, dass der Urheber nur den Stein des Anstoßes liefert, aber die Weiterentwicklung, die Neuverwertung und die Andersverwendung, eben das Zitat, auch Kunst ist, bzw. ein neues, eigenständiges Produkt hervorbringt (klar klaut Samsung von Apple: wtf.: Who cares?).
Sven Regeners Wutrede versteh ich aber auch sehr gut! Warum sich am Kopf scheißen lassen nur weil ein paar Kids und Piraten dem Irrtum unterliegen, dass die Beachtung von Urheberrechten etwas mit der Freiheit des (im) Internet(s) zu tun hat. Dass das im Hip Hop traditionelle Sampling mehr oder weniger wegen der unmöglichen oder zu teuren Klärung der Rechte aufgegeben wurde sagt eigentlich alles und ist so was wie die hässliche Fratze der Debatte im Spiegel. Insofern ist das Leitzitat aber schon richtig, denke ich. Von wegen: „…der richtige Moment“….

Schon auf “Gegenüber” (1997) thematisiert ihr zu Zeiten des ersten grossen Zenits deutschsprachigen HipHops mit “Sprachbarrieren” die Grenzen von HipHop als idealisierter “Universal Language”. Hat euch das nicht selber verwundert und welche Konsequenzen, Schlüsse habt ihr daraus gezogen?
Da könnt man jetzt sagen: „wir haben´s ja schon damals gewusst!“, aber die Entstehungsgeschichte geht anders. Das war eher so eine vom leider verstorbenen New Yorker MC Big L abgeleitete Idee die uns, ja zugegeben, ein bisschen selbst in der Auslegung verwundert hat. Es ging schließlich vordergründig um Slang-Talk/Dialekt/Umgangssprache und somit ja eh um die Ecke wieder um das Idealisieren von etwas im Rap verwurzelten Esperantoähnlichem. Egal wie man´s nimmt, der daraufhin geführte Diskurs war/ist notwendig und gut.

Gibt es zentrale Texte, also Sachen, wo euch quasi der Knopf aufgegangen ist und die immer noch wichtig sind?
Im Prinzip ja, aber es gibt halt verschiedene Herangehensweisen und deshalb kann man die Texte untereinander eigentlich nicht vergleichen. Es ist sowieso nicht gescheit Texte in Wettbewerb zu setzten. Man liebt doch alle seine Kinder!

Als “die Mutter aller Texta Nummern” nennt ihr „Text vs. Autor vs. Hörer“. Wie kam es dazu?
Das ist die essentielle Beschreibung des Vorgangs: Schreiben – Hören/Lesen – Interpretieren auf den Punkt gebracht. Das ist es worum´s geht. Da hat man eigentlich alles gesagt. Man bräuchte keinen weiteren Text mehr. Theoretisch. Der Text wurde übrigens auch schon in einem Schulbuch (Deutschunterricht) abgedruckt. In Deutschland, nicht in Österreich….

Nicht nur eure Musik, sondern auch eure Texte sind gekennzeichnet von unterschiedlichsten Sichtweisen und Perspektiven, d.h. von einer Vielstimmigkeit, die ja auch HipHop als idealtypische Artikulation immer wieder gefordert hat. War das schon von Anfang an klar, oder hat sich das mit der Zeit herauskristallisiert und wurde dann perfektioniert?
Wenn vier Menschen miteinander Texte schreiben ist eine Vielstimmigkeit als Basis schon mal gegeben. So man die jeweiligen Auslegungen akzeptiert. Das erfordert Diskussionen und Zusammenfindungen, auch Streitgespräche können dann und wann von Nöten sein. Im Prozess entwickelt sich mal stärker mal schwächer, aber immer zwingend ein multiperspektivisches Ganzes. Am auffälligsten ist  das auf „Blickwinkel“-Album.

Was ist eigentlich schwieriger zu schreiben: Ein Polit-Text oder ein Liebes-Text?
Diese Trennung ist zu dogmatisch. Es gibt kein Reinheitsgebot für DEN politischen Text oder DEN Liebes-Text. Eine latente Vermischung ist in gewissem Ausmaß ja zumindest unterschwellig immer vorhanden. Anmerkung: Der meiner Meinung nach schlechteste Texta-Text ist „Sei lieb zu mir“. Das klassische Scheitern am Liebesthema. Mir fällt aber auch tatsächlich kein qualitativ zufriedenstellender deutschsprachigen Liebesraptext ein. Ansonsten: „I don´t want to change the world…“ und „Viel zu früh und immer wieder…“. Aber auch: „Do they owe us a living?“ oder „Nazionali“

Wie ist dass, wenn ihr eure Texte nun einfach so ohne Musik vortragt? Fehlt da was? Werden die Lyrics plötzlich zu Lyrik/Poesie oder spielt das im Grunde keine Rolle?
Es ist eben schon eine komplett andere Art des Vortrags. Man muss aufpassen, dass man nicht zu stark in den Accapella-Rap-Strudel hineingerät. Die Hörer verstehen aber mehr vom Text, was natürlich dem Gesamtverständnis gut tut. Deshalb ist die häufigste Reaktion auch: „Jetzt weiß ich erst worum´s geht!“. Ob das gleich Lyrik oder gar Poesie ist möge entscheiden wer mag. Hauptsache es kommt rüber was rüberkommen muss!

Zu Zeiten von “Blickwinkel” (2002) gab es auf politischer Ebene in Österreich die Schwarz/Blaue Regierung und aus Deutschland kamen mit AGGRO Berlin (Sido, Bushido, Fler) plötzlich ganz andere HipHop-Klänge. Wie habt ihr darauf reagiert?
Mit Tiefgang. Wie auch im Buch kommentiert habe ich diese Berliner Härte und dieses Deutschrapgangstertum nicht ernst genommen. Ich bin auch jetzt noch verwundert zu welcher Massentauglichkeit dieses Phänomen heranwachsen konnte. Da waren aber in Ösiland gleichzeitig politisch auch alles im Argen. Ich denke, wir haben unterbewusst die Kontenance bewahrt und uns nicht irritieren lassen, die Geschehnisse kommentiert und Stellung bezogen. Es ist eigentlich auch gar nicht  schwer die Probleme von ein paar testosteronschwangeren Rüppeln mal außen vor zu lassen und sich Wichtigerem zu widmen.

Gibt es einen Unterschied zwischen HipHop und Rap?
Hip Hop besteht aus vier Elementen. Rap ist eines davon. Das besagt die Lehre der alten Schule. Rap ist ein Teil der Kultur neben Graffiti, Breakdance und DJing.

Bei “So oder so” (2004) gibt es mit „Hedi Wari“ und “Koida Kaffee” zwei eurer “Ur-Dialektrapsongs”. Ihr begründet das u.a. mit der Tatsache, dass man mittels Dialekt “schlauen Blödsinn von sich geben” kann. 2007 gab es dann auch noch mit „(So schnö kaust gor net) Schaun!“ eine längst überfällige Zusammenarbeit mit Attwenger. Mittlerweile denken die Meisten bei Dialektrap wohl eher an Bands wie Trackshittaz. Was war euer Ansatz damals und wie sieht das heute aus?
Dialekttexte bieten einen anderen Zugang zu Rap (auch wegen dem geschmeidigen Klang) und der Track mit Attwenger ist erstens ein Ausloten von „was kann man eigentlich jetzt alles mit einem Satz anfangen“ und zweitens, ich denke das merkt man auch, Herzenssache. Ich verwehre mich aber gegen dieses dogmatische nur mehr im Dialekt rappen zu dürfen weil man auch so spricht (Umgangssprache). Hier wird Authentizität mit dem Verschließen vor Möglichkeiten und einem peinlichen Traditionsbewusstsein verwechselt! Es gibt auf „Hochdeutsch“ noch genug unerforschte Gefilde. Also beides: Slangandnormal. Trackshittaz richtet sich selbst.

Wenn es um “Ver-, Hin- und Querverweise” in euren Texten geht, stellt sich die Frage, ob es dabei auch um solche aus der Literatur geht. Wir wissen ja, dass bei Attwenger Jandl, Rühm, Artmann eine nicht geringe Rolle spielen. Wie ist das bei euch (etwa im Bezug auf Qualtinger, Falco)? Findet ihr in diesen nur scheinbar popfernen Regionen Ansatzpunkte (auch im Sinne von vergessenen, verschütteten Traditionen/Ansätzen)?
Falco ist mir zu blöd, aber Qualtinger ist für mich ein möglicher Referenzpunkt. Jandl, Artmann, alles ein Thema. Aber es gibt auch Bezugnahmen auf amerikanische, britische, deutsche LiteratInnen etc…Alles sehr weitläufig und schwer unter einem Hut zu bringen. Am besten ist wenn der Text auch diesbezüglich selbsterklärend ist.

Es geht bei euch immer wieder um Wortklang und Wortkaskaden (etwa bei “Geben&Nehmen”) oder um Aufgabenstellungen wie “Hauptwortansammlungen, die es eigentlich nicht gibt” wie bei “Millionen Personen” (“Sachertortenmeider”, “Linzertortenanschneider”, “Semmelbröselknödelwälzer”, “Sommerschlußverkaufsausräumer”, “Ausnüchterungszellenbesucher”). Also um “Wordplay” und “Signifying”. Wie sehr waren hierbei us-amerikanische Einflüsse, Inspirationen wichtig? Gibt es auch Texte, die quasi Übersetzungen von US-HipHop-Sachen sind?
Sogar direkte Einflüsse gibt es zugegebenerweise viele. Z.B: Big L (“Sprachbarrieren”) oder Smoothe da Hustler & Trigga Tha Gambler (“Broken Language”). Es sind dies aber keineswegs Übersetzungen, sondern in unserer Sprache weitergetriebene Ideen. Also Inspiration: Ja! Zündfunke: Ja! Aber keine Kopie. Auch so was wie ein Grenzen ausloten: Man nimmt sich etwas nicht leicht zu Erreichendes vor und schaut wie weit man kommt. Wortspiele sind zum Teil auch eine schwierigere Vorgabe als so manch anspruchsvoller erscheinende Thematik.

Im Song “Österreich” (2004) heißt es “Ich lebe in einem Land, wo die Musikindustrie keinen eigenen Plan mehr hat und keine Philosophie”. Seht ihr das immer noch so?
Ich kann weder einen Sinneswandel noch Verbesserungen der Situation erkennen. Noch immer wird offensichtlichstes Potential unten gehalten. Es ist wie im Sport: Es regiert die Bussibussi-Partie. Wenn einem nichts Gescheiteres passiert als der Amadeus-Preis, der mehr ein Armutszeugnis denn einen Qualitätsnachweis darstellt (den möchte man gar nicht gewinnen, das bringt nichts, das gibt nur ein schlechtes Licht), dann ist man von dem was Artists wirklich brauchen weit weg. Mit Wehmut blickt man in die Schweiz, nach Frankreich oder die skandinavischen Länder (Schweden!). Warum gibt´s noch immer keine Abgabe auf Festplatten (wie schon seit Jahren in Deutschland) sondern das bezeichnenderweise unter dem Titel „Leerkassettenabgabe“ bekannte Körberlgeld? Undundund…

Bisher gab es Buchpräsentationen in Wien (phil) und Linz (Stifter Haus): Wie war das? Wie sind eure “Lesungen” angekommen?
Das ist Alles gut gegangen! Operation gelungen. Mit ein bisschen Bammel haben wir die Herausforderung angenommen und sind durchgeflitzt. Hat sogar richtig Spaß gemacht wenn man sich mal warmgeredet hat. Denn wir haben ja nur ein paar Texte gelesen und im Weiteren diskutiert, analysiert und Anekdoten erzählt. Das hängst auch von der Tagesverfassung ab und ist natürlich auch etwas ganz anderes als ein Konzert. Also für uns eine neue Erfahrung und ein spezielles Erlebnis.

Sind weitere Lesungen geplant?
Ja. Gearbeitet wird an Lesungen in: Salzburg, München, Graz, Innsbruck…Bitte entnehmt die Termine unserer Website. Wir sind auch noch offen für weitere Termine. Veranstalter bitte melden! (texta@servus.at)

Und was können wir von Texta in Zukunft erwarten?
Wir arbeiten an neuem Material. Es wird „Grotesque“-Remixes geben. Und: Texta goes Theater: Wir sind beteiligt an einem Stück zur Eröffnung des Musiktheaters Linz (April 2013). Ansonsten Konzerte und Soloausflüge, bzw. Neues von den Projekten: Tuesday Classics, Ganz Schön hässlich (GSH), Merker.tv….

Danke für das Interview.

“TextA-Z – Die TEXTA-Chroniken. Texte 1993-2011” (Milena Verlag 2012)

Kommende Präsentationen (Lesung plus DJ-Party)
31.08. Straubing
01.09. Linz Fest (t.b.c.)
08.09. Admont
15.09. Graz
22.09. Gänserndorf
29.09. Höllerwirt (t.b.c)
21.11. Weiz
24.11 Freising

Foto 1: erwin@rachbauer.at
Foto 2: www.katsey.org
Foto 3: zoe*fotografie

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