Robert Koschier kennt man in der Grazer Veranstaltungsszene. Der sympathische, stets lachende Kosmopolit feiert 2013 das zehnjährige Jubiläum seiner ausgesprochen erfolgreichen Partyreihe ROSY. Mit Lucia Laggner sprach er über die Entstehungsjahre einer Konzeptparty, die sich zu einer der begehrtesten Veranstaltungen der Stadt etablierte, den Spaß als tragendes Element einer gelungenen Nacht und die Gefahr einer verstummenden Stadt.
mica: Dieses Jahr feiert ROSY – die Geburtstagsparty wird im Dezember statt finden – sein 10 jähriges Jubiläum. Wenn du diese zehn Jahre retrospektiv an dir vorbeiziehen lässt, wie hat sich dann deiner Meinung nach diese Idee des gemeinsamen Feierns Homo- und Heterosexueller entwickelt?
Robert Koschier: Eigentlich sehr gut. Von Anfang an waren heterosexuelle Besucher Teil der Veranstaltungen. Zunächst hatten wir (Anm. ROSY entstand gemeinsam mit Silvia Hintersonnleitner) definitiv noch mehr Homosexuelle, sprich Schwule und Lesben, aber das Besucherverhältnis hat sich über die Jahre auf 50:50 eingependelt. Früher waren es vermutlich noch 2/3 Homos und 1/3 Heteros.
mica: Hast du das Gefühl, dass auch du dich mit dieser Sache mitentwickelt hast? Kannst du eine derartige Distanz einnehmen, dass du ROSY nur als Produkt siehst oder fühlst du mit und bist Teil der Marke?
Robert Koschier: Distanz zu halten schaffe ich leider nicht besonders gut. Die ersten Jahre habe ich mir sehr schwer getan wirklich Abstand zu gewinnen, weil ich zusätzlich ein hyperaktiver Mensch bin und wenn mir etwas am Herzen liegt oder ich etwas umsetzen will, dann mach ich das mit 110% oder mehr. Ich denke eigentlich sehr viel über meiner Veranstaltungen nach und dadurch kommen auch immer wieder neue Ideen für die Partys zu Stande. Ich würde sagen, dass ich einfach mit offenen Augen durch die Welt gehe und wenn ich etwas spannendes beobachte, dann kann ich das vielleicht für meine Arbeit adaptieren und Neues umsetzen. Was sich tatsächlich weiterentwickelt hat ist, dass ich tendenziell gelassener geworden bin. Früher hätte ich bei bestimmten Dingen, die mich heute kaum tangieren, die Nerven weggeworfen. Trotzdem bin ich immer noch vor jeder Veranstaltung nervös und versuche auch immer etwas Neues zu bringen – sei es ein Promoclip für die Veranstaltung, um das Interesse neuer BesucherInnen zu wecken oder auch ausgefallene und provokative Flyer und Poster, um mehr Aufmerksamkeit auf die Party zu ziehen. Provokation, denke ich, ist vielleicht gar nicht das richtige Wort. Ich versuche einfach Flyer zu gestalten, die anders sind und sich vom Anderen abheben.
mica: Das ist also eher eine Werbestrategie, als eine Form der Aufklärungsarbeit?
Robert Koschier: Aufklärungsarbeit leisten wir in anderer Form. Ich arbeite schon immer mit der Aidshilfe zusammen und das war mir auch immer ein großes Anliegen diesbezüglich aufzuklären. Im Prinzip ist es mir allerdings sehr wichtig, dass die Leute Spaß haben, denn wenn das eintritt und Menschen tatsächlich miteinander feiern, dann fallen auch ein paar Barrieren oder sind vielleicht sogar schon welche gefallen. Im Idealfall können wir erreichen, dass die Menschen offener aufeinander zugehen und sich nicht denken: “Ah schau, der ist Schwul, der ist witzig, mit dem will ich nix zu tun haben.” Mir ist wichtig, dass diese Leute erkennen, dass alle gleich sind. Egal ob sie auf Männer, Frauen oder Beides stehen.
mica: Eigentlich lässt sich ROSY als Gesamtkunstwerk sehen. Deine Partys sprechen alle Sinne an und funktioniert nicht nur auf musikalischer Ebene, sondern wirkt auf Grund von Dekoration, Tänzer usw. auch auf visueller Ebene. Dennoch würde ich gerne von dir wissen, wonach du die Musik aussuchst. Was sind deine Schwerpunkte, Vorzüge und welche Rolle spielt in dieser Entscheidung auch das Publikum?
Robert Koschier: Ganz eine große, tatsächlich die größte Rolle spielt das Publikum. Mir war es von Anfang an wichtig, dass die Djs nicht ihr Egoset spielen, sondern auf das Publikum eingehen. Ich spreche vor jeder Veranstaltung einige Male mit den Djs und versuche ihnen zu erklären, dass es mein Wunsch ist, dass die Leute auf meinen Partys Spaß haben. Man kann in jedem Fall als Dj seine Vorstellung von Musik präsentieren, aber es sollen auch einfach lustige Nummern dabei sein. Im Endeffekt muss man das Ganze auch nicht so ernst nehmen. Eine Party soll ein Moment im Leben sein, wo die Menschen Spaß haben. Große Dj-Namen sind mir nicht wichtig. Wenn ich einen Dj höre, dessen Musik mir gefällt und ich Spaß habe, dann würde ich den buchen, egal ob er berühmt ist oder nicht. Ganz Berühmte kann ich mir eh nicht leisten, aber die Abstufungen sind mir eigentlich auch egal, weil es um etwas anderes geht. Es soll einfach ein netter Sound sein.
mica: Das ist nachvollziehbar, weil du einfach nicht alles auf die Karte der Musik setzt, sondern auch andere Parameter innerhalb deiner Partys eine wichtige Rolle spielen.
Robert Koschier: Gerade als ich angefangen habe waren viele Partys darauf ausgerichtet mit einem großen Dj zu werben. Tatsächlich steht oft nichts dahinter. Ich habe mir oft gedacht, dass das Publikum völlig auf der Strecke bleibt. Als ich als Aupair in Amerika gewesen bin habe ich in der dortigen Schwulenszene – insbesondere in New York – Partys kennen gelernt, die sich allein am Spaß orientieren und zusätzlich zur Musik Dekoration und sexy Gogos geboten haben. Für die Gäste hat es oft Geschenke gegeben und Aufklärung hat auch dort statt gefunden, indem beispielsweise Kondome verteilt wurden.
mica: Du veranstaltest neben ROSY noch eine zweite Partyreihe, im Übertragenen Sinne einen Spin-off. Aus welcher Motivation ist Homotechnik entstanden?
Robert Koschier: Nachdem sich auf Rosy nach und nach ein Gleichgewicht zwischen Homos und Heteros eingestellt hat, wollte ich eine Homoveranstaltung im kleineren Rahmen schaffen. Die Party selbst ist sehr reduziert. Es gibt keine Gogos, keine große Dekoration. Es geht um eine feine Party und gute Musik. Diese Veranstaltung bewerbe ich auch mehrheitlich über homosexuellen Kanäle. Ich will eigentlich gar nicht, dass dieser Abend wächst, weil er am kleinen Floor der Postgarage gut läuft und dadurch auch recht intim ist.
mica: Welchen medialen Kanälen hast du dich für ROSY bedient? War es dir wichtig mit anderen Vereinen zusammenzuarbeiten?
Robert Koschier: Mir war es von Anfang an wichtig Zusammenarbeit zu schaffen. Flower Power macht für ROSY schon seit vielen Jahren die Dekoration. Zu Beginn waren mir Andere zum Teil aber nicht so gut gesinnt. Einige haben gedacht ich nehme ihnen das Geschäft weg, vor allem natürlich andere schwulen Lokale. Ich war immer der Überzeugung, dass wenn das Ding lauft, auch Leute aus der Umgebung kommen werden und davon könnten dann alle profitieren. Die sind eigentlich erst nett geworden, als die Sache schon gut gelaufen ist. Nicht-homosexuelle Einrichtungen haben mich anfänglich sogar stärker unterstützt. Dadurch, dass ich im Parkhouse kellnere, kenne ich viele kleine Cafes, die mir auch geholfen haben. Damals war es wirklich nicht so einfach Veranstaltungen zu organisieren. Ich hoffe, dass das heute für junge Leute leichter ist. Ich hatte auch oft Schwierigkeiten bei Großsponsoren Verträge zu bekommen. Interessanter Weise waren das oft Marken, die von Homosexuellen konsumiert werden und trotzdem wollten die Zuständigen mit mir keinen Deal eingehen. Obwohl mein Konzept ihre Zielgruppe vielleicht sogar ansprechen würde.
mica: Wenn du Graz betrachtest – auch mit dem Hintergrund, dass du selbst viel reist – wie würdest du die Clublandschaft in dieser Stadt beschreiben? Wie beobachtest du die momentane Situation der Veranstalter und Clubbesitzer?
Robert Koschier: Momentan ist eine Entwicklung spürbar, welche die Innenstadt ganz beruhigen soll, was ich eigentlich furchtbar finde. Ich bin viel in südlichen Metropolen, wie Tel Aviv, Barcelona, Rom, Palermo, unterwegs und da leben die Menschen einfach ein bisschen mehr und wenn nach zehn Uhr abends noch was passiert, dann ist das auch kein Drama. Ich finde es traurig, dass man Graz derartig beruhigen will. Das Parkhouse etwa, das doch für viele Jugendliche, die alternativer denken, ein wichtiger Ort ist, soll in Zukunft vielleicht gar keine Musik mehr spielen dürfen, weil nebenan eine Luxusimmobilie gebaut wird. Das ist schon traurig. Die Stadt Tel Aviv ohne die umliegenden Gebiete hat auch nur 350.000 Einwohner. In dieser Stadt kann man als Homosexueller jeden Abend wirklich fortgehen und am Wochenende hat man zwischen mehreren Partys die Wahl. Für die Heterosexuellen gibt es natürlich noch viel mehr. Da herrscht einfach mehr Leben. Wenn man bedenkt, dass es das Wetter in Graz nur ein paar Monate im Jahr wirklich zulässt, dann wäre es doch schön, wenn die Leute auch rausgehen, sich in die Wiese setzen und auch noch nach zehn Uhr Lärm machen dürften.
mica: Die aktuelle Sitation betrifft ja nicht nur das Parkhouse, sondern hat schon das Niesenberger, die Kombüse und auch das Univiertel zum Teil eingeebnet. Das spiegelt doch auch die Machenschaften gewisser Stadtpolitiker. Es geht ganz offensichtlich gegen jeden. Was könnte man gegen diese Entwicklung unternehmen?
Robert Koschier: Ich denke etwas anderes als eine groß angelegte Demonstration hilft gar nicht. Ich weiß allerdings nicht, ob die Grazer dazu bereit sind. Es geht zwar vielen gegen den Strich, aber ob die jungen Leute wirklich auf die Straße gehen, weiß ich nicht. Tatsächlich wäre es die einzige Lösung, um zu zeigen, dass wir Grazer nicht zufrieden sind in welche Richtung es sich entwickelt. Als ich jung war habe ich die Situation liberaler wahrgenommen. In den letzten Jahren ist alles etwas konservativer geworden und ich frage mich schon wie weit das noch gehen soll. Noch mehr Verordnungen und Gesetzte. Ich würde wirklich gerne wissen, wer an dieser Luxusimmobilie (Anm. Bau eines Wohnkomplexes im Pfauengarten, der an den Stadtpark grenzt) so richtig gut verdient. Ob das Leute sind, die in der Stadt sitzen oder nicht.
mica: Im Bezug aufs Parkhouse lässt sich doch eine klar Entwicklung ablesen. Zu Beginn hat es noch jede Menge Open Air Konzert gegeben, dann wurden diese teilweise verboten und schließlich auch die Boxen im Außenbereich abgedreht. Heute kann man eigentlich nur mehr Musik hören, wenn man sich drinnen ein Bier holt oder sich am Klo anstellt. Ein Tourist, der nicht weiß, dass es hier ein Cafe gibt, der findet es unter Umständen gar nicht, weil es auch gar keine Soundquelle mehr gibt, die auf ein Lokal verweisen würde.
Robert Koschier:
In den Sommermonaten hat es früher schon ein bis zweimal die Woche Konzerte gegeben, aber wir durften auch da immer nur bis zehn spielen. Vor einigen Jahren durften auch die Djs noch draussen spielen. Da ist es wirklich nie um die wahnsinns Lautstärke gegangen. Mittlerweile darf man draussen keine Musik mehr übertragen. Es gibt Ausnahmen, aber der Usus von früher hat sich völlig aufgehört. Das ist natürlich wahnsinnig schade.
mica: Wenn du dir als Veranstalter, der du seit zehn Jahren bist, die neuen Partyreihen in Graz verfolgst, würdest du meinen, dass interessante Dinge passieren?
Robert Koschier:
Es gibt coole Impulse. Schwarzes Herz finde ich vom Namen und der Idee eine wirklich gelungene Veranstaltung. Zu Beginn ist es ja für jeden Veranstalter sehr schwierig, weil man einfach hohe Kosten und kaum Sponsoren hat. In Wahrheit trauen sich viele dann nicht drüber, obwohl sie vielleicht sogar eine gute Idee hätten und die Sache gut laufen würde.
mica: Vielleicht wird der Trend, dass die Stadt von Seiten der Politik zur Ruhe gezwungen wird, dazu führen, dass außerhalb der Stadt Open Air Events entstehen.
Robert Koschier:
In unseren Breiten wird man das nicht oft umsetzen können. Zwei Monate im Jahr ist es wirklich verlässlich schön und wenn du Pech hast regnet es am Tag der Veranstaltung trotzdem. In Tel Aviv haben viele Clubs einen zusätzlichen Open Air Bereich und die sind mitten in der Stadt. Die machen Musik und es regt sich keiner auf. Da macht auch einfach jeder ein bisschen mehr Lärm, in den Straßen wird mehr miteinander gesprochen und man hat das Gefühl, dass nicht so aufgepasst wird, ob jemand sich lauter verhält. Ich verstehe, dass man unter der Woche nicht jeden Tag laute Musik machen kann, aber in den Sommermonaten und am Wochenende sollte man doch einfach ein Auge zudrücken und nicht alles so wahnsinnig eng sehen.
mica: Die nächsten zehn Jahre ROSY – wie steht es um die Zukunft deiner Veranstaltungen?
Robert Koschier: Ich bin am überlegen. Die Sache lauft sicher noch weiter, aber ich denke schon, dass ich in meinem Leben mal wieder eine neue Richtung einschlagen will. Nichts davon ist fix, aber ich kann nicht sagen, was in den nächsten zehn Jahren mit ROSY passiert. Es wird sicher noch eine Zeit weitergehen, aber zehn weitere Jahre vermutlich nicht.
mica: Veranstalter zu sein und diese Partys gemacht zu haben, hast du dir damit einen Traum erfüllt oder ist das einfach passiert?
Robert Koschier: Eigentlich hat sich das so ergeben. Vermutlich war es nie ein Traum von mir Veranstalter zu sein, obwohl ich schon immer gerne Dinge organisiert habe. Ich war Klassensprecher und habe immer diese Klassenfahrten geplant, weil man viel telefonieren musste. Das Organisieren ist mir schon immer sehr gelegen. In die Veranstaltungsbranche bin ich allerdings hineingerutscht. Als ich in Graz angefangen habe, wollte ich einfach eine Party machen, auf der die Menschen Spaß haben und ich wollte Großstadtflair vermitteln. Letztlich hatte es auch einen egoistischen Grund, weil ich selbst einfach lustig und gut weggehen wollte in Graz. Erst später habe ich erkannt, dass man, wenn man die Veranstaltung selbst organisiert, gar nicht so viel Freizeit und Spaß hat.
mica: Aber es gibt sicher Momente, die dich emotional bewegt haben, oder?
Robert Koschier: Klar, wenn ich die Menschen beobachte und sehe, dass sie Spaß haben und dann vielleicht sogar noch jemand zu mir kommt und sagt, dass ihm die Party gefällt, dann ist das natürlich wahnsinnig schön. Es gibt die Momente, wo ich mir denke: “Schau cool, das ist schon ein super Ding, das ich geschaffen habe.”
Für alle, die sich selbst vom besagten Spaß mitreißen lassen wollen, bietet sich am 21.9.2013 die nächste Gelegenheit dazu, wenn Robert Koschier und sein Team die Postgarage in die Spielwiese einer ROSY-Nacht verwandeln.
Foto: ROSY
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