Das es aus dem Umfeld des Salzburger MusikerInnen-Kollektivs Klub Mildenburg (Merry Poppins, The Pond Pirates, Hemmas Herrn) immer wieder überraschendes zu hören gibt, dürfte sich mittlerweile ja schon herumgesprochen haben. Mit seiner zweiten CD “Yelling With The Pantomime” hat der Singer/Songwriter und Multiinstrumentalist Renato Unterberg (u.a. auch bei den Pond Pirates tätig) dem ganzen nun einen weiteren, ungewöhnlichen Höhepunkt hinzugefügt. Musik, zwischen allen Stühlen (Psychedelic, Folk, Balkan), die sich auf steter Wanderschaft befindet und dort Neues erkundet. Für mica hat sich Didi Neidhart das folgende Interview geführt.
Dein Debüt “The Cinnamon Nights” (2010) wird von deutschen “FM5-Magazin” als “eine märchenhafte Geschichte eines Mannes auf der Reise” beschrieben. Worum geht es bei dieser Reise und gilt das Reisethema für deine aktuelle CD immer noch?
Bei der Reise in “The Cinnamon Nights” handelt es sich um ein persönliches Loslösen von der irdischen, materiellen Welt hin zu einer spirituellen. Es ist ein Märchen, indem es um die Erkenntnis geht, dass wir Menschen keine physischen, voneinander getrennten Wesen mit einer Seele, sondern spirituelle Wesen mit einem Körper und fest miteinander verbunden sind. Der Reisende versteht, dass die vergängliche, materielle Welt allein durch seinen Geist erschaffen wird und er lernt im Laufe der Geschichte, diese bewusst zu verändern und sogar zu verlassen. Es geht um Abschied, um Trennung und die Gier nach Neuem. Reisen bedeutet für mich immer Prozess, Entwicklung und neue Erfahrung. Bei “Yelling With The Pantomine” wird dies anders verarbeitet. Ich denke, ich bin beim zweiten Album eher wo “angekommen”.
Im selben Zusammenhang sprichst du von “The Cinnamon Nights” als einen “Zufluchtsort”. Gilt das auch für die neue CD und vor was/wen wird hierbei geflüchtet?
Es war auf jeden Fall ein Zufluchtsort für mich und ich glaube, dass es das auch für den Zuhörer sein kann. Musik auf sich wirken zu lassen bringt einen immer näher zu sich selbst. Ich denke “The Cinnamon Nights” fordert dazu auf. Das neue Album ist bodenständiger, geerdeter. Es ist weniger ein Ort um Zuflucht zu suchen, mehr ein Energieschub um nach Außen zu gehen und
Impulse zu setzen.
Sowohl “The Cinnamon Nights” wie auch “Yelling With The Pantomime” sind Konzept-Alben. Wieso eigentlich? Liegt dir das mehr (eine durchgehende Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen)?
Ein Album zu machen bedeutet für mich, etwas in sich geschlossenes zu schaffen, das für sich steht. Ich war immer eher der Typ der speziell bestimmte Alben gemocht hat anstatt bestimmte Bands. Ein gut ausgewogenes Album ist ein sehr kräftiges Medium und kann viel mit einem anstellen, es kann zu einer eigenen Welt werden und das liebe ich sehr. “The Cinnamon Nights” ist eine in sich geschlossene Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt, “Yelling With The Pantomime” ist direkter und kritischer, beleuchtet eher ein Thema aus verschiedenen Richtungen: Veränderung.
Worum geht es auf der CD bzw. für was steht/was symbolisiert “The Pantomime”?
Das sollte jeder für sich selbst herausfinden, dass kann ich für niemanden festlegen. Aber ich kann dir meine Vorstellung davon beschreiben: Gemeinsam mit dem Pantomimen zu schreien symbolisiert Protest, der nicht wahrgenommen wird. Das Schreien ist eine Form von Ausdruck, die dem Pantomimen nicht zugestanden, nicht erlaubt ist und somit ignoriert wird. Der Schrei ist lautlos, dringt nicht durch an den Rest der Welt, wird nicht gehört. Man muss sich anderen Mitteln bemächtigen, um Veränderung herbeizuführen. In Ruhe und Stille bei sich selbst beginnen, Gewohnheiten verändern.
Gibt es Zusammenhänge zwischen den Motiven Reise, Märchen, Sinn/Ich-Suche und der musikalischen Umsetzung? Bei “Balkan” gibt es ja auch immer wieder Assoziationen mit “dem fahrenden Volk” und “Folk” mein ja auch nicht gerade Sesshaftigkeit (schon gar nicht wenn davor ein “Psychedelic” steht).
Ich strebe in meinen Songs nach Sesshaftigkeit, nach dem “Nachhause” kommen, habe jedoch erkannt, dass das Zuhause niemals Stillstand ist. Der Weg ist das Ziel, die Bewegung und Entwicklung das Anzustrebende. Ich habe noch lang nicht genug davon, versuche in neue Richtungen auszuschweifen um Neues zu erkennen. Psychedelisch wirds, wenn man die Zeit keine Rolle spielen lässt und versucht, sie zu vergessen. Sie existiert nämlich nicht.
Wie hast du eigentlich mit dem Musik machen angefangen? Ging das immer schon in die etwas psychedelische Richtung?
Ich habe 2005 die ersten Songs in der Mildenburg auf acht Spurer aufgenommen und stehe seit 2006 mit The Pond Pirates, für die ich auch einiges an Songmaterial schrieb, als Gitarrist regelmäßig auf der Bühne. Es hat bis Herbst 2008 gedauert bis aus den unzähligen Demoversionen für mein Solo-Projekt ein Struktur, ein Konzeptalbum wurde. Nach einem zweijährigen Aufnahme- und Kreativprozess, an dem ein Großteil der Mildenburg-Community mitwirkte, brachten wir das Album raus und das Programm im Dezember 2010 auf die Jazzit-Bühne. Ich habe viel experimentiert und ausprobiert. Das zweite Album wurde in zwei Monaten aufgenommen und rausgebracht.
Was sind deine musikalischen Einflüsse? Auf der CD geht ja mitunter wild durch die Genres. Da trifft psychedelischer Folk auf Balkansounds, es gibt Anklänge von Swing und Vaudeville. Korrespondieren die Musiken auch mit den Themen, die dich interessieren?
Nein nicht wirklich, vieles kommt so auf mich zu. Einige Songs sind stilistisch so auf der Platte wie wir sie live gespielt haben, auch dementsprechend instrumentiert. Andere wiederum habe ich am Tag vor (und manchmal während) der Aufnahme geschrieben und versucht, sie so pur wie möglich auf Band zu bringen. So manche Hook lässt nur ein bestimmtes Instrument für mich gelten, daher vielleicht auch die Genre-Sprünge. Weiters habe ich für dieses Album auf vielen verschiedenen Instrumenten komponiert. Ich versuche die Musik in meinem Kopf so unverfälscht (und unverkopft) wie es geht nach Außen zu bringen und setze mir da selbst keine Grenzen.
Seit den Nullerjahren gibt es ja wieder einen Folk-Boom. Angefangen bei Anti-Folk bis hin zum aktuellen Singer/Songwritertum (etwa bei Mel). Siehst du dich da als Teil davon, hat dich das beeinflusst, oder sind da eher parallel laufende Phänomene?
Ich sehe mich nicht als Teil des Singer/Songwritertums oder einer “psychedelic-folk-tradition”, diese Worte sind schon so schwer beladen mit verschiedensten Bedeutungen, ich identifiziere mich nicht damit. Psychedelic-Folk steht bei mir im Pressetext, weil ich unsere Live-Konzerte am ehesten darunter einstufen würde, auch wenn Leute nach den Gigs sagen wir klängen wie ungarische Volksmusik oder erinnern an Cat Empire. Was soll ich sagen? Wenn ich mich als Teil von etwas sehe, dann als Teil des Mildenburg-Sounds, der da eher ein parallel laufendes Phänomen ist. Beeinflussen tut mich quer durch die Bank alles, was ich zu hören bekomme, da komm ich garnicht aus. Was Anti-Folk ist, weiß ich nicht.
Aufgenommen wurde die CD ja im Salzburger Jugendkulturzetrum MARK. Wie kam es dazu und wie waren eure Erfahrungen dabei?
Wir haben sie um 10-14 Tage in ihrem Proberaum gebeten und sie haben Ja gesagt. Es ist ein schöner, großer und sauberer Proberaum abgelegen von jeglichem Trubel, wir konnten dort sehr konzentriert arbeiten und danach oft noch die Volxküche genießen. Sie haben uns sehr unterstützt damit. Einiges wurde jedoch auch im nicht ganz so großen, nicht ganz so sauberen Landhaus-Maria Proberaum aufgenommen, sowie ein Song in unserem neuen Atelier in der Bachstraße.
Waren bei “Yelling With The Pantomime” erneute Mitglieder der “Mildenburg Bands” (The Merry Poppins, The Pond Pirates, Hemmas Herrn) beteiligt?
Ja, wir waren wieder ein gutes Team. Benjamin Lageder, Sänger der The Pond Pirates, hat das Album mit mir aufgenommen, gemixed und gemastered. Thomas und Robert Aichinger sowie Herbert Könighofer und Mathias Vorauer von den Merry Poppins waren dabei, David Saudek, Florian Fürhapter und Bene Halus von den Pont Pirates machten mit, Hemma Treppo und Rocky Leon gaben Chorunterstützung.
Du bist letztes Jahr mit The Pond Pirates durch Mitteleuropa und Georgien getourt. Wie kam es dazu und wie habt ihr euch das finanziert?
In Georgien waren wir drei Wochen mit beiden Projekten unterwegs und waren täglich am Spielen. Unser Booker Emanuel Hinterbauer hat durch seinen halbjährigen Aufenthalt dort einige Kontakte geknüpft und mit viel Arbeit die Tour organisiert. Die österreichische Botschaft hat uns zwecks Flüge finanziell unterstützt, was uns noch fehlte holten wir mit Straßenmusik. Die Mitteleuropa-Tour war nur ein Unterberg-Projekt, zweieinhalbtausend Kilometer zu viert mit vollem Equipment in einem roten Golf durch die Länder, ohne jegliche finanzielle Unterstützung. Es war herrlich…
Wie wichtig war diese Tour für dich bzw. wie sehr hat sie deine neue CD auch mit beeinflusst?
Die Touren haben das Songmaterial sehr beeinflusst. Ich habe mich und meine Stimme besser kennengelernt und wollte diese neu-entdeckten Facetten auf Platte bringen. Es war mir wichtig auf diesen Aufnahmen unsere Live-Energie spürbar zu machen, mich selbst mehr zu pushen, den Moment zu nutzen und von Innen heraus zu agieren. Mich weniger zurückzuhalten. Live ist es wie beim Surfen: wenn man die Welle richtig erwischt kann man sie bis an ihr Ende reiten, das geilste Gefühl überhaubt. Ich denke, wir haben bei einigen Takes einfach die Welle erwischt.
Eine zentrale Stellung auf dem Album dürfte ja der Track “AFP” haben (zudem es auch Video gibt). Worum geht es dabei und warum ist dir das so wichtig?
Es geht in erster Linie darum, dass es möglich ist Wüstenbereiche durch das säen von Samen zu begrünen. Der Song sowie das AFPmovement ist in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten und Poeten Markus Treppo entstanden und ein Aufruf, mit den Samen die ein jeder hat positiv auf seine Umwelt und sein Umfeld einzuwirken, metaphorisch gesehen. Das ist mir deshalb so wichtig weil es wirklich wichtig ist. AFP heißt, seiner eigenen Vernunft Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn man das vernachläßigt verarscht man sich selbst und somit alle anderen um sich.
Im Video zu “AFP” sieht man Aufnahmen eines Benefizkonzerts für die “Temi Community” in Georgien. Wie ist es dazu gekommen?
Wir gaben am Tag vor dem Videodreh ein Benefizkonzert in Gremi für die Temi Community, dies war Teil unserer Tour mit den Pond Pirates und dem
Unterberg-Projekt. Das Video (http://www.youtube.com/watch?v=7uWwraaRQGU) zeigt den darauf folgenden Tag, den wir mit ihnen verbrachten. Es war eine sehr inspirierende Zeit für uns, wir waren beeindruckt von dem Projekt und von der Offenheit all der wundervollen Menschen dort, einer vom Team hat mitgefilmt und uns das Material zukommen lassen. Der Rest war Schnipslerei…
Glaubst du, dass Musik (dein Musik) auch eine gesellschaftsverändernde Wirkung haben, oder zumindest Anstösse zu einem Umdenken liefern kann?
Ja.
Wie geht es jetzt weiter, was ist für die Zukunft geplant?
Es gibt ein paar Konzerte in den nächsten Monaten, weiters arbeiten wir an einem dritten The Pond Pirates-Album, dass im Frühling 2013 erscheinen soll. Wir schneiden gerade am Musik-Video für Renato Unterberg – “The Two Sisters”. Ich arbeite viel an neuen Songs und schreibe an einer Textsammlung, wir pflanzen Statuen aus Hasendraht um. Manchmal übe ich heimlich Querflöte und ich muss meinen Plattenspieler reparieren.
Danke für das Gespräch.
Nächste Konzerte:
07.07.12 – Ute Bock Benefiz, Böllerbauer NÖ / AUT
12.07.12 – HISTeRIA Festival, Gračišče SLO
14.07.12 – HISTeRIA Festival, Gračišče SLO
Renato Unterberg
Klub Mildenburg