mica-Interview mit Your Ten Mofo

Wenn eine österreichische Band in den großen deutschen Musikmagazinen Spex und Intro rezensiert wird, ist das manchmal ein Zeichen funktionierender Promotion-Arbeit, viel öfter aber ein Zeichen dafür, dass ihre Musik wirklich gut ist. Zu gut, um auf dem österreichische Markt zu versauern. Immer aber ist es in einem solchen Fall angebracht nachzufragen. Michael Parzer und Stefan Hartl von Your Ten Mofo gaben dann auch bereitwillig Auskunft über Sigur Ros-Vergleiche, Post Rock-Harmonien und Selbstprogrammierung.

Einmal ehrlich. Wie oft ist der Sigur Ros-Vergleich schon gefallen?

Michael Parzer : Gar nicht so oft, wie wir uns das eigentlich erwartet haben. Am Anfang haben sich die Kritiker damit aber mehr zurückgehalten als jetzt. Im Vergleich zu Österreich kam der Hinweis in Deutschland wesentlich öfter.

Stefan Hartl: Mir kommt vor, dass uns nur die Jungspunde der Redaktionen oft mit Sigur Ros-Vergleichen konfrontieren. Den Älteren fallen hingegen ganz andere Sachen ein. Slowdive etwa.

Michael Parzer : Dafür sind wir halt noch zu jung.

Stefan Hartl: Aus dem isländischen Bereich ist Sigur Ros nun einmal die populärste Band. Insofern ist der Vergleich schon auch logisch.

Und habt ihr einen Bezug zu Sigur Ros?

Michael Parzer : Wie sie die Stimmungen einfangen, ist schon einmalig. Ich hab sie einmal live gesehen, da haben sie mir schon unglaublich gut gefallen.

Stefan Hartl: Ich würde ja auch nicht so weit gehen zu behaupten, dass Sigur Ros und wir wirklich weit auseinander lägen.

Kommen andere Vergleiche?

Stefan Hartl: Jede Menge. Meistens Múm, Explosion in The Sky und Godspeed You Black Emperor.

Michael Parzer : Von den ganzen Postrock-Bands, die bekannt sind, also schon in den Mainstream hinein gehen, sind wir Sigur Ros sicher am nächsten. Viel näher als zum Beispiel Mogwai. Mit Godspeed andererseits haben wir dieses langsame Auftragen von Schicht auf Schicht gemeinsam.

Die sind aber doch wesentlich aggressiver als ihr es seid?

Stefan Hartl: Das hast Du recht. Wir sind das ganze Album durch nicht wirklich böse, sondern immer harmonisch und schön.

Das bringt mich zu einem Satz der im Spex erschienen Kritik zu eurem neuen Album. Ihr wärt “Spezialisten gnadenloser Schönfärberei”, heißt es da. Ärgert das oder fasst ihr die Bezeichnung eher als Kompliment auf?

Stefan Hartl: Ich fasse es eher als Kompliment auf. Es ist uns ja nicht passiert, dass das Album so klingt, wie es klingt, sondern wir haben es bewusst so klingen lassen. Wenn wir explodieren, dann eben nicht auf Weltuntergang, sondern auf Sonnenaufgang. Aber im Prinzip ist es Michael, der die Nummern schreibt. Er weiß das viel besser als ich.

Michael Parzer : Die meisten Songs entstehen bei mir und werden dann im Proberaum weiter ausgearbeitet. Die Lieder sind allesamt Momentaufnahmen, die nicht in eine Richtung programmiert wurden, sondern einfach so entstanden. Als wir dann alles abgemischt haben, ist dabei die Produktion, über die wir jetzt reden, herausgekommen. In der spezifischen Färbung haben wir uns zu dem Zeitpunkt eben am wohlsten gefühlt. Das heißt nicht, dass sich der Weg unbedingt so fortsetzen muss. Vielleicht klingt die nächste Platte ganz anders. Weniger vielschichtig, melodiös und harmonisch. Wer weiß.

Das Projekt Yours Ten Mofo begann als Einmannbastelei von Michael, die irgendwann zur Band mutierte. Meine Frage jetzt: Wie kommt es überhaupt dazu, dass man das, was man lange Zeit nur für sich und innerhalb der eigenen vier Wände macht, plötzlich auf eine breitere Basis stellen will und damit in die Öffentlichkeit geht?

Michael Parzer : Eigentlich habe ich früher schon in einigen Bands gespielt, auch in einer gemeinsam mit Stephan. Die Projekte haben sich allerdings nie über das Proberaum-Stadium hinaus entwickelt. Das lag vor allem daran, dass niemand den Part übernehmen wollte, einfach zu bestimmen, wie das ganze letztendlich klingen soll. Jeder wollte so viel wie irgend möglich beitragen, nicht aber bestimmen. Wenn es aber diesen einen nicht gibt, der die Richtung vorgibt, ist es ungemein schwierig, verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Irgendwann war ich dann so frustriert, dass ich aus den Bands ausstieg und mit den Elektronikbasteleien anfing. Als ich so weit war, dass ich fertiges Sounds hatte, bat ich Stefan, einige Schlagzeugspuren dazu zu programmieren. Das war der Beginn von Yours Ten Mofo. So kam der Stein ins Rollen. Schließlich haben wir ein Demo mit einigen halbfertigen Songs verschickt. Und einige waren wirklich recht interessiert. Dieses überwiegend postive Feedback war es auch, das uns dazu veranlasst hat, an der Bühnentauglichkeit der Nummern zu arbeiten.

Hattet ihr spezielle bestehende Kontakte, an die ihr die Demos verschickt habt oder habt ihr einfach blind agiert?

Stefan Hartl: Blind, völlig blind. Wir haben die Demos einfach an die Leute verschickt, von denen wir dachten, es könnte sie interessieren.

Wenn man das Album hört, würde man nie an einen elektronischen Ursprung denken. Eigentlich klingt das alles sehr organisch gewachsen. Könnt ihr die Entstehung ein wenig genauer beleuchten?

Michael Parzer : Das ganze Album hat einen elektronischen Grundpunkt aus Sound und Frickeleien, um die herum weitere Motive, meist ein Rhodes oder Pianospuren, gebastelt werden. Erst ganz am Schluss kommen die Gitarren dazu. Meist fange ich mit einer eingängigen Linie an, die dann gegen Ende des Working Progress unter Umständen gar nicht mehr vorhanden ist. Irgendwann, wenn ich genügend Linien um diese eine Melodie herum gesammelt habe, geht es daran, eine Schlagzeugspur aufzunehmen, damit ich eine Grundlage zum Arbeiten habe. Mit dem Grundthema und der Schlagzeugspur geht die eigentliche Arbeit erst los, denn dann geht es daran, aus den meist um die fünfzig Spuren das heraus zu suchen, was den Track ausmacht. Es geht also darum, welche Gitarren man rein nimmt, wie man gewisse Stimmungen verdichten kann und so weiter.

Und dann geht es irgendwann mit dem Material in die Band. Gibt dort auch Michael die Richtung vor?

Michael Parzer : Ich gebe schon stark die Richtung vor.

Stefan Hartl: Das ist einerseits so gewollt, weil er die Nummern schreibt und es sein gutes Recht ist zu bestimmen, wo die ganze Sache hingehen soll. Andererseits ist es dann auch viel Herumprobiererei und Diskutiererei. Letztlich war es aber noch nie so. dass wir anderen Bandmitglieder mit einer Idee, die Michael auf eine bestimmte Art umgesetzt wissen wollte, gar nicht leben konnten. Ich denke mir, jede Band braucht einen Bandleader. Damit wiederum die Ideen dieses Bandleaders bestmöglich umgesetzt werden, braucht es eine Band. Das eine kann es ohne das jeweils andere nicht geben.

Kam die Idee der Live-Umsetzung von euch oder vom interessierten Label?

Stefan Hartl: Zunächst wurde uns die Option auf ein Album geboten. Damit war eigentlich klar, dass wir das Album auch live promoten werden müssen. Und da wir nicht mit zwei Kasteln, sondern mit einer richtigen Band auf der Bühne landen wollten, mussten wir eine Band gründen.

Michael Parzer : Das viele gute Feedback bekamen wir ja für ein Spaßprojekt, bei dem es noch um nichts ging.

Stefan Hartl: Wir haben ein Demo auf CD gebrannt und an Labels und Magazine geschickt. So haben wir es im deutschen Visions sogar zum Demo des Monats geschafft.

Michael Parzer : Zu einem Zeitpunkt, als es die Band in diesem Sinne noch gar nicht gab.

Stefan Hartl: Das Feedback war überhaupt überwiegend positiv und der Hauptgrund dafür, dass wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgt haben.

Welche Labels haben sich außer Wohnzimmer noch gemeldet?

Michael Parzer : Grönland. Die haben immer noch Interesse, aber wussten nicht, wie sie unsere Musik positionieren sollten.

Stefan Hartl: Deshalb wurde es letzten Endes der Deal mit Wohnzimmer, die die Label-Agenden für Österreich und Deutschland wahrnehmen.

Wer macht Promo für das Album?

Stefan Hartl: In Österreich Wohnzimmer und in Deutschland die Ute von Lado.

In welchen Magazinen wart ihr vertreten?

Stefan Hartl: In Spex, Intro, Visions und Eclipse.

Konkret?

Stefan Hartl: Die Wohnzimmers planen und haben gerade eben auf der Popkomm wieder viele Leute mit der CD bemustert. Konkrete Angebote liegen aber noch keine vor. Das dauert sicher noch eine Weile. Es ist halt einfach etwas anderes, ob du mit einem flockigen Gitarrenpop oder mit etwas Experimentellem auf den Plan trittst.

Kam der Vorwurf explizit, nicht radiotauglich zu sein?

Michael Parzer : Nein, gar nicht. Den Wohnzimmer-Leuten war das von Anfang an klar. Und da kam auch von Anfang an die Bestärkung, uns nur nicht aus irgendwelchen kommerziellen Überlegungen heraus zu verändern. Im Gegenteil: Da hieß es immer wieder, wir sollen das machen, was wir uns denken. Und wenn das vom Format her dreißig Minuten lang ist: auch in Ordnung. Nicht in irgendein Korsett gezwängt zu werden, gefiel uns natürlich.

Und wurdet ihr im Radio gespielt?

Michael Parzer : Rober Rotifer hat uns einmal gespielt

Stefan Hartl: Wir wurden eh gespielt, aber halt zu nachtschlafenen Zeiten, zu denen es kaum jemand hört.

Wie ist das mit dem Format? Gehört die Song-Überlänge zum Konzept?

Michael Parzer : Da ist zunächst einmal gar keine Absicht dahinter. Die Nummern auf dem Album sind einfach so lang, weil man das, was ich sagen will, einfach nicht in drei Minuten abhandeln könnte. Die ganzen Schichten aufzutragen braucht nun einmal seine Zeit. Ich käme andererseits auch nie auf die Idee, jetzt eine Nummer ganz bewusst auf Radiotauglichkeit zu trimmen. Das würde nie und nimmer funktionieren. Vielleicht schreiben wir ja mal eine kurze Nummer. Aber wenn, dann nur, weil es bei dieser konkreten Nummer dann halt passt, dass sie kurz und prägnant ist. Aber uns selbst programmieren: Nein!

Aber im Prinzip geht es schon um die langsame Entwicklung von Soundflächen?

Michael Parzer : Momentan schon. Vielleicht entwickelt sich das aber auch einmal anders. Es gibt ja noch sehr viel Zeug von mir, das unfertig in der Schublade herum liegt. Wir dachten auch schon daran, mehr Stimme zu verwenden. Auf dem Album jetzt findet sich ja sehr wenig Stimme. Für uns passte es überwiegend so einfach besser. Wie es den Zuhörern geht, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich gefällt es ihnen auch so, sonst kämen sie nicht so zahlreich, wenn wir spielen.

Da wären wir beim Thema. Was ist live, seitdem ihr bei Wohnzimmer unterschrieben habt, bislang passiert?

Michael Parzer : Gesignt haben wir im Herbst 2004. Damals haben wir auch schon live gespielt. Allerdings fast ausschließlich Nummern, die es nirgends hin geschafft haben. Wohnzimmer wollte uns vor Abschluss des Deals unbedingt sehen, weil sie aus Prinzip nie ein Band unter Vertrag nehmen, die sich nicht schon einmal live gesehen haben.

Stefan Hartl: Von Mai bis jetzt haben wir wieder sehr oft gespielt.

Es ist also nicht schwierig, Gigs zu bekommen?

Michael Parzer : Doch, selbst in Wien ist es keine “gmahte Wiesn”, aber noch um einiges leichter als im restlichen Österreich.

Stefan Hartl: Als wir beim Gürtelnightwalk vor dem rhiz spielten, war schön zu beobachten, dass die Leute, die üblicherweise von Konzert zu Konzert weiter ziehen, bei uns hängen blieben. Das hat mich ungemein bestärkt in dem ,was wir da tun. Oder in Südtirol. Da haben wir neulich auf einem Festival gespielt, als letzte Band und es war sicher kein einziger Gast wegen uns dort.

Michael Parzer : Da hatten wir richtig Angst. Direkt vor uns hat eine Punkband den Saal gerockt, als gäbe es kein Morgen. Und in dieser brodelnden Party-Stimmung mussten dann wir unser leises, getragenes Konzept entwickeln. Es hat trotzdem funktioniert. Das Publikum wollte uns gar nicht mehr gehen lassen.

Ist es jetzt mit dem Album leichter geworden, Gigs zu bekommen?

Michael Parzer : Klar. Mit der CD geht es schon leichter, sich bei Veranstaltern zu bewerben.

Stefan Hartl: Support-Auftritte wären enorm wichtig für uns. Wie bei Velojet. Da hat es dann überall geheißen: “Die haben mit Coldplay gespielt”. Oder “Die müssen gut sein, weil…” Da wissen die Veranstalter dann auch: “Da mach ich jetzt nicht unbedingt etwas falsch, wenn ich die buche.”

Michael Parzer : Aber da Österreich nicht unbedingt mit Postrock-Bands zugebucht wird, ist es auch nicht so leicht, einen Act zu finden, der gerade spielt und zu dem wir wirklich gut passen.

Was ist in nächster Zeit live geplant?

Stefan Hartl: Von 4. bis 9. Dezember gehen wir auf eine kleine Tour durch die größeren deutschen Städte. Ende Jänner bis Anfang Februar klappern wir dann in einer zweiten Etappe auch die kleineren deutschen Ortschaften ab.

Wie viele Gigs sind das insgesamt?

Stefan Hartl: Pro Tourblock so um die fünf Gigs.

Michael Parzer : Viele Veranstalter meinen halt auch, dass ihnen unsere Musik zu langsam ist. Alles Leute, die uns noch nie gesehen haben. Viele Veranstalter denken in erster Linie ans Geld. Wenn du am gleichen Tag statt uns auch eine Party-Band haben kannst, fällt die Entscheidung leicht. Das gebietet wirtschaftliches Denken. Ich würde es ja selbst nicht anders machen. Um zu überleben, musst du die Bude voll kriegen. Alles andere ist Liebhaberei.

Wenn ich mir als Veranstalter auf einem gewissen Sektor einen Namen machen will, werde ich aber eine Linie brauchen. Mit Party-Bands ist das noch nie gelungen. Und wenn man sie zwischen die Qualität einschiebt, verwirrt man die Leute. In kleineren Städten ist es natürlich schwieriger, sich zu spezialisieren. Wie hat das bei euch funktioniert? War ein Stadt-Land-Gefälle zu spüren?

Michael Parzer : In Wien und den anderen Städten hat es funktioniert. In den kleinen Orten am Land funktioniert es dann, wenn es einen Kulturverein gibt, der auch sonst sperrige Dinge veranstaltet und die meisten im Publikum einfach schon wissen, was auf sie zukommt. Sonst wird es schwierig. Die Gefahr, lange Gesichter zu erzeugen, ist ziemlich groß. In Neusiedl haben wir zum Beispiel einmal an einem Samstag in einem normalen Club gespielt. Das war ein richtiges Desaster, weil sich die Leute einfach nur betrinken und feiern wollten.

Man kann sich doch auch zu eurer Musik betrinken…

Michael Parzer : Offenbar nicht so gut.

Stefan Hartl: In den kleinen Clubs sind die Veranstalter zwar durchwegs interessierter, aber dann kommen halt andere Probleme. Wir brauchen für unsere Gigs eine entsprechende PA mit 24 Kanälen. Bei nur 16 Stück wird es schon echt schwierig.

Michael Parzer : Du brauchst eine gewisse Grundqualität, sonst wird der Sound ein undefinierbarer Matsch.

Seid ihr live dynamischer als auf Platte?

Michael Parzer : Sicherlich. Nach dem Gürtelnightwalk haben einige Leute gesagt, sie empfinden die Musik auch härter als auf Album, was aber logisch ist, weil du den Sound live nun einmal nie so glatt mischen kannst, wie er auf CD rüber kommt. Der Gegensatz zwischen den leisen und lauten Parts kommt daher live weitaus extremer rüber als auf CD. Aber da gibt es soundmäßig dann natürlich auch große Unterschiede, etwa zwischen B 72 und Szene. Auch die Größe der Bühne spielt eine Rolle.

Für eine so genannte Postrock-Combo habt ihr mit vier Leuten ohnedies eine ungewöhnlich schmale Besetzung

Michael Parzer: Stimmt. Wenn wir die Möglichkeiten und das Geld hätten, würden wir aber eh Streicher mitnehmen. Oder ein Symphonieorchester. Mindestens.

Interview: Markus Deisenberger

 

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